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Wir werden müde und brauchen heiligen Sauerstoff—Popfest, Tag 3

Für den dritten Tag Popfest brauchen wir schon unsere letzten Reserven.

Alle Fotos: Mona Hermann

Festivals sind sauanstrengend. Auch das Popfest, obwohl es ja quasi vor der Haustür stattfindet. Ich bin nur froh, dass ich in keinem stickigen Zelt hausen muss und untertags wenigstens im eigenen Bett dahinvegetieren kann. Trotzdem kann ich nach dem dritten Tag nicht mehr ganz so gut geradeaus schauen. Dass mir gestern nach den Konzerten auch noch der Club U dreingerannt ist, macht das natürlich auch nicht besser. Ich ringe heute nach Sauerstoff. Aber der Reihe nach.

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„Sapperlot, in der Not schmier’ i mir dei’ Herz aufs Brot“ – Ernst Molden, Willi Resetarits, Walter Soyka und Hannes Wirth sind Helden in Wien. Die vier Männer sitzen nebeneinander auf der Seebühne, führen Schmäh, erzählen vom Waldviertel und ihren Kindern, singen, rauchen, musizieren. Ich stehe mitten in einem ziemlich ungewohnten Publikum. Alt, Goldkettchen, zum Applaus „bravo“ schreiend. Es ist lustig. Natürlich stehe ich genau dort, wo die Leute vorbeigehen wollen. Ich stelle mich woanders hin. Auch dort wollen die Leute vorbei. Immer dasselbe. Die Vier machen Spaß, ich glaube nicht, dass es jemanden am Karlsplatz gibt, der sie nicht mag. Eine Mischung aus Wienerlied—ja, ich weiß, dass sie sich nicht gerne „in diese Schublade stopfen“ lassen, ich war eh dabei—und Blues, ein schönes Konzert, um den Abend zu beginnen. Endlich ist es finster. Als Lückenfüller spielt dann eine wirre Rockband namens Jimmy And The Car Cassettes beim Red Bull-Brandwagen. Nicht so meins, auch nicht in der Wiese-und-Dosenbier-Pause. Verzerrt, laut, komisch, meh.

Vor dem nächsten Act sind meine Szene-Freunde ganz aus dem Häuschen. Der Platz vor der Seebühne füllt sich mit hippen Leuten, die Goldkettchen sind jetzt vintage. Holy Oxygen! Wiens bester Mensch Cid Rim, sein Kollege The cloniOUs und der Rapper Okmalumkoolkat machen gemeinsame Sache. Und es ist eine gute Sache. Die Tracks der Affine-Partie machen sich gut unter Okmalumkoolkats Gerappe. Das Beste ist aber, als Cid Rim und The Clonious auf eine Zeile, deren Text ich leider wie bei manch anderen nicht verstehe, mit „Ich hab ur viel Kohle grad“ und „Oida, ur viel Kohle grad“ antworten. Es macht auch wirklich nichts, dass die beiden nicht singen können. Es ist aber trotzdem gut, dass sie das sonst nicht tun. Okmalumkoolkat überschätzt dann auch die Wiener Mitmachkultur ein bisschen. Interaktion mit dem Publikum? Zieht nicht so hier. Macht aber nix, er freut sich trotzdem und lobt uns. Es ist übrigens der erste Live-Auftritt von Holy Oxygen. Weitermachen.

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Zufrieden marschiere ich in Richtung TU, zwinkere kurz der ewig langen Schlange zu und zücke meinen Pressewisch. Schon gut. Im Prechtl-Saal ist so etwas wie eine Problembär-Friends-Night. Es spielen Neuschnee, dann Robert Rotifer, dann der Nino aus Wien, dann Sir Tralala. Natürlich bin ich wegen Nino da, habe mir zur Unterstützung seinen wahrscheinlich größten Fan aller Zeiten eingepackt, der mir Fun Facts zu jedem einzelnen Song erzählt, die ich heute leider schon wieder vergessen habe, alles mitsingen kann und das auch tut. Es ist voll und heiß, der Durst ist riesig, der Sound so mittel. Nino ist schon zu Recht ein Superstar in Österreich. Das hat ja zuletzt auch Armin Wolf bemerkt. Und Ö3. Ich möchte „bravo“ schreien.

Nachdem sich der Timetable verschoben hat, Nino also mit ziemlicher Verspätung und länger als die angegebene Stunde spielt, ist meine Planung dahin. Vielleicht auch wegen der großen weißen Spritzer, auf die ich umgestiegen bin—alles Auslegungssache. Ich mache mich auf den Weg ins Museumsquartier. Im Ziegelfoyer ist da nämlich die voll gute Ambient-Electronic-Night, von der mir auch Wolfgang Schlögl ganz begeistert erzählt hat. Fontarrian, The Unused Word, Abby Lee Tee und Monsterheart, ich freue mich. Mir ist natürlich klar, dass ich nicht mehr viel davon sehen werde, aber dass schon alles vorbei ist, als ich ankomme, geht mir dann doch nicht ganz ein. Schade jedenfalls. Ich gehe zurück zum Karlsplatz und schaue noch im Club U vorbei, was sich schließlich als mein Untergang herausstellt. Es ist strahlend hell, als ich hinausgehe, ich zucke zusammen, fühle mich wie Nosferatu. Einäugig kratze ich mein letztes Kleingeld für ein Taxi zusammen und fahre heim. Ich träume von einem aggressiven Zwergkaninchen.

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Nicole hat für diesen Text ihre letzten Reserven aufgebracht und schläft jetzt wieder. Sie ist auf Twitter: @nicole_schoen

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