FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Kritische Fragen an die Zürich-Openair-Macher: Wir haben die PR-Floskeln ins Deutsche übersetzt

Das Zürich Openair stand ein mal mehr in der Kritik. Wir wollten diese mit den Organisatoren besprechen, erhielten aber nur PR-Floskeln als Antwort.

Zürich Openair, eigentlich wollen wir nur deine Freunde sein. Denn die wunderschöne Limmatstadt hat auch ein angemessenes Festival verdient. Was die St. Galler können, können wir doch auch. Oder eben nicht. Die NZZ titelt am Montag “Viel Orientierungslosigkeit, wenig Magie” und fasst das Dilemma perfekt zusammen: Die Organisation ist nach sechs Jahren immer noch nicht auf der Höhe und die Stimmung könnte auch besser sein. So verwundert es wohl keinen, dass das noch junge Festival schon wieder an Attraktivität verliert—dieses Jahr kreuzten laut der Medienmitteilung des Zürich Openairs 50.000 Besucher auf, 10.000 weniger als im Vorjahr.

Anzeige

Das Zürich Openair 2016 fing mit Verspätung an—die Türen öffneten zwei Stunden zu spät und die ersten Gäste sind angepisst auf dem Gelände angekommen. Von aussen blieb einem nicht viel übrig, ausser über die aggressiven Kommentare der hässigen Gäste zu schmunzeln (was wir hier getan haben). Aber was sagen eigentlich die Verantwortlichen des Zürich Openairs zur Kritik, die von verschiedenen Seiten auf das Festival einprasselt? Wir finden: Wenn eine Person, oder in diesem Falle eine Organisation, Kritik ausgesetzt ist, sollte sie die Möglichkeit bekommen sich dazu zu äussern. So entschieden wir uns dazu, das OK des Festivals mit der Kritik zu konfrontieren und baten um ein Interview.

Die Anfrage für das Interview reichten wir am Donnerstagmorgen ein. Am Freitag hiess es von der bemühten PR-Verantwortlichen, dass ein persönliches Gespräch nicht möglich sei, weil je nach Frage jemand anderes zuständig sei und sie nicht antworten könne, weil sie das Mandat erst seit zwei Wochen inne hätte.Wir könnten jedoch gerne die Fragen per Mail schicken

Erfahrungsgemäss werden Mail-Interviews von PR-Verantwortlichen beantwortet, die in den meisten Fällen kritischen Fragen gekonnt aus dem Weg zu gehen wissen und schwierige Sachverhalte mit Marketing-Floskeln schönzureden versuchen. So erhielten wir am Samstagabend dann ein Mail von den Machern des Zürich Openairs, in dem unsere Fragen zwar beantwortet wurden, aber wir keine einzige Antwort erhielten. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als diese für euch zu übersetzen.

Anzeige

Noisey: Was nehmt ihr Positives mit, was wollt ihr besser machen?
Zürich Openair: Positiv: Das Traumwetter, auch wenn es etwas sehr heiss war, die Stimmung im Publikum und die tollen Konzerte. Besser machen: Das Gelände nächstes Jahr wieder rechtzeitig zur Türöffnung fertig gestellt haben. No Exceptions, no Excuses!

Was wir verstehen: Wir als Organisatoren haben nicht viel dazu beigetragen, dass es ein einigermassen cooles Festival war. Wir hatten einfach Glück, dass das Wetter mitgespielt hat, was für gute Laune beim Publikum und den Musikern sorgte. Wir wissen, dass wir ganz viele Sachen falsch gemacht haben aber niemals in unserem ganzen Leben würden wir diese Fehler offensiv kommunizieren. Was Du nicht weisst, macht Dich nämlich nicht heiss. Im Weiterbildungskurs “Krisenkommunikation Stufe 1” haben wir gelernt: Kritik annehmen und zu (aufgedeckten) Schwächen stehen—das kommt cool an, fast so cool wie ein englischer Spruch am Schluss. If you know what I mean.

Wie sieht das Feedback der Künstler aus? Sind sie happy?
Die Künstler sind sehr happy! Sie rühmen unser Catering, die perfekte Organisation im Hintergrund und schätzen es, vor einem Publikum zu spielen, das aus Musikliebhabern besteht. Dieses Feedback bekommen wir sehr oft!

Was wir verstehen: Du hast keine Ahnung von diesem Business. Wir bekommen die Künstler nicht einmal wirklich zu sehen. Ein paar lokale Bands haben uns gelobt, weil sie vom Catering profitiert haben, dass wir aufgrund der Rider einiger grossen Bands zur Verfügung stellen mussten. Wahrscheinlich erhoffen sie sich dadurch weitere Bookings.

Anzeige

Die ersten Besucher sind mit grossen Erwartungen ans Festival gekommen, wurden dann aber durch den späten Einlass enttäuscht. Was ist schief gelaufen?
Verzögerungen im Aufbau, zum Teil aus logistischen Gründen wie z.B. wegen zu spät geliefertem Material von anderen internationalen Festivals, führten dazu, dass das Zürich Openair 2016 verspätet seine Tore öffnen musste. Für die dadurch entstandenen Umstände möchten sich das OK des Zürich Openairs und Starticket auch an dieser Stelle nochmals in aller Form bei den Festivalbesuchern entschuldigen.

Was wir verstehen: Wir waren unfähig die Öffnungszeiten einzuhalten. Wir haben völlig falsch geplant und zu spät mit dem Aufbau begonnen. Das kann doch jedem mal passieren, sorry. Und sowieso sind prinzipiell immer die anderen Schuld, das klappt bei SBB-Durchsagen auch immer.

Das Gelände war bis zum späten Mittwochabend auch noch nicht 100% ready—wir haben von Arbeiten während Auftritten vor der Hauptbühne und an der Zeltbühne gehört.
Das ist richtig, aus verschiedenen logistischen und organisatorischen Gründen war das Gelände noch nicht ganz fertig. Wir wissen, dass wir hier Fehler gemacht haben und werden diese für nächstes Jahr genau analysieren.

Was wir verstehen: Ja, ja. Wir waren unfähig die Öffnungszeiten einzuhalten. Wir haben völlig falsch geplant und zu spät mit dem Aufbau begonnen. Das kann doch jedem mal passieren, sorry. Hört auf zu nerven. Pro Prokastination!

Anzeige

Ausserdem haben einige Besucher bemängelt, dass Helfer kein Deutsch oder Englisch geredet haben. Ausserdem habt ihr am Freitag noch Helfer für den Abbau gesucht—mangelt es euch an Helfern dieses Jahr?
Das sind Einzelfälle, bei der Planung wird darauf geachtet, dass Helfer, die kein Deutsch sprechen, an Orten ohne Kontakt mit Festivalbesuchern eingesetzt werden. Es wird immer schwieriger, freiwillige Helfer zu finden und wir freuen uns über Anfragen aus dem Ausland. Wir sind also immer auf der Suche nach motivierten Leuten, die Freude haben, uns für einen Festivalpass unter die Arme zu greifen.

Was wir verstehen: Jetzt übertreibt mal nicht, wir haben uns schon was überlegt. Es ist halt nicht einfach, Menschen zu finden, die für kein Geld arbeiten. Vor allem hier in der Schweiz. Vielleicht gibt es im Ausland mehr Leute, die sich für einen Festivalpass ausbeuten lassen wollen. Am besten schreiben sie uns eine Nachricht auf Facebook, dann müssen wir nicht noch extra nach ihnen suchen.

Andere Besucher meldeten, dass es an Sitzmöglichkeiten im Foodcourt mangelte und dass ein analoges Line-up fehlte.
Ein analoges Line-up hängt an allen Infotürmen auf dem Gelände. Auf Papier gedruckt ist es in der heutigen Zeit aus unserer Sicht aber nicht mehr gefragt (Stichwort: Umweltfreundlichkeit und Digitale Nutzung).

Was wir verstehen: Wer zur Hölle braucht ein analoges Line-Up? Wir haben es pro forma an ein paar Orten aufgehängt. Stichwort: Floskeln—à propos, rettet die Wale, Freunde!

Anzeige

Wieso wurde Bei M83 der Sound während ihrem Auftritt einfach leiser gedreht?
Gesetzliche Bestimmung müssen eingehalten werden, ein Messsystem schneidet immer mit. Wir haben nach Gesprächen mit Mischer und Produktionsleiter aber am nächsten Morgen mit den Behörden nochmals alles eingemessen. Es gab tatsächlich einen Pegelunterschied, der dann korrigiert wurde.

Was wir verstehen: Ach, ja, da ist irgendwas passiert, auf das wir jetzt nicht eingehen möchten. Auf jeden Fall gibt es halt gesetzliche Bestimmungen, die wir auch einhalten müssen. Schreiben wir einfach das. Und noch irgendwas mit Pegelunterschied korrigieren. Lief das Cashless-System einwandfrei? Hat es sich weiterhin bewährt?
Es gab einige technische Zwischenfälle, welche aber schnell behoben werden konnten. Wir werden diese nach dem Festival analysieren und optimieren. Das Cashless-System hat sich aber grundsätzlich optimiert.

Was wir verstehen: Das Cashless-System hat nicht einwandfrei funktioniert—wenn wir aber schreiben, dass es sich selbst optimieren kann, merkt keiner, dass wir mitverantwortlich dafür sind. Vielleicht wird es nächstes Jahr klappen. Wir werden das auf jeden Fall “analysieren”. Und jetzt Klappe.

Es war nun die zweite Ausgabe, bei der der Sonntag gestrichen und dafür der Mittwoch hinzugefügt wurde—hat sich diese Entscheidung bewährt?
Der Sonntag ist kein idealer Festivaltag. Konzerte müssen vor Eindämmerung beendet sein und die Besucher sind schon in Abreisestimmung.

Anzeige

Was wir verstehen: Am Sonntag lässt sich schwieriger Geld verdienen. Alle haben ihr Geld schon ausgegeben, sind hart verkatert und wollen nur noch nach Hause. Und das Openair Frauenfeld macht es ja auch so.

Das Zürich Openair verlief eigentlich (fast) jedes Jahr mit Pannen(2015: Probleme mit dem Cashless-System, 2012: Fehlende Wasserstellen und Schliessfächer, chaotisches Festivalgeld, 2010: Verspätete Türöffnung)—wäre es keine Option das Festival etwas runterzuskalieren und so die Organisation zu erleichtern und das Festival etwas zu Zentralisieren?
In den letzten beiden Jahren gab es keine relevanten Pannen, wir hatten im letzten Jahr anfangs ein paar Kinderkrankheiten beim System unsere Cashless-Providers.

Was wir verstehen: Welche Pannen, was labert ihr? Wir sind aus Zürich, wir haben keine Pannen. Einmal hatten wir ein kleines Problem, OK. Aber da war jemand anderes dran Schuld.

**

Mehr Festival-Quatsch und Musikwissen aus der Schweiz teilen wir auf Facebook.