Wie ist eigentlich das Fortgehen als Lesbe in Wien?
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Wie ist eigentlich das Fortgehen als Lesbe in Wien?

In welche Clubs und zu welchen Partys kann man gehen? Stimmt es, dass Hetero-Typen bei Partys auftauchen, weil sie es nicht wahr haben wollen, dass Frauen Frauen mögen?

Leute, die nicht ausgehen, kann ich nicht ganz verstehen. Immerhin gibt es genügend Gründe zum Feiern: Realitätsflucht, Schmusen und extrem lustige Videos als Instagram-Story zu posten, um ein "spannendes" Leben vortäuschen zu können, zählen zu den internationalen Top 3 der Ausgehgründe unserer Generation. Besonders in der größten Stadt Österreichs kann man so ziemlich alle Party-Bedürfnisse abdecken: Bis jetzt hat jeder Rocker seine Rockerbar gefunden, jeder Student den Club mit 1-Euro-Cocktails und jeder Hipster eine Bar mit tiefgründigen Zitaten und Weltkarten an den Wänden. Eine Freundin, die in Wien aufgewachsen ist, erzählte mir dann, dass sie so einen Ort allerdings noch nicht gefunden hat. Dabei sind ihre Bedürfnisse gar nicht so ausgefallen – sie hätte gerne einen Club oder gute Veranstaltungen für Lesben, mehr nicht.

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Österreich ist ein konservatives Land und besonders wenn es um Themen wie Homosexualität geht, ist es zwar nicht ganz ignorant, aber doch etwas langsam. Und auch wenn es in Wien eine doch recht florierende Schwulenszene gibt – wie es beispielsweise das Why Not oder Partys wie OMG oder Ken Club beweisen – schaut es in Bezug auf Clubbings und Events für Lesben vergleichsweise trist aus. Wo sind die Clubs, in denen Lesben mit anderen Lesben tanzen können, wo Lesben mit anderen Lesben den Alltag vergessen können und wo Lesben andere Lesben aufreißen können?



Wenn man Google befragt, stößt man nur auf ein paar wenig zufriedenstellende Ergebnisse. Der einzige brauchbare Artikel und Guide, den man findet, ist "Das lesbische Wien" von GayinVienna. Es steht kein Datum dabei, aber die ganze Website wirkt älter als das Internet selbst. In der Einleitung heißt es: "In den letzten Jahren hat sich ein immer positiveres Selbstverständnis und eine selbstbewusste Frauenszene in Wien etabliert, die für jede etwas zu bieten hat und viele unterschiedliche Bedürfnisse abdeckt." Ironischerweise werden dann aber im Artikel neben ein paar Cafés nur eine Bar und vier unregelmäßig stattfindende Partys angeführt.

"Es gibt auch Typen, die sich als Frauen anmelden und nach Frauen suchen. Dazu nur ein ganz großes 'WARUM?'."

Aber Google wird eh überbewertet und bei einem Thema von solcher Wichtigkeit ist es wahrscheinlich am besten, Experten zu Rate zu ziehen. In diesem Fall sind das Lesben in Wien, die gerne fortgehen. Aber wie kommt man in einem Zeitalter, in dem Face-to-Face-Kommunikation nur im äußersten Notfall herangezogen wird, mit einer konkreten Zielgruppe in Kontakt? Richtig: über Tinder.

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Ich begab mich auf die lesbische Tinderhemisphäre und bombardierte jedes neue Match, das es mir auch erlaubte, mit Fragen, um sinnvolle Information aus diesem Netzwerk herauszuholen. Auf diesem Weg wurden mir zwei Dinge offenbart: Erstens, es gibt auf Tinder ein Like-Limit und wenn man ziemlich oft hintereinander nach rechts wischt, dann muss man zwölf Stunden warten, bis man weitermachen kann. Diejenigen von euch, die das schon gewusst haben – gratuliere. Das gibt ein Sehr Gut mit Sternchen. Zweitens, es gibt auch Typen, die sich als Frauen anmelden und nach Frauen suchen. Dazu nur ein ganz großes "WARUM?".

Auch wenn mir ziemlich viele Frauen geantwortet haben und mir weiterhelfen wollten, war das Ergebnis dennoch wenig zufriedenstellend und bestätigte die Wahrnehmung meiner Freundin. Die meisten Antworten gingen in diese Richtung: "Es gibt echt keine guten Lesben-Clubs in Wien oder zumindest kenne ich keine." Sonst haben sie mir von Partys erzählt, die auch schon im Guide von GayinVienna standen.

Statt Antworten hatte ich bald neue Fragen. "Gibt es gute Lesben-Clubs in Wien?" wurde abgeändert zu "Warum gibt es keine Lesben-Clubs in Wien?". Die Frauen von Peeps – ein Blog, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lesben in Wien über bevorstehende Veranstaltungen zu informieren – haben mir glücklicherweise weitergeholfen und uns ein bisschen von der derzeitigen Situation berichtet.

Sophie, eine der Betreiberinnen der Website, erzählte mir von der ursprünglichen Hoffnung, sich mehr ausleben zu können, als sie von Salzburg nach Wien gezogen ist, und von der darauffolgenden deprimierenden Erkenntnis, dass eigentlich niemand weiß, wo was los ist. Als sich herausstellte, dass sie nicht allein mit diesem Problem war, entstand die Idee für Peeps, die dann auch kurz darauf mit der Hilfe von Freundinnen umgesetzt wurde. Denn wenn es schon keinen guten Club gibt und auch die Bars nicht besonders erwähnenswert sind, dann sollten die Leute wenigsten einen Überblick über anstehende Events und Partys bekommen.

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"Lesbische und queere Frauen sind nicht dazu da, dass man sie angafft oder sie als Challenge sieht."

"Die Musik auf den Partys ist dann wiederum Geschmacksache", sagen die drei Betreiberinnen. Natürlich wird oft Mainstream gespielt, weil das die breite Masse anspricht, dennoch gibt es immer wieder auch Techno- oder Goapartys. Für alle, die keine queeren FreundInnen haben, gibt es in der Rosa Lila Villa in der linken Wienzeile oder auch im Gugg im vierten Bezirk nette Gruppen, mit denen man sich vernetzen und wo man Leute kennenlernen kann.

"Die Auswahl ist unserer Meinung nach zwar nicht so schlecht – klein aber doch auch fein – es findet einfach nur zu selten statt", finden die Betreiberinnen und glauben, dass das zum Teil damit zu tun hat, wie mit lesbischen und queeren Frauen gesellschaftlich umgegangen wird. "Zu Lesben-Partys kommen immer wieder auch Hetero-Männer, die es nicht akzeptieren, dass man nichts von ihnen will, oder die meinen, sie können über das Lesbisch-Sein oder Queer-Sein urteilen. Man wird von Männern angemacht, weil man als Frau mit einer anderen Frauen rummacht oder sie tanzen einen komisch an." Natürlich seien nicht alle so, aber ihrer Meinung nach sollte definitiv mehr Respekt herrschen und die Sexualität akzeptiert werden: "Lesbische und queere Frauen sind nicht dazu da, dass man sie angafft oder sie als Challenge sieht." Sie wünschen sich mehr Auswahl an Musikrichtungen, mehr Veranstaltungen und dass dem lesbischen Fortgehen mehr Raum gegeben wird.

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Anne, die ich auf Tinder kennengelernt habe, erzählt mir, dass sie ab und zu auf Lesben- oder queere Partys geht und das trotz ihrer Abneigung der Musik gegenüber, die auf den Partys gespielt wird: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lesben allergisch auf gute Musik sind". Sie war es auch, die mich dann zu G-spot mitgenommen hat – eine Party, die monatlich in unterschiedlichen Locations in Wien, an dem Abend im Camera Club, stattfindet.

Obwohl wir ziemlich früh da waren, war der Mainfloor schon überfüllt. Steffi – eine 23-jährige Lesbe, die ich dort getroffen habe – meinte, dass das auch der Grund sei, warum sie nicht gern auf Lesbenpartys geht. Zu viele Leute und zu wenig Platz. Und obwohl so viele Leute dort waren, sagte mir die 24-jährige Julia, dass es mit der Zeit langweilig wird, weil man immer nur dieselben Leute trifft. Doch nicht alle Frauen, mit denen ich sprach, äußerten sich kritisch. Die ebenfalls 24-jährige Anna betitelte die Partys als "ziemlich witzig" und es gab genug Frauen, die aus tiefster Seele "I Kissed A Girl" mitgesungen haben.

"Die Musik ist einfach qualitativ schlecht."

Generell gingen die Meinungen unter den Besucherinnen sehr auseinander. Von Aussagen wie "Ich geh eigentlich nur auf solche Partys, wenn ich zufällig auf Facebook sehe, aber ich finde die richtig, richtig gut, deshalb sollten auch mehr davon stattfinden" bis "Langweilig. Es gibt nicht viel Neues und nicht viel Auswahl. Die Partys sind so naja. Die Musik ist einfach qualitativ schlecht" war ein breites Spektrum an Meinungen vertreten.

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Natürlich wollte ich besonders mit den anwesenden Männern sprechen. Typen der Art "Geil! Lesben!" waren auf dieser Party aber zumindest nicht offensichtlich anwesend. Die, die ich getroffen habe, waren entweder schwul, oder so philosophisch, dass ihnen ein Satz, wie "Geil! Lesben!" nicht einmal in Gedanken über die Lippen kommen würde. Ich kann mich aber auch geirrt haben, denn auch die 28-jährige Josefine erzählte mir von den Problemen mit Hetero-Männern.

Der 20-jährige Nico hat mir eine gratis Lebensberatung gegeben und zählt definitiv nicht zu den Hetero-Typen, die Lesben angaffen oder als Challenge sehen.

Alles in allem könnte man die Musik auf der Party mit dem Hörverhalten eines 15-jährigen pubertierenden Mädchens in den 00er-Jahren vergleichen: Der Musikgeschmack ist noch nicht ganz ausgereift. Zu den Lieblingssängerinnen zählen noch immer Britney Spears und Christina Aguilera. Wenn dann "So What" von Pink gespielt wird, dann schaltet der Körper automatisch auf Durchdrehmodus und man schämt sich auch nicht dafür – warum auch? Und sollte man sich dann doch ein bisschen erwachsener fühlen, dann gibt’s ja noch den zweiten Floor, wo House und Techno gespielt werden.

Aber das Mitsingen und das Tanzen waren nicht die einzigen Prioritäten. Wie auf jeder Party werden besonders dank Alkohol die sexuellen Bedürfnisse geweckt. Auch auf dieser Party ging es besonders ums Anmachen und Angemacht-werden.

Ob die Party gut ist oder nicht, spielt keine Rolle, man geht trotzdem hin, denn man ist jung und überdurchschnittlich positiv – zumindest was Partys betrifft. So zumindest wirkten die Lesben, die bei G-Spot waren. Der Mainfloor war überfüllt, es wurde getanzt und geschmust, Freundschaften wurden geschlossen und Gespräche über den Sinn des Lebens geführt. Was will man mehr?

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Auch wenn die Meinung einer Hetero-Frau hier wahrscheinlich eher fehl am Platz ist, möchte ich doch ein Fazit ziehen: Die Party war schon richtig OK. Die Kilometer-Schlange vor dem Mädchenklo wurde durch gratis Klopfer am Eingang gut gemacht und nach langer Zeit einmal "It’s Britney, Bitch" zu hören tat auch gut. Allerdings muss ich sagen, dass ich die Party eigentlich hauptsächlich wegen meiner Begleitung und den Menschen, die ich getroffen habe, gut fand. Also exakt so, wie es auch bei Hetero-Partys beziehungsweise nicht queeren Partys der Fall ist. Wenn ich die selbe Musik jede Woche hören müsste, würde die Sache schon anders aussehen.

Auch wenn eigentlich keine Besucherin, mit der ich gesprochen habe, mit dem Angebot in Wien zufrieden ist, ist man dankbar für alles, was einem geboten wird. Wenn man mir erzählt hat, wie langweilig das Nachtleben für Lesben in Wien ist, dann folgte kurz darauf meistens trotzdem ein "aber es passt eh". Auch wenn es nett ist zu sehen, dass es noch Leute gibt, die versuchen positiv zu denken, nehme ich den Frauen diesen Optimismus nicht ab – der Unterton klingt einfach zu sehr nach Unzufriedenheit. Ein "es passt eh" wird nichts daran ändern, dass die Situation für Lesben-Clubs und Partys in Wien besser werden muss.

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