Das wurde aus den Wiener Krochastätten der 00er Jahre

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Das wurde aus den Wiener Krochastätten der 00er Jahre

Schicht, Schatzi und Young Style. Was wurde aus den Sammelpunkten der Krocha?

Wenn ich an 2006 zurückdenke, fällt mir Wodka Bull, das Empire, "krochen" und Dates im Köö ein. Ich denke an weiße Hosen, Wasserfalltops und bunte Kappen. Ich denke aber nicht besonders oft an 2006 zurück—aus eben genannten Gründen. Aber auch 2006 ist ein Teil von mir. Auch das bin ich. Die erste Diskothek, in der ich fort war, war die Nachtschicht. No shame.

Mein erstes Mal Soli war kurz danach. Platinblondes und abwechselnd pechschwarzes Haar haben meine Haare bis heute nachhaltig geschädigt. Im Kroatien-Familienurlaub war ich nicht nur aufs Bräunen aus—nein, ich musste auch Gucci-Gürtel und LV-Taschen um ganz wenig Kuna einkaufen.

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Aber das Gute ist: Ich bin nicht alleine. Damals gab es ganz viele Krocha. Heute sind sie esoterisch-geläuterte Veganer. Oder sie sind Geschäftsleute. Oder sie sind einfach normale Hipster oder Bobos oder Cloudrapper—manche legen die Versuchung, einer Bewegung anzugehören, nie ab. Ich habe mich investigativ auf die Suche nach den Orten gemacht, an denen diese Menschen damals abgehangen sind, um herauszufinden, ob sie sich grundlegend verändert haben und nicht mehr peinlich sind. Oder ob sie genauso sind wie damals.

Empire

Diese Wand ist von vielen Jugendlichen vollgespieben worden.

Was es war: Das Empire war eine Diskothek in der Rotgasse 9 am Schwedenplatz. Wöchentlich pilgerten Young Style-Frisuren und weiße Hosen in jene Hallen, um ein bisschen am Boden der Tatsachen zu krochen. Es gab dort so kreative Formate wie "Chicas Noche" oder auch irgendetwas mit "Baile".

Fakt ist: Der Altersdurchschnitt war dort maximal 17. Somit war das Empire eher eine Institution für die jüngere Krocha-Generation. Fakt ist auch, dass die Partyfotos vom Empire unerreicht bleiben und noch heute exemplarisch in Slideshow-Videos auf YouTube zu finden sind, in denen es um Krocha geht.

Es gab ganz oft Tequila-Shots, die man bekommen hat, wenn man seine Adresse und seine Handynummer hergegeben hat. Privatsphäre gegen einen wässrigen Tequila-Shot, quasi. Voilá, zehn Jahre später haben wir eine florierende Social Media-Generation.

Was es ist: Am 14. April 2012 schloss das Empire endgültig seine Pforten—somit hat das Lokal auch den Untergang des Krochatums überlebt. Aber man darf das Empire nicht zu früh loben: Immerhin durfte die Location ein bisschen Fame vom P1 mitnehmen—ein Club, der zu Krochern oder der frühen Form davon, auch nicht Nein gesagt hätte. Heute sieht es verdammt leer aus. Es gab Gerüchte, dass die Location von einer Tanzschule bezogen wird. Die Nas Gastro GmbH ist auf dieser Adresse gemeldet. Googelt man die GmbH, kommen Artikel über einen Konkurs. Das Empire in St. Martin ist wirtschaftlich erfolgreich und unabhängig vom ehemaligen Standort in Wien. Das Empire in Linz hat letztes Jahr geschlossen, um Platz für die Disco der HAFEN zu machen.

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Nachtschicht

Was es war: Es war der Tempel. Es war das Zuhause. Es war der Ort, an dem es für viele begonnen hat. Zwei Ortschaften konnte man anpilgern—allerdings entwickelte sich eine leichte FAK- und SCR-Rivalität bei den jeweiligen Stammgästen—eine in der SCS und eine im Donauplex.

Richtig, die zwei Nachtschichten waren reine Shopping-Mall-Discos. Getrennt durch ganz Wien und doch gleich. Besucht wurden sie von Wienern und von Landkindern aus Niederösterreich.  Und sie war wundervoll. Besonders im Donauplex entwickelte sich eine richtige Wirtschaft rund um die Schicht.

Es gab Shisha-Lokale, ein Köö (in der SCS übrigens auch) und Cocktail-Beisln mit beschämenden Angeboten. Das ist das wahre Zuhause von "Noche del Baile", von Hüfthosen, von Schönheitswettbewerben auf der Bühne um 3:00 Uhr früh. Die Hochzeit von Pizzaecken in der Disco. Die Nachtschicht hatte alles, was das Krocha-Herz begehrte. Alles, was nach ihr kam, kam niemals an sie heran. Und bis es nicht eine Disco schafft, so einen coolen Spruch wie "Schicht ist Pflicht" zu entwickeln, werde ich auch nie wieder so begeistert sein.

Was es ist: In der SCS kamen noch nachfolgende gastronomische Versuche auf—samt einer Bowlinghalle. Allerdings ist dort jetzt abgesehen von Shopping-Mall-Restaurants nichts mehr in diese Richtung zu finden. Zum Fortgehen gibt es nichts mehr so wirklich in der SCS—aber das KÖÖ findet man noch dort. Das Donauplex konnte sich länger halten und hatte als Nachfolger den Club Couture. Jetzt ist dort das Bollwerk—schaut eigentlich genauso wie die Nachtschicht oder der Club Couture aus. KÖÖ ist auch hier noch am Start. Die Schicht hat in der SCS Ende 2007 geschlossen, 2009 folgte das Ende für die Schicht im 22. Bezirk. Es gab unlängst eine Revival-Party in Niederösterreich, weitere sollen folgen.

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Köö

Was es war: Der gemeine Krocha hatte natürlich auch andere Interessen—nicht nur krochen. Daten, Saufen, Voki glätten und Billard spielen, waren typische Hobbys. Wer sich auf websingels.at oder sms.at verliebt hat, der hatte sein erstes Date ziemlich sicher dort. Wer kein Date hatte, war mit seinen Kumpels oder Freundinnen an dem real life Tinder-Ort von 2005. Wodka Bull und ein Schi-Kä-Toast und fertig war das romantische Ansa-Menü.

Was es ist: Die Kette mit den Billard-Tischen und Würfelpokern existiert noch immer und wird uns wahrscheinlich alle überleben. Nicht nur, dass das KÖÖ immer schon perfekt positioniert war (in der Nähe von Einkausstraßen), es füllt auch die Billard-Nische in Wien und Umgebung. Sprich: Das Lokal war niemals von Krochern abhängig und hat wahrscheinlich nach deren Kultur-Zerfall auch nachhaltig davon profitiert. Zumindest sind die Gäste in der SCS, in 1070 und auch im 1010 angenehm und werfen nicht mit lauten "Oida"s um sich.

Hypnotic

Was es war: Der große Bruder der Schicht und des Empires. Während "Kinder" in diesen zwei Discos verweilten, gab es auch Krocha, die es wilder, besser und größer mochten. Noch größer als die Nachtschicht. Zugegeben: Ich war nicht dort, aber mir wurde nahegelegt diese Pflicht-Veranstaltung zu erwähnen. Ich sollte auch die Gazometer-Raves erwähnen, aber diese 1998 ihre Closing Party feierten und auf den Partyfotos nicht eindeutig identifizierbare Krocha gibt, erwähne ich nur das Hypnotic.

Da sind nämlich sehr wohl Soli-Gestalten mit Voki abgebildet, wobei man sagen muss, dass das Hypnotic immer eine andere Musik gespielt hat und wahrscheinlich auf den Krocha-Teil des Publikums gerne verzichtet hätte. Das Fest fand nach der Tradition in der Eventpyramide Vösendorf statt und es war nach Zeugenaussagen "ua qaiil".

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Was es ist: Das Hypnotic ist nicht tot. Letztes Jahr hat es im Budocenter gefeiert. Mit dem Hype im Hades fanden auch Clubbings aus dem Hause Hypnotic statt. Einmal im Jahr gibt's eine große Revival-Party. Außer im Hades ist auch in der Kantine das Wort "Hypnotic" oft gefallen. Man kann also vermuten, dass die Veranstalter von damals noch immer sehr aktiv sind. Der Sound geht in Richtung House und Techno. Wobei ich persönlich mehr Techno als House entdecke.

Tally Wejl, Young Style, Sun Company:

Was es war: Nahversorger. Im Tally Wejl hat man sich Kleidung gekauft, im Young Style die Haare geschnitten und in der Sun Company die Bräune geholt. In allen drei Geschäften spielte es damals mittelmäßige Musik.

Was es ist: Alle drei Ketten gibt es noch. Wahrscheinlich leben sie noch immer von den Einnahmen der Krocha-Zeit und werden uns somit auch alle überleben. Tally Wejl hat jetzt Hipster-Kleidung. Wer also jetzt Tally Wejl-Style trägt, sollte wissen, dass er sich in zehn Jahren dafür schämen wird. Young Style und Sun Company sind sich noch halbwegs treu und spielen mittelmäßige Musik.

Außerhalb Wiens: Tanzpalast Baden, Schatzi

Was es war: Es waren die Umgebungs-Discos, die auch sehr gerne von Wienern besucht wurden, um zu krochen. Das Schatzi befand sich in Hagebrunn, war somit nur eine Viertelstunde von Wien weg und eine Hochburg für Krocha. Der Tanzpalast Baden war eine halbe Stunde von Wien weg und war besonders bei Nachtschicht SCS-Gehern beliebt.

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Was es ist: Schatzi in Hagebrunn ist 2010 abgebrannt. Eine Brandlegung konnte nachgewiesen werden, das Verfahren gegen den Besitzer wurde aber eingestellt. Danach stand das Gebäude abgebrannt und leer. Ein paar Leute haben ihren Müll auf dem Grundstück abgelagert. Wenn man jetzt auf Google Maps schaut, sieht man, dass das G3 samt Parkplatz in der Nähe des Grundstücks ist.

Das Tanzpalast Baden schloss schon früher—obwohl der Vertrag mit der Stadt Baden bis 2010 gelaufen wäre, hat der Tanzpalast 2007 dem Krankenhaus weichen müssen. Allerdings gab es erst jetzt Ende Oktober ein Revival in Leobersdorf. In Foren von 2007 werden auch Selbstmorde in der Geschäftsführung besprochen. Und so zeigt das Land wieder mal, dass es bessere Geschichten auf Lager hat als die Stadt.

Grafik von Samantha Tobisch, Elemente via YoutTube.

Fredi auf Twitter: @schla_wienerin

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