Akademikerball 2017: Sollen wir noch demonstrieren oder sollen wir es ignorieren?

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Rudis Brille

Akademikerball 2017: Sollen wir noch demonstrieren oder sollen wir es ignorieren?

Unser Kolumnist meint, dass aufgrund der überlangen Bundespräsidentschaftswahl selbst den politisch stark Engagierten die Energie ausgegangen ist.

Alle Fotos: Kurt Prinz | Zuvor sind die Fotos in diesem Artikel erschienen.

2014 im Jänner krachte es in Wien ganz gewaltig. Damals war im Zuge der Demonstrationen gegen den Akademikerball so ziemlich alles aus dem Ruder gelaufen, was nur aus dem Ruder laufen konnte. Der erste Bezirk und einige Geschäfte waren danach ganz schön unordentlich, samt Mediengewitter – und das im schönen Wien: "Ja dürfen's denn des?"

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In den letzten beiden Jahren wurde zwar weiterhin demonstriert, der berüchtigte "Schwarze Block" blieb aber im Blockhaus und die Kundgebungen verliefen weitestgehend ruhig.

Auch dieses Jahr steigt der Gespensterball wieder. Er manifestiert sich tatsächlich stets irgendwie als unheimliches Schauspiel: Seltsam dekorierte zerschnittene "deutsche" Recken mit Bierbauch und Frau Vettel am Arm stolzieren ein, ein paar haben sich sicher gefreut, ein paar Eier abbekommen zu haben und dann schluchzend der Presse ins Mikrofon zu heulen, wie brutal nicht der "linke Mob" sei. Drinnen ist das Ganze dann so fad wie eine Zugfahrt nach Peyerbach- Reichenau – selbst eingeschleuste Hobby-Wallraffs schliefen nach dem siebten Vodka Orange ein.

In jedem Fall waren ob des Wirbels die ganz großen und gefürchteten Rechtspopulisten dem Ball mehr und mehr fern geblieben – einige kamen freilich immer. Das Zeichen, das mit dem Beginn der Demonstrationen gesetzt werden sollte – den Ball als unnötigen Kropf am geschichtsträchtigen Platz abzulehnen – hat jedenfalls so gesehen ein wenig gefruchtet. Geblieben ist er uns leider trotzdem und mein Wunsch, ihn nach Gramatneusiedl auszulagern, blieb ein feuchter Traum.

Just unser neuer Bundespräsident überraschte nun jüngstens mit einer Aussage – wohl nicht ganz im offiziellen Kontext, aber von den Medien genüsslich aufgesogen – dass ihm der Ball quasi "egal" sei: "Lasst sie doch, was geht mich das an", flachste er, es sei nicht sein Trakt. Das überraschte viele, die ihn kurz davor noch so inbrünstig unterstützt hatten, denn gerade diese sanfte Anbiederung an die Rechten hatte so nicht jeder erwartet. Nun, vielleicht ist das der Beginn seines Grabenzuschüttens. Ein bisschen verwirrt blieb ich dann am Ende auch zurück, denn sympathischer ist uns der Ball deswegen ja nicht geworden, auch wenn manche ihn achselzuckender hinnehmen als zuvor. Vielleicht, weil wir vom extrem langen Wahlkampf müde sind. Das sind wir nämlich. Der lange bis in den Winter hineinwuchernde Wahlfight (das Wort des Jahres wiederhole ich nicht) hat selbst den politisch stark Engagierten ein wenig Saft genommen. Irgendwie ist der Ball uns heuer echt "wurscht", oder?

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Soll das so sein? Darf das so sein?

Nun, ich denke, das Jahr 2016 war dermaßen aufwühlend und 2017 beginnt schon gar nicht besser – siehe Donald Trump – , sodass es vielleicht in diesem Licht weniger dringlich erscheint, gegen die Zusammenkunft einiger Geschichtsklitterer in der Hofburg aufzustehen. Ich habe in den zwei vergangenen Kolumnen zu diesem Thema immer dafür plädiert, auf diese Demo zu gehen. Auch, um nach dem Chaosjahr 2014 zu zeigen, dass es auch anders geht. Es ging anders – auch wenn die FPÖ und Teile der Polizei samt Heute im Rücken etwas anderes behaupteten. Doch die Demozüge blieben ruhig und außer einigen Blumentöpfen blieb alles heil.

In diesem Jahr ist eine Demonstrationen geplant – ursprünglich waren es drei, jedoch wurden  zwei Demonstrationsmärsche laut einer Presseaussendung zurückgezogen. Die "Offensive gegen Rechts" ruft zum Widerstand auf, weil der Ball eben der Ball der FPÖ sei. Ebenso überrascht aber auch die Polizei mit der Ankündigung, die Demonstration und somit die Demonstrierenden via YouTube-Kanal mitzufilmen. Ebendas könnte aber sehr wohl wieder Grund zur Aufregung sein – und zwar berechtigt: Ein bewusst eingesetzter Eskalationssprengkopf quasi, denn viele wollen anonym aber friedlich teilnehmen. Wenn aber die Polizeikameras wie die digitalen Fliegen an den Straßenrändern surren, könnten die einen oder anderen durchaus schwache Nerven bekommen. Es geht schließlich darum, das demokratische Recht der Demonstrationsfreiheit zu bewahren und nicht auf ewig auf irgendwelchen Filmen von Kottan gebannt zu werden. Klar sind bewusste Zerstörungen auch bewusst zu verhindern, das ist legitim, aber wo hier der Schutz des öffentlichen Gutes beginnt und der Schutz der Demonstranten aufhört, ist schwer belegbar.

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Fast hat man den Eindruck, als würde die Polizei die Demo immer ein wenig als großes Manöver sehen – samt der Präsentation irgendeiner technischen Neuerung. In jedem Fall verspüre ich bei vielen aber auch tatsächlich den Drang, das Demonstrieren dieses Jahr sein zu lassen: Der Winter ist kalt, es liegt Schnee, es war gerade alles so stressig und sogar Van der Bellen meint, es sei ihm Powidl – ein wenig österreichisch halt, denn die Jahre davor war's gemütlicher.

Dass aber Österreich, wenn es sein muss, auch aufstehen kann und eine Zivilgesellschaft besitzt, hat man schon einige Male gesehen. Die von den Ballmachern so tief herbeigesehnte Rechtswende ist immer noch nicht gekommen und wenn es nach mir und auch nach vielen anderen geht, dann kann das sehr gerne so bleiben.

Ein Stündchen friedlich mitspazieren, damit wir, auch wenn es kalt ist, wissen, wofür wir ein ganzes Jahr lang wahlgekämpft haben, könnten wir aber schon. Dann gerne auf den heißen Kaffee, aber ganz "wurscht" muss uns dieser seltsam gestrige Grimassentango in der Hofburg nicht sein.

Nur auf große Schlagzeilen sollten diejenigen, die mitgehen, verzichten. Die Menschen sind wohl eher harmoniebedürftig gerade. Sei es wegen dem Wahlkampf oder wegen Trump. Ein Krieg mit der Polizei samt "FP-Heute"-Mediengetöse wäre da ein plumpes Eigentor und eigentlich auch unnötig. Denn man stelle sich nur vor, es wäre nichts los draußen am Heldenplatz, ebenso wie drinnen im leeren Saal. Wer schriebe dann die Schlagzeilen? Die Titelseite bei Heute bliebe weiß – ein Traum und eine Zukunftsvision.

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