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Restaurant Confessionals

Wie ich mich in der Nobelgastronomie nach oben gelogen habe

Eigentlich sollte ich als Koch in einem Restaurant arbeiten. Doch da daraus nichts wurde, habe ich mich mit Lügen durch Bewerbungsgespräche für Servicejobs gemogelt. Und obwohl ich einige ergattert habe, habe ich als Kellner versagt.
Photo via Flickr user hernanpc

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

Zwischen 15 und 22 habe ich als Koch gearbeitet, als ich auf der High School war sogar ohne Lohn. Ob ich ein guter Koch war? Nein. Aber hätte ich mich in jeder Küche durchschlagen können? Ja, doch, ich glaube, ich hätte überall als Hilfskoch arbeiten können.

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Ich hatte einen Job gefunden und zog nach New York: Ich sollte für einen Koch arbeiten, dem ein Drei-Sterne-Restaurant, das auch noch mit vier Sternen von der New York Times ausgezeichnet wurde, gehörte —Christian Delouvrier vom Lespinasse im St. Regis Hotel. Er wollte, dass ich ihm helfe, ein Restaurant im Meatpacking District zu eröffnen, als der gerade richtig aufblühte.Ich sollte seine rechte Hand sein und habe mich echt darauf gefreut. Und dann wurde das Restaurant nicht eröffnet.

ARTIKEL: Drecksarbeit im Restaurant hat mir geholfen, ein besserer Koch zu werden

Ich war also nach New York gezogen ohne einen anderen Job in der Hinterhand und wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich habe nach Stellen als Hilfskoch gesucht, aber da bekam man nur den Mindestlohn, damals 7 Dollar pro Stunde. Damit ich hätte gerade so meine Miete zahlen können.

Ich wusste nicht, wie man einen Tisch richtig säubert, wie man eloquent über Wein spricht—all diese Dinge, die man im Service in der gehobenen Gastronomie wissen muss. Ich war einfach nur grottenschlecht.

Also brauchte ich einen Job im Service—was ich vorher noch nie gemacht habe. Ich habe also jeden angerufen, den ich kannte und mich mit Lügen durch Bewerbungsgespräche gemogelt. Mein erster Job war im Oceana, einem gehobenenRestaurantin Midtown mit drei Sternen von der New York Times. Ihr wisst schon: Anzug, Krawatte, lange Weinkarte. Durch Lügen habe ich mir dort den Posten als Commis de rang ergattern können, also quasi als Assistent der „richtigen" Kellner.

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Und ich war einfach nicht gut darin. Überhaupt nicht. Ich wusste nicht, wie man sich richtig in einem Gastraum bewegt, wie man ein Tablett trägt, wie man Weingläser richtig hinstellt, wie man einen Tisch eindeckt. Ich wusste nicht, wie man einen Tisch richtig säubert, wie man eloquent über Wein spricht—all diese Dinge, die man im Service in der gehobenen Gastronomie wissen muss. Ich war einfach nur grottenschlecht.

Der Servicemanager erkannte schnell, dass ich ein Simulant war und hat mich degradiert. Vorher war ich die Nummer 2 der Kellner, jetzt durfte ich nur noch Hilfsarbeiten ausführen. Da ich das aber auch nicht so gut hinbekommen habe, durfte ich dann nur noch das Essen servieren. Und da ich auch dabei versagt habe, wurde ich weiter runtergestuft und durfte von nun an nur noch Gläser polieren—vom Kellnern zum Gläserpolieren in nicht einmal zwei oder drei Wochen. Die Leute dort meinten es echt gut mit mir, sie haben nie die Hoffnung aufgegeben—ich weiß nicht, warum.

An einem Abend kam ich mit einem großen Tablett mit 30 oder 40 Gläsern an, vor mir stand jemand, also rief ich: „Hinter dir!" Aber anscheinend war das nicht laut genug und wir stießen zusammen und ich ließ alle Gläser fallen. Die Gläser waren ziemlich schick und kosteten so zwischen 15 und 20 Dollar das Stück. Damit lagen also gut 500 bis 800 Dollar in Scherben. Der Restaurantleider meinte nur: „OK, das mit uns klappt nicht so richtig." Und ich meinte nur: „Ich verstehe." Also wurde ich entlassen.

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Danach arbeitete ich noch in etlichen Servicejobs und wurde immer wieder gefeuert. Es ist ein bisschen so, als würde man kein Baseball spielen können und sofort in der Profi-Liga anfangen. Meine ersten sieben Jobs habe ich verloren, weil ich mich einfach mit Lügen reingeschmuggelt habe: „Oh Sie haben in diesem Restaurant gearbeitet?" Und die haben es gefressen, ich war ziemlich überzeugend und habe alles gesagt, um den Job zu bekommen.

Mit der Zeit habe ich auch ein paar Dinge gelernt. Irgendwann hatte ich nicht jede Woche, sondern jeden Monat einen anderen Job, jetzt sind es durchschnittlich drei bis vier Jahre in einem Laden.Aller Anfang ist schwer. Später arbeitete ich in einem Restaurant von Danny Meyer und lernte alles über die Gastronomie und seine Philosophie, wie er sich um seine Angestellten kümmert, damit sie sich gut um die Gäste kümmern. Zwei Jahre habe ich dort gearbeitet und dann ein kleines, wenig erfolgreiches Restaurant eröffnet. Danach war ich zwei Jahre lang in einem Restaurant von Mario Batali Serviceleiter, wo ich schon immer arbeiten wollte, weil ich ihn als Gastronom und seine Restaurants einfach toll finde. Dann hatte mich ein Freund in einem japanischen Restaurant empfohlen, wo wir es schafften, innerhalb von drei Jahren die Einnahmen zu verdoppeln. Und jetzt bin ich Geschäftsführer in einem erfolgreichen Laden in L.A.

Ich hätte alles gesagt, nur um den Job zu bekommen. Wenn ich also hier Bewerbungsgespräche habe, weiß ich, dass sich die Leute genau dasselbe denken.

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Mein Job ist es, Probleme zu identifizieren und zu lösen—die ganze Zeit. Und es gibt immer Probleme, große oder kleine: zwei Typen, die sich an der Bar prügeln; einer ist besoffen und will seine Rechnung nicht zahlen; Mitarbeiter, die betrunken zur Arbeit kommen; Essen, das nicht gar ist oder zu lange gekocht wurde. Alle denken immer, dass es ja nur ein Unternehmen ist und wir uns nur für den Gewinn interessieren. Aber mir ist vor allem wichtig, dass unsere Gäste hier eine gute Zeit haben—so gut, dass sie all ihren Freunden davon erzählen und auf jeden Fall wiederkommen werden.

Ich hätte alles gesagt, nur um den Job zu bekommen. Wenn ich also hier Bewerbungsgespräche habe, weiß ich, dass sich die Leute genau dasselbe denken. Und ich kann es verstehen. Also versuche ich, sie zu fragen, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen würden. Welche Kenntnisse haben Sie bereits? Sie sagen, Sie haben gute Weinkenntnisse? Ich würde mein Weinwissen nicht als „gut" bezeichnen, aber sicherlich besser als Ihr „gut". Man findet im Gespräch schnell heraus, ob sie das Wissen haben oder nicht.

Die besten Kellner haben nicht als Kellner angefangen. Ich glaube daran, Leute von einem Posten in einen anderen zu befördern, weil so einfache Dinge, zum Beispiel wie trage ich ein Tablett voll mit Gläsern, ziemlich wertvoll sind. Wie trägt man Gläser? Sind sie sauber? Wie viele kann man mit zwei Händen tragen? Da fangen wir an: Gläser und Besteck polieren.

Thomas Keller erzählt in seinem Buch darüber, wie er von seiner Mutter die Aufgabe bekam, das Bad zu putzen. Dann steht er im The French Laundry und wischt den Boden.Ihm gehört das Restaurant und er ist einer der bedeutendsten Köche Amerikas, aber er putzt trotzdem.

Und das Gleiche gilt bei mir: Mein Personal soll auf jedes Detail achten. Viele, die hier anfangen, sind noch etwas jünger und beginnen am unteren Ende der Karriereleiter. Nach einer Weile bemerken sie aber, dass sie ein Tablett tragen können, dass sie Gläser polieren können und dass sie wissen, wann etwas wirklich sauber oder dreckig ist. Dann lernen sie, wie man einen Tisch eindeckt. Dann arbeiten sie als Bedienung und lernen das Essen besser kennen—und dann werden sie irgendwann ein richtig guter Kellner.

Die besten Kellner in meinem Restaurant haben klein angefangen, alle von ihnen. Und sie werden ihre Kollegen, die unter ihnen stehen, nicht respektlos behandeln, weil sie einmal einer von ihnen waren.