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Interview

Roadrage Booking ist der Motor der Schweizer Hardcore-Szene

Simon und Mario von Roadrage Booking halten mit ihren Veranstaltungen die Schweizer Hardcore-Szene am Leben. Wir haben sie getroffen.
Foto von der Autorin

Ein kleiner Keller mit einer kniehoher Stage, keine Absperrungen oder Securitys, eine Hand voll tattoowierte Leute, die sich zu den schnellen Riffs der Gitarren im Pit bewegen und von der Bühne in die Menge springen. Der ganze Saal bebt voller Energie und keiner steht still, egal ob es ein zurückhaltendes Kopfnicken im Takt oder ausgelassenes moshen ist. So sieht eigentlich jedes Hardcore-Konzert aus – es ist ein kleines aber feines Genre, indem man so ziemlich jede Person an den Konzerten kennt – eine freundschaftlich familiäre Atmosphäre. In anderen Ländern gibt es unzählige Konzertveranstalter und auch ein grosses Publikum – in der Schweiz ist das mehr oder weniger nur eine Crew an Leuten und auch die Besucherzahlen sind überschaubar. Roadrage Booking ist die kleine Bookingagentur, welche die Hardcore-Szene in der Schweiz am Leben hält.

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Alles begann mit einer Privatperson, die alleine anfing, Konzerte zu veranstalten und wandelte sich mit den Jahren zu Roadrage Booking. Die Agentur wurde gegründet, weil es unter einem Firma einfacher ist, zu veranstalten, mittlerweile sind fünf Personen in die Bookingagentur verwickelt. Trotz den Veränderung blieb auch einiges gleich, wie die Liebe und Passion zur Musik und die Leidenschaft, welche die Jungs in das ganze Projekt stecken. Darum habe ich mich mit Mario und Simon im Zürcher Roots getroffen.

Alle Fotos: RabbitRiot.net - concert photography, Facebook

Noisey: Am besten fangen wir an, indem ihr euch und Roadrage Booking kurz vorstellt.
Simon: Ich bin Simon, 29, und Neo-Zürcher. Ich kannte Mario schon von diversen Shows. Das erste Mal half ich ihm vor fünf Jahren dabei, ein Konzert auf die Beine zu stellen. Schliesslich ergab es sich, dass wir immer wieder Shows zusammen veranstaltet haben und so ist Roadrage Booking entstanden. Der Name Roadrage hat eigentlich nichts mit dem Booking an sich zu tun, es steht für Ungeduld im Strassenverkehr. Ich habe das in Amerika aufgeschnappt, als ich dort ein Fräulein kennenlernte, die einen Roadrage hatte.
Mario: Ich bin Mario, bin 27 und wohne seit acht Jahren in Zürich. Ich habe irgendwann alleine angefangen, Bands zu buchen, die mich interessierten, und dann ist Simon dazugekommen.

Also seid ihr zwei die Gründer von Roadrage Booking?
Mario: Sozusagen. Und die Agentur besteht nun seit drei Jahren. Vorher haben wir einfach ohne einen Agenturnamen Shows organisiert.
Simon: Also am Anfang waren wir zu zweit und mittlerweile sind wir fünf Personen.

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Wie hat sich das Booking über die Jahre verändert?
Mario: Organisatorisch ist es über die Jahre sicher besser geworden, vor allem was die Planung im Voraus anbelangt. Mega chaotisch ist es nicht, weil wir wissen, was es für ein Konzert benötigt. Im Exil ist es zum Beispiel einfach, ein Konzert zu veranstalten, da alles, was du brauchst, vorhanden ist. Im Werk machen wir alles selber. Wir putzen, füllen die Bar auf, zählen durch und rechnen ab.

Wieso überhaupt Zürich und wie seid ihr auf das Werk 21 als Location gekommen?
Marion: Es fanden schon immer Hardcore-Konzerte im Werk 21 statt.
Simon: Es ist einfach genau dann, als wir die Agentur gründeten haben, ein Abend im Werk 21 frei geworden. Die Veranstalter der Punk-Night hörten auf zu organisieren. Dieser Abend war eigentlich für jüngere Veranstalter vorgesehen. Wir haben diese Daten trotzdem erhalten, obwohl wir mittlerweile nicht mehr die Jüngsten sind.

Würdet ihr euch als treibende Kraft der Schweizer Hardcore-Szene beschreiben?
Simon: Eigentlich stimmt das schon, weil das Publikum reist mittlerweile von ziemlich weit her, um unsere Shows zu besuchen.
Mario: Wir sind gegenüber anderen Booking-Agenturen eher klein. Aber rein auf Hardcore bezogen sind wir eigentlich die Einzigen in der Schweiz, die Shows veranstalten. Das war der Grund, wieso wir angefangen haben, Konzerte zu veranstalten – weil es keiner mehr gemacht hatte.

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Ihr seid auch schon länger in der Hardcore-Szene dabei. Wie hat sich die Szene über die Jahre verändert?
Simon: Leute gehen und kommen und Hardcore bleibt. Also der harte Kern ist eigentlich immer der Gleiche. Die Anzahl Besucher an den Konzerten wächst oder stagniert, rückgängig ist sie auf jeden Fall nicht.
Mario: Ich würde sagen, es kommen mehr Leute an Konzerte, als zu der Zeit, bevor wir angefangen haben. Vor ein paar Jahren gab es eine rechte Flaute und es war schwer, Konzerte zu organisieren. Aber mittlerweile hat sich die Szene wieder erholt. Da die Szene relativ klein ist, achten wir auch auf andere Veranstaltungen im gleichen und ähnlichen Genres, damit sich die Daten nicht überschneiden. Wir wollen einander nicht die Leute klauen und weil alles in einem so kleinen Rahmen passiert, ist es wichtig, einander auszuhelfen.

Bucht ihr bewusst Schweizer Bands als Support oder sind sie mehr ein gefälliger Voract?
Mario: Wir versuchen, pro Konzert einen Schweizer Act als Unterstützung des Headliners zu buchen. Wir probieren damit, die lokale Hardcore-Szene zu unterstützen. Das ist uns wichtig.
Simon: Um ehrlich zu sein, ist es schwierig, immer einen Schweizer Act zu finden. Es gibt nicht so viele Schweizer Bands in diesem Genre. Dann kann es gut mal sein, dass eine Band mehrmals auftritt.

Im Gegensatz zu anderen Shows sind eure Konzerte eher günstig. Ist das bewusst so geplant und wie wird das gemanagt?
Mario: Wir von der Agentur arbeiten alle gratis. Das dort eingesparte Geld können wir woanders investieren. Bei den Eintrittspreisen schauen wir eigentlich meistens, dass sie unsere Ausgaben decken.

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Wie populär ist Roadrage im Ausland, kriegt ihr viele Anfragen und wie läuft bei euch die Organisation der Bands ab?
Simon: Das läuft eigentlich meistens über die Agenturen der Bands. Wir haben gute Kontakte zu etablierten Bands, wie Turnstile, Trash Talk oder Trapped Under Ice, die oft irgendwie in Agenturen verwickelt sind oder für sie arbeiten. Die kennen uns mittlerweile und wissen, dass wir gute Arbeit leisten. Kurz gesagt: Die Anfragen bekommen wir von kleinen Bands und die Angebote von den Agenturen.

Wie ist das Verhältnis zwischen den Bands und Roadrage?
Mario: Wir versuchen es eigentlich immer, freundschaftlich zu halten. Dabei gibt es Bands, die reservierter sind, aber auch die Kehrseite, was eigentlich die Mehrheit betrifft.
Simon: Man kann mit den Jahren zu den Bands auch eine Beziehung aufbauen und diese Bands wissen, dass sie von uns gut bewirtschaftet und umgarnt werden. Die Musiker schätzen das Treatment, weil es bei uns nicht mit dem Catering und der Unterkunft aufhört. Wir unternehmen meist noch etwas mit der Band.
Mario: Wir machen das Ganze hauptsächlich aus Spass, es ist kein Businessmodell. Wir buchen Bands solange es Spass macht. Wenn wir keinen Bock mehr haben, werden wir es sein lassen.

Wer oder was inspiriert euch?
Simon: Ich hörte als Kind viel Punk. Da das Internet zu dieser Zeit noch nicht so populär war, schaute ich die Dankesliste in den Booklets von den Platten durch. Dort fand man die Bands, welchen für den Support gedankt wurde. So kam ich zu neuen Bands die ich abchecken konnte. Ich fand beispielsweise durch Pennywise H2o und diese Band war für mich ausschlaggebend. Für unsere Arbeit inspiriert uns vor allem die Passion zu diesem Genre und dessen Musik. Es gibt keine Person oder Band. Obwohl indirekt schon. Wenn du Videos von Shows in anderen Ländern siehst, denkst du dir oft, dass es noch geil wäre, wenn die Szene hier ein bisschen grösser wäre.
Mario: In der Schule bekam ich eine Sick-of-It-CD von einem Freund geschenkt. Als ich dann 13 Jahre alt war, ging ich an das Sick-of-It-Konzert. Seitdem besuche ich regelmässig Hardcore-Konzerte, so bin ich zu dem Genre gekommen. Uns inspiriert wirklich nur die Musik und dass es sonst fast niemand macht. Falls dann doch jemand ein Konzert veranstaltet, spielen nicht die Bands, die du sehen möchtest, oder nur die berühmten Bands, die sowieso in die Schweiz kommen.

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Gibt es auch Sachen, die euch am Veranstalten stören?
Mario: Manchmal ist es einfach nur ermüdend, da wir viel in das Booking investieren.
Simon: Für die grossen Agenturen ist es halt einfach ein Business und das spüren wir auch. Vor allem, wenn es darum geht, irgendeinen Deal auszuhandeln.
Mario: Sie kitzeln dir noch den letzten Rappen aus der Hand. Auch die Agenturen, die schon immer Hardcore-Bands vermitteln. Für die ist es nur noch Business, es steckt keine Passion mehr dahinter.

Hat euer Booking konkrete nächste Schritte und Ziele?

Mario: Konzerte buchen und weniger arbeiten, aber das ist relativ schwer. Dann machst du Geld mit etwas, das du magst und das wird dann auch einfach wieder zum Job.



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