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Dass Bono die Musik von heute "mädchenhaft" nennt, ist kein kleiner Ausrutscher

Eigentlich könnte uns die Meinung des U2-Sängers ja völlig egal sein, doch da ihm Millionen zuhören, hier mal ein paar Gedanken zu seinen letzten Aussagen.
Foto: imago | PA Images

Bono, bekannt als Sänger von U2 und Träger diverser Sonnenbrillen, teilt in letzter Zeit ziemlich oft seine Sicht der Dinge, sowohl in Interviews als auch in U2-Songs. Das aktuelle Album Songs of Experience war eine lasche Antwort auf die globale Krisenstimmung. Wenn du unter 40 bist, wirst du dich beim Anhören fremdschämen. Und wenn du dich soeben über die Feiertage mit älteren Verwandten rumgeschlagen hast, die unbedingt ihren Senf zum Tagesgeschehen dazugeben müssen, wird die Scheibe ein vertrautes Gefühl in dir wecken.

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Zum Jahresende bringt sich Bono mit einem Rolling Stone-Interview noch einmal ins Gespräch. Wenn er in dem langen Dialog mit dem Magazin-Mitgründer Jann Wenner nicht von Weltfrieden, Welttourneen und Welthunger faselt, setzt sich Bono gekonnt in Fettnäpfchen.

Wenner: Denkst du, uns steht eine Rock-'n'-Roll-Revolution bevor?
Bono: Ich finde, Musik ist sehr mädchenhaft geworden. Das mag sein Gutes haben, aber im Moment bietet nur noch HipHop Raum für die Wut junger Männer, und das ist nicht gut. Mit 16 hatte ich viel Wut im Bauch. Und dafür braucht es auch Platz, und auch für Gitarren, ob jetzt mit Drum Machine oder wie auch immer. Sobald etwas in Stein gemeißelt ist, ist es verdammt noch mal vorbei. Dann kann man es genauso gut in Formaldehyd einlegen. Was ist denn Rock 'n' Roll letztendlich? Im Kern geht es dabei um Rage. Und großartige Rockbands bringen die auch meist mit. Deswegen waren The Who so eine geniale Band. Oder Pearl Jam. Eddie hat diese Rage.


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Es ist echt ermüdend, Bonos tausendste Rock-'n'-Roll-Definition zu lesen. Dieser praktische Twitter-Thread des New York Times-Journalisten Jody Rosen liefert einen guten Überblick über die lächerlichen und eigennützigen Stempel, die Bono circa 70 Jahren Musikgeschichte schon aufgedrückt hat. Am meisten liebe ich, dass Bono Rock 'n' Roll als "mit Technologie rumspielen" bezeichnete, kurz bevor die ganze Welt gegen ihren Willen einen U2-Album-Download aufgedrückt bekam.

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Aber wir sollten festhalten, dass sein Kommentar über "mädchenhafte" Musik kein kleiner Ausrutscher war. Es handelt sich um eine kolossal ignorante und frauenfeindliche Aussage von einem Mann, dessen Meinung eigentlich völlig wumpe ist, aber auf den irgendwie trotzdem Millionen Menschen hören. Nicht nur ist "mädchenhaft" (im englischen Original "girly") eine extrem bescheuerte Wortwahl, sein Sexismus zieht sich auch durch den gesamten Absatz. "Die Wut junger Männer" als Alpha und Omega der Rockmusik darzustellen, lässt völlig die vielen Frauen außer Acht, die das Genre (und die dazugehörige Rage) seit seinen Anfängen mitformen. Natürlich versucht Bono hier, Rock richtig cool wirken zu lassen, aber in Wirklichkeit kommt die Musik nach seiner Definition nur beschränkt, fantasielos und langweilig rüber. Wenn es im Rock wirklich nur darum ginge, dass wutschnaubende männliche Hormonbündel versuchen, ihre Väter anzupissen, dann hätte man das Genre bereits vor einem halben Jahrhundert "in Formaldehyd einlegen" sollen, und nur die widerlichsten Deppen hätten ihm nachgetrauert. Männliche Wut ist nicht die Essenz der Gitarrenmusik und war es zum Glück auch noch nie.

Und wo wir schon dabei sind: HipHop ist nicht einfach nur ein Raum für "die Wut junger Männer". Gerade heute ist es wichtig, von diesem alten rassistischen Klischee abzulassen und die Vielfalt des HipHop zu würdigen – die wir übrigens mitunter Frauen verdanken. Eine ganze Generation wächst gerade heran, die im HipHop emotionale, thematische und stilistische Grenzen sprengt. Bono ist ein 57 Jahre alter Mann, der sich damit vermutlich nicht groß auseinandersetzt. Und das ist auch OK. Er sollte dann aber auch zu diesem Thema die Klappe halten.

Aber wenn du ein junger, wütender Mann bist, der etwas auf das ignorante Gewäsch von Bono gibt – ja, wo landest du dann? Bei einem Rock-Olymp, dessen mächtigste Götter The Who und Pearl Jam heißen? Genau das hat man davon, wenn man Bono zuhört.

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