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Ich habe mir Alben österreichischer One-Hit-Wonder angehört – heute: Opus

"Live is Life" von Opus kennt jeder. Dem Rest des Albums hat sich jetzt unser aufopfernder Autor gewidmet.
Foto vom leidenden Autor

Wahrscheinlich jedem Menschen, der um vier Uhr morgens schwer berauscht Songs wie "Dancing in the Moonlight" oder "Roxanne" durch eine vollkommen verdreckte WG oder in einen vollkommen verdreckten Gehörgang gegrölt hat, ist das Prinzip des One-Hit-Wonders bekannt. Und irgendwie erleiden die Erfinder meist das gleiche oder ein sehr ähnliches Schicksal – ihre gesamte restliche Discographie bleibt ungehört. Um dieser äußerst unfairen Grausamkeit entgegenzuarbeiten, habe ich mich mit den Restwerken bestimmter One-Hit-Wonder-Bands befasst. Heute: Opus – "Live Is Life".

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Ehrlich gesagt war mir bis vor ein paar Tagen nicht mal bewusst, dass "Live Is Life" von einer österreichischen Band ist. Ist es aber doch. Und zwar heißt die Grazer Band Opus und hat abseits ihres international bekannten Hits noch eine Menge andere Musik rausgefeuert, so 15 Alben. Die kennt halt leider niemand – zumindest niemand, der mir bekannt wäre. Aber einen Song kennt man. Wer nicht weiß, von welchem Song ich rede, kann sich das wunderschöne Stück Vergangenheit hier anhören und sich dabei fragen, wo er oder sie die letzten 37 Jahre abends verbracht hat.

Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass Opus mehr als zehn Alben veröffentlicht hat. Leider sind quasi alle Alben nur in Österreich in den Albumcharts gelandet, eines hat jedoch zu unseren beiden deutschsprachigen Nachbarn gefunden – Live is Life. Die gleichnamige Singleauskopplung hat es sogar bis in die Top 40 der US-Charts geschafft. Und weil ich immer schon mal mein Karma aufbessern wollte, habe ich im Sinne der Gerechtigkeit meine Ohren diesem Album gewidmet.

1. "Opuspocus"

Der Song besteht eigentlich aus den immer gleichen fünf Zeilen, die für drei Minuten wiederholt werden. Semi-innovativ, aber soll's ja öfter geben. Und eine dieser Zeilen ist besonders interessant, da sie folgendes besagt: "We don't know, how long the Opus Pocus will last". Damit sprechen sie höchstwahrscheinlich ihre eigene Karriere an.

Ob sie damit gerechnet haben, dass man nach über 30 Jahren immer noch ihre Musik feiert? Wahrscheinlich nicht. Ob sie damit gerechnet haben, dass sie innerhalb dieser 30 Jahre nichts auch nur ähnlich Relevantes wie "Live is Life" herausbringen werden? Noch viel unwahrscheinlicher. Aber auch diese Absurditäten scheinen sie vage eingeplant zu haben, denn eine weitere Songzeile besagt hier: "The Opus Pocus Opus is a riddle we hope to guess". Ob sie mit ihrer Art von Erfolg die Antwort auf ihr Rätsel bekommen haben, weiß jedoch keiner.

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2. "Positive"

Deine typische Motivationshymne. Bin jetzt schon Feind dieses Songs. Ist nur eine persönliche Meinung, aber ich kann mit diesem ganzen Pseudogetue nichts anfangen.

Try to see the sunny side
Get some joy, you don't have to pay
The world around aint only grey
So let the colors flood your brain
Feel the light - forget your pain
If you're not able to believe
Come on and try to be more

Der Gedanke, der hinter diesem Song und auch diesem Refrain steckt, mag ja ritterlich sein, aber es ist ähnlich hilfreich, wie jemanden drei Minuten nach einer Trennung von der großen Liebe zu sagen, dass andere Mütter auch schöne Söhne/Töchter haben. Vielen Dank. Verspricht Heilung. Warum hat mir das davor niemand gesagt? Jetzt ist mein Leben wieder schön. Das musikalische Arrangement ist jedoch überraschenderweise (für mich) ziemlich fein, 80s-Synthies sind halt auch einfach unschlagbar eingängig.

3. "No Job"

Vielleicht war es nicht unbedingt der smarteste Move, direkt nach dem Stimmungs-Upper einen Song zu performen, der dem Hörer seine eventuelle, missliche Lage wieder ungeschönt vors Auge führt.

"Gerade eben haben wir dir noch gesagt, wie einfach es ist positiver im Leben zu sein und dass du nur deinen Alltag umkrempeln musst und dann läuft das von selbst und wie geschmiert. Ach ja und so nebenbei, du bist immer noch broke und hast keinen Job." Danke, Opus.

4. "The Opusition"

Was für eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Jetzt sind wir wieder bei Rebellion gegen das bestehende System und Optimismus angekommen. Der Songtext hier lässt sich jedoch sehr unterschiedlich interpretieren:

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My name is Doctor Vision, I'm the leader of the Opusition
I made a great invention, it's the new optimism pill
All I have is my intention, that's the saving of the nation
With the Opusition's Optimism Operation

Eine Optimismus-Pille also, hm. Bin mir nicht sicher, ob Opus wirklich die Erfinder davon sind. Vielleicht meinen sie das ja auch metaphorisch und ich überanalysiere das gerade. Die folgenden Zeilen klären das Ganze sicher auf und zeigen mir, dass ich falsch liege.

Losing the tradition by the founding of the party
Finding suppositions for new fellows to come in
Only optimism, the definition and explanation
Of the Opusition's Optimism Operation

Nope, ich hatte Recht. Opus haben Ecstasy-Tabletten einen Song gewidmet. In 1984 war halt alles noch ein bisschen anders.

5. "Again and Again"

Yaow, nieder mit dem System, selbe Leier wie immer halt. Kein Politiker hält seine Versprechen und im TV wird nur Negatives berichtet. Nach drei Dekaden leider immer noch irgendwie aktuell, daher mad Props für die Titelwahl.

6. "Double Bubbles"

Und schon die nächste Lobeshymne auf eine weitere Droge, denn die Terminologie "Double Bubbles" steht eigentlich für Kokain. Und wie sehr taugt Opus das weiße Pulver so? Naja, sie haben das mal vorsichtig so formuliert:

Double bubbles, no more troubles
That is what we do
Double bubbles, no more troubles
What we say is true

Ich bekomm so langsam das Gefühl, dass das Album ein verkappter Lifehack-Guide ist. Und ein wahnsinnig mittelmäßiger noch dazu. Die bisherige Bilanz nach der Hälfte des Albums bringt für mich folgendes Wissen hervor:

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Hör halt einfach auf, schlecht gelaunt zu sein.

Wir wissen, dass du ein armer Hänger bist.

Baller dir einfach was, dann löst sich das mit deinen privaten, wie politischen Problemen schon von selbst – glaub uns einfach.

Was man auch sagen kann, ist, dass bisher jede Nummer eigentlich gute Laune gemacht hat. Zwar hat es bisher ein wenig den Nickelback-Faktor, bei dem man das Gefühl hat, Nickelback hätte in ihrem Kreativprozess einen einzigen Song produziert und diesen dann zwölf Mal auf jedes Album geklatscht, aber bisher ziehe ich meinen Hut, weil ich hasse Rockmusik sehr oft.

7. "Live is Life"

Den Song kennt wirklich jeder, darüber muss man nicht viel sagen. Na na, Na na na.

8. "Flyin High"

Aufgrund vorangegangener Referenzen war ich ein wenig voreingenommen, als ich den Song gestartet habe. Aus den Lyrics lässt sich jedoch dieses Mal nicht wirklich eindeutig irgendetwas schließen, deswegen vermute ich, dass er mit Zeilen wie:

You and I flyin' high
We climb high
High up to the sky
Movin' together we feel the same

… einfach nur eine entspannte Wanderung mit seiner Band durch ihre beheimatete Steiermark meint, wie naturverbunden sie alle dabei sind und wie sehr sie diese Unternehmung gerade fühlen. Schon Bushido hat gesagt "Sky is the limit" und Bushido kann man immer zitieren.

9. "Follow Me"

Nach allem, was der gute Ewald Pfleger (Gesang) so bisher verzapft hat, weiß ich einfach nicht mehr, ob es strategisch der klügste Schachzug wäre, ihm zu folgen. Irgendwie hat er ja Recht mit den Dingen, die er sagt, aber sie klingen zu schön und zu utopisch, als dass ich bereit wäre, ihm zu folgen. Ich habe ähnliche Skepsis wie in der Schulzeit, wenn man ein mathematisches Problem im ersten Anlauf löst und es kommt auch noch eine ganze, gerade Zahl wie zwei dabei raus. An sich ist der Song aber ziemlich lit.

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10. "Eleven"

Zählen können sie schon mal nicht. Darüber kann ich aber hinwegsehen, bei so viel Opus Pocus und den ganzen Optimism Pills, bleibt keine Zeit für so unwichtige Banalitäten wie Zahlen im Bereich von eins bis zehn. Anhand der Lyrics macht sich auch sofort der poetische Zenit des Albums bemerkbar, ich hab das meiste davon nämlich nicht kapiert. Die Zahl elf wird in dem Song in ein unverdient, übernatürliches Licht gestellt.

Eleven - is the luck most people haven't.
Eleven - is the navel of ideas.
Eleven - is like a light in a gloomy cavern.
Eleven - is the haven of your fears.
Eleven - more can never come!

Ich habe viel nachrecherchiert über die Zahl und zwischen Numerologen, die der Uhrzeit 11:11 bedeutsame Geschehnisse nachsagen, der elften Gruppe im Periodensystem, die Schwermetalle (Gold und so) enthält und Jesus' Apostel-Anzahl, die als "The Eleven" verewigt wurden, selbst als sie dann eigentlich zwölf waren, ist eigentlich alles dabei gewesen, was Opus in diesem Songtext sehr dichterisch beschreibt. Bin wahnsinnig fasziniert – das alles, so ohne Google damals. Bis dahin auch der beste Song auf dem Album.

11. "Keep Your Mind"

Endlich mal geradeheraus ein wirklich guter Rat, den hätten die Pixies sicher auch gut gebrauchen können. Aber worum geht's eigentlich in dem Song?

I ask the devil in the darkness of my room
What can I do with all these memories I know - drivin me crazy
livin too long in one single dream
What should I do - I wanna wash away my past - drivin me crazy"

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Klingt wie eine leicht getrübte Tripadvisor-Review eines Australiers, der zu lange im Berghain war und jetzt in seinem kleinen Airbnb-Zimmer ein bisschen arg katert. Vielleicht hat unser guter Ewald aber auch nur mit Schlafparalyse zu kämpfen und gewährt uns einen Einblick in diese sehr intime, düstere Traumwelt, die außer ihm niemand wahrnimmt. Was auch immer der Auslöser dieser Motive sein mag, ich empfehle kurzerhand den Song "Positive" von Opus anzuhören. Danach läuft's wieder.

12. "The Last Note"

Wahnsinnig angenehmer letzter Track, der diese kleine Reise sehr geschmeidig abrundet. Die Aussage ist leider minimal ausgelutscht, das ist ein wenig schade, aber andererseits kann man den Menschen ja nicht oft genug sagen, dass sie die Kraft sind, die ihren eigenen, Kosmos weiter existieren lässt.

Fazit: An sich war das wirklich ein feines Album, bei dem man nicht einmal das Gefühl hatte, man müsse den Song jetzt skippen. Und von jemandem, der diese Musik normalerweise erst ab gewissen Promillewerten gut findet, ist das nicht die schlechteste Wertung. Mich beschleicht jetzt schon das Gefühl, dass die meisten One-Hit-Wonder ein ähnliches Schicksal erlitten haben. Eigentlich waren das gute, talentiert Musiker, die geilen Output hätten produzieren können, aber sie sind vor der breiten Masse auf eine Nummer runter reduziert worden, die sie dazu verdammt hat, auf ewig nur bei diesem einen Song wirklich Stimmung auf den Konzerten zu bekommen. Schade eigentlich. In solchen Momenten der Trauer empfehle ich den Song "Positive" von Opus.

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