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Wie wird eigentlich die Musik für Geschäfte ausgewählt?

Klingt wie ein Traumjob.

Foto via Flickr | Cha già José | CC BY-SA 2.0

Oft höre ich beim Einkaufen Musik, die bisher verborgene Aggressionen in mir hervorruft. Aber ab und zu sind Tracks dabei, die so gut klingen, dass ich der verantwortlichen Personen am liebsten dafür danken würde, dass sie mich und andere Einkäufer musikalisch weiterbildet. Dabei stellt sich die Frage, wer für die Musik in Geschäften eigentlich zuständig ist. Oft sind es die Mitarbeiter selbst, die einfach ihren iPod anstecken. Ich habe mich informiert, ob das rechtlich OK ist. Größere Unternehmen beauftragen Leute, um die richtige Musik für ein „angenehmes Einkaufsklima“ zu suchen. Da das nach einem ziemlich coolen Job klingt, habe ich bei einem Freund, der das als Nebenjob gemacht hat, nachgefragt, wie das eigentlich abläuft.

Rechtlich gesehen, so hat mir das auch ein Mitarbeiter der AKM bestätigt, ist jede Beschallung eines öffentlich zugänglichen Raumes lizenzpflichtig. Hat man also ein Geschäft und will Musik abspielen, braucht man einen Berechtigungsvertrag mit der AKM. Dabei zahlt man je nach Größe des Geschäfts: Hat man zum Beispiel ein Geschäft, das in die kleinste Kategorie fällt (bis 50m²), kostet einen das Abspielen von Musik über ein Radio oder eine CD ungefähr 120 Euro pro Jahr. Spielt man aber Musik über einen Zwischenspeicher ab, also einen iPod oder über USB, werden Gebühren, die aufgrund der Übertragung auf ein anderes Medium anfallen, dazugerechnet. Dann würde es also um die 150/160 Euro kosten. Die AKM führt regelmäßig Kontrollen durch—hat man keinen Vertrag, ist das natürlich strafbar.

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Foto: Ioan Gavrilowitsch

Giuseppe ist DJ in Wien. Neben dem Studium hat er für audio-identity gearbeitet, einer Firma, die sich um die Beschallung von Geschäften, Cafés, Bars und mehr kümmert. Ich habe ihn auf einen Café getroffen, um zu fragen, was er bei diesem Job so gemacht hat.

Noisey: Wie bist du zu diesem Job gekommen?
Giuseppe: Mein Chef war der Jürgen Bauer—manche kennen ihn vielleicht, er hat die XXX-Productions nach Österreich gebracht und riesige Techno-Raves in den 90ern veranstaltet. Nachdem er mich in der Garage X auflegen gehört hat, hat er gefragt, ob ich nicht bei ihm arbeiten will. Seine Firma hat Deals mit diversen Geschäften und Cafés, die Musik von ihm bekommen.

Wie läuft das ab, was genau hast du da gemacht?
Die Geschäfte geben vor, wie sie sich die Musik in den Filialen ungefähr vorstellen. Ich hab mir dann tausende Titel auf iTunes angehört und entschieden, ob sie passend sind. Dafür habe ich mich zum Beispiel durch random Lounge-Compilations durchgeklickt. Theoretisch hätte ich alles nehmen können, solange es legal erworben wurde. Anschließend habe ich meinem Chef ein paar Sachen vorgespielt, meistens meinte er „Du machst das schon“. Aber ab und zu war ich zu „undergroundig“ unterwegs. Zum Beispiel habe ich House-Tracks für die Geschäfte ausgewählt. Das geht gar nicht. Man muss beachten, dass die Musik dort aus kleinen 100-Volt-Anlagen kommt, die keinen Bass haben. Bei House hörst du dann die Hi-Hats aber sonst nichts. Es braucht immer Musik, die schon fürs Radio produziert ist—das ist ganz anders als beim Auflegen.

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Welche Vorgaben hast du von den einzelnen Unternehmen bekommen?
Prinzipiell soll die Musik entspannend wirken, der Kunde muss sich wohl fühlen. Aber gleichzeitig soll sie treibend sein und zum Einkaufen motivieren. Das ist schon mal ein ziemlicher Widerspruch, der nicht einfach zu bewältigen ist. Bei Palmers wollten sie, dass die Musik sehr im Hintergrund bleibt, die Tracks durften keine Vocals haben. Bei Peek&Cloppenburg hingegen sollte sie catchy sein, eine Mischung aus Lounge-Zeug und bekannteren Sachen. Bei Hunkemöller wollten sie so Jazz—eigentlich wussten sie nicht genau. Hm, eigentlich wusste niemand so genau, was er wollte. Ab und zu hab ich auch Musik für Cafés und Bars ausgesucht, da durfte alles gemischt sein; Lounge, Rock, Hits, Chillhouse und so weiter. Zu Weihnachten wars immer besonders lustig. Da wollten alle Weihnachtslieder haben, die sollten aber trotzdem besonders hip und cool klingen. Ich hab dann nach Jingle-Bells HipHop-Versionen gesucht—total lächerlich eigentlich. Zumindest gibt es einige Jazz-Versionen von Weihnachtsliedern.

Wie gelangt die Musik dann zu den Geschäften?
Zuerst musste sie den Unternehmen vorgestellt werden. Dafür ist jemand zu uns ins Büro gekommen oder wir haben Hörproben verschickt. Wenn alles gepasst hat, musste ich dafür sorgen, dass die Musik in die Filialen gelangt. Teilweise war meine Firma auch für die Technik verantwortlich. Ungefähr vierteljährlich haben wir so 500 Lieder bereitgestellt, es wird also schon immer wieder dasselbe gespielt. Ich hab ihnen die Tracks entweder übers Internet gesendet oder auf USB-Sticks in die Filialen verschickt. Da hatte ich dann zum Beispiel 100 USB-Sticks, die ich an Palmers Filialen nach Deutschland und Österreich verschicken musste. Was ziemlich nervig war, weil ab und zu USB-Sticks einfach nicht funktioniert haben. Deshalb musste ich oft mit Leuten aus den einzelnen Filialen telefonieren, die haben mir dann auch ihr persönliches Feedback zur Musik gegeben. Ein paar fanden sie super, andere haben sich beschwert. So auf „Meine Musik ist das ja überhaupt nicht“, „Es spielt dauernd dasselbe“ oder sie fanden sie zu wild, meinten aber trotzdem ich soll mehr „Pepp“ reinbringen. Manche waren total süß und haben gesagt, dass sie noch nie so schöne Musik gehört haben.

Weißt du, wie das rechtlich bei euch funktioniert hat?
Darum hat sich mein Chef gekümmert, er hat auch für Geschäfte die Verträge ausgehandelt. Man muss aber für Tracks, die man öffentlich verwendet, eine Gebühr zahlen. Außer bei Tracks, die offiziell niemandem gehören. Deshalb meinte mein Chef mal, um Geld zu sparen, soll ich nur AKM-freie Tracks suchen. Es gibt eigene Webseiten voll von AKM-freier Musik. Die ist aber meistens total beschissen, da sind nur lauter so Midi Keyboard-Amateur-Stücke. Also hat das nicht lange funktioniert.

Einige Leute stellen sich Musik selektieren als Traumjob vor, ist das wirklich so?
Ja, das war schon ein extrem cooler Job. Ganz gut bezahlt war er auch.

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