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Kommentar

Hört endlich auf, Musikerinnen auf der Bühne sexuell zu belästigen

Kuss-Attacken sind das Letzte. Scheinbar muss man die Leute jedes Mal erneut daran erinnern, wenn wie jetzt wieder so etwas passiert

Als Frau Musik zu machen ist… eine Herausforderung, um es milde auszudrücken. Das ist nichts Neues und es macht mich fast schon wütend, es immer wieder betonen zu müssen. Tatsächlich ist es sogar extrem frustrierend und ermüdend. Das geht so weit, dass St. Vincent sich während der Promotion für ihr neues Album MASSEDUCTION, über das Thema lustig machte. Sie betonte, wie bescheuert es ist, über Frauen in der Musikbranche so zu reden, als ob sie Einhörner wären. Denn wisst ihr, was noch viel seltener als ein Einhorn ist, wenn es um Frauen und Musik geht? Der Respekt, den männliche Kollegen ganz automatisch bekommen – auch heute noch.

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Vor ein paar Tagen gab die Indierock-Band Alvvays aus Toronto ein Konzert in Antwerpen, als ein überhebliches Stück Scheiße beschloss, die Bühne zu stürmen und versuchte, der Leadsängerin Molly Rankin einen Kuss aufzudrücken. Für diesen betrunkenen Mann gibt es einfach keine andere Bezeichnung. Wirklich unbegreiflich an der Geschichte ist sein verwirrter Gesichtsausdruck, als Rankin vor seinem Kussversuch zurückweicht. Schämt er sich für die Aktion? Das sollte er definitiv, aber eigentlich ist es mir egal, wie er sich fühlt. Wir haben uns viel zu lange darauf konzentriert, wie Männer in diesen Situationen rüberkommen und nur am Rande thematisiert, wie widerwärtig es ist, dass so etwas überhaupt passiert. Für den Mann wird die Geschichte keine wirklichen Folgen haben. Dass es einen Videobeweis für seine Arschloch-Aktion gibt, ist gut, reicht aber nicht aus. Wahrscheinlich wird der Vorfall damit abgetan, dass er "zu betrunken" war oder mit einer ähnlichen Entschuldigung, die alle so ausgelutscht sind, dass sie jegliche Bedeutung längst verloren haben.


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Rankin und die restliche Band haben auf der Bühne nur ihren Job gemacht. Das ist Rankins Job. Und weil ihre Arbeit öffentlich ist, können einige Menschen nicht mehr klar sehen, wo die Grenzen liegen – oder sie kennen einfach gar keine Grenzen mehr. Das lässt sich nicht nur durch Fantum erklären. Denn diese Aktion überschreitet Fan-Verhalten bei Weitem. In dieser Situation ist Rankin nicht geschützt und sie geschieht nicht einvernehmlich. Für Frauen in der Öffentlichkeit war es schon immer schwierig, in gewissen Kreisen respektvoll für ihre Arbeit behandelt zu werden. Auch für Frauen, die nicht auf der Bühne stehen, ist das ein sehr reales und andauerndes Problem. Frauen werden bei Konzerten belästigt, ob sie selbst auftreten oder nicht, und auch das ist leider nichts Neues. Es gibt von diesen Belästigungen so viele gut dokumentierte Beispiele, dass ich mich wirklich zusammenreißen muss, nicht jedem, der dieses Verhalten für OK hält, ein lautes "Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?!" ins Gesicht zu schreien.

Vor ein paar Jahren hatten Britty Drake (damals noch bei Pity Sex) und Brianna Collins von Tigers Jaw ein ähnliches Erlebnis: Ein betrunkener Fan versuchte, sie auf der Bühne zu küssen. Collins betonte damals in einem Statement, wie wichtig ein sicheres Umfeld für Künstler sei und dass Konsens unverzichtbar sei. Scheinbar muss man die Leute jedes Mal erneut daran erinnern (so wie jetzt), wenn solche Vorfälle passieren.

Natürlich werden Frauen für die Musik, die sie spielen, mixen, promoten, schreiben, performen oder über die sie berichten auch belohnt. Sie ermutigen andere Frauen und nicht-binäre Personen, genau wie Männer in diesen Bereichen aktiv zu sein, Respekt einzufordern und diesen auch zu erhalten. Doch es ist ein echter Kampf. Als Frau in der Musikbranche ist es meist ziemlich scheiße. Und das sage ich als Frau, die selbst Musik macht. Wir werden ständig für unsere Leistungen untergraben; wir werden hinterfragt, wie nie ein Mann hinterfragt werden würde. Oder wir werden als Objekte betrachtet, als Hingucker, die keinen echten Wert haben; Wesen, die einfach gut aussehen, wenn sie eine Gitarre halten oder dich ansingen. Eine Frau auf der Bühne zu küssen, die gerade performt und ihren Job macht, ist unglaublich abwertend, verletzend und verdammter Schwachsinn.

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