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Was wurde aus ehemaligen Emos und Krochan?

"Bis 12 sah ich bis auf Makeup und Nietengürtel noch recht normal aus, und verhielt mich mehr so wie die etwas nerdigere kleine Schwester von Avril Lavigne."

In meiner Jugend beschäftigten mich drei Dinge: Fergie, Jungs und Jugendgruppen, denen ich mich anschließen kann, um endlich ein Teil von etwas zu sein. Was bedeutet das für Jahrgang 92? Richtig. Ich war ein Emo und dann war ich ein Krocher. Beides in der fünften Klasse. Beide Male war mein pechschwarzes und platinblondes Haar selbstgefärbt und ich bin davon überzeugt, dass ich die Folgen von dieser Aktion bis heute trage.

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Anschlusslose Jugendliche mögen heute zwar von Scham befreit sein, aber sie haben - ganz ehrlich - weder Wodka Bull noch Schmerz so richtig kennengelernt. Panic! at the Disco war in diesen Lebensjahren wichtig - genau wie Gigi D'Agostino. Deshalb habe ich mich auf Facebook umgehört, was aus den Jugendlichen mit Anschluss geworden ist. Retten sie Leben? Sind sie abgetaucht? Was macht der seltsame Teil der Klasse jetzt? Hier die Antworten.

Ines war ein Emo, jetzt ist sie DJ HappInes

Das war Ines früher.

"Ich komme vom Land, da gab es eine Bar in der es Metal gespielt hat. Es war mein Stammlokal. Ich denke ich wurde zum Emo, weil ich gegen die Eltern rebellieren, keine Tussi und auch einfach anders sein wollte. Am Wochenende haben wir eigentlich die ganze Zeit gesoffen.

Der Ausstieg war einfach - zum einen hat das Alter mitgespielt, zum anderen mein Umzug nach Wien. Ich habe andere Szenen kennengelernt und bin schließlich in der Psytrance-Szene hängen geblieben. Da bin ich nun DJ und lege auf. Außerdem habe ich meine Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester fertig und ab April arbeite ich in diesem Berufsfeld."

Paul* war ein Krocha, jetzt WU-Student und im PR-Bereich tätig

"Als ich in der vierten Klasse war, ist der Wahnsinn in Wien ausgebrochen. Gut, auf meiner Schule gab es vielleicht vier oder fünf Krocha. Blaues Neon Cap, blauer Pali-Schal, weiße Hose, GIL-Schlüsselband und das Outfit war perfekt - so einfach war es für einen 14 bis 15-jährigen.

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In der Schule sind wir uns wie die Coolsten vorgekommen, aber wahrscheinlich das Gespött aller gewesen - gut, dass die Lehrer und alle Mitschüler, es recht schnell vergessen haben. Die Kroch-Ausbildung wurde per Youtube-Tutorial absolviert und in den Pausen haben wir zu Felix Kröcher und vielen mehr gekrocht.

Ich kann nicht genau sagen, wie lange ich Krocha war. Im Nachhinein fühlt es sich wie zwei Wochen an, aber ich glaube es waren schon ein bis zwei Monate - denn der Voki musste ja auch mal wachsen. Fortgehen war damals mit dem Alter nicht so das riesen Thema, aber die Hardstyle City in der Lugner City war da doch ein Pflichttermin, die regelmäßig richtige fette Acts geholt haben wie zum Beispiel Showtek.

Aufgehört hat es damit, dass Krocha auch langsam immer weniger geworden sind und so wollte ich auch nicht der einzige Krocha auf der Schule sein und hab dann wieder begonnen normal zu sein. Ich glaube es ist in dem Alter recht normal, dass man irgendwie mal ein bisschen sich selbst und die Gesellschaft austesten will. Dass man seinen Platz in der Gesellschaft sucht und als pubertierender Jugendlicher lässt man sich schnell mal von irgendeinem Blödsinn begeistern und will mit dabei sein, sonst ist man ja irgendwie Außenseiter. Hätte ich andere Freunde gehabt zu der Zeit, hätte ich es wahrscheinlich auch nicht mitgemacht.

Ich hab die Schule dann ganz normal mit Matura abgeschlossen, Bundesheer-Zeit absolviert, derzeit bin ich noch auf der WU, wird aber nicht mehr lange so bleiben und bin im Öffentlichkeitsarbeit/PR Bereich tätig. Meine Vorliebe für elektronische Musik ist mir aber bis heute erhalten geblieben. Mich kann man heute mit House bis hin zu Progessive/Goa begeistern. Wenn ich heute mir gut vertrauten Menschen, die ich damals nicht kannte, erzähle dass ich Krocha war, glaubt mir das niemand. Schmunzeln und lachen über mich selber muss ich trotzdem wenn ich zurückdenke."

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Hannah und Andrea*, beide ehmalige Emos, beide noch immer befreundet

Hannah (Jetzt auf der WU):
"Ich war nur circa ein Jahr dabei, vielleicht ein bisschen länger. Mein Wandel ging vom Emo zum Goth. Die meisten meiner Freunde aus der Szene waren Schulabbrecher, Lehrlinge. Die meisten hatten auch kein gutes familiäres Verhältnis. Natürlich nicht alle, aber irgendwann bin ich draufgekommen, dass es nicht meinen Vorstellungen entspricht. Ich war am Gymnasium und habe mich gut mit meinen Eltern verstanden. Meine anderen Freunde waren auch eher "Normalos". Außerdem störte es mich sehr, dass ich immer und überall aufgefallen bin. Fortgehen war kein Thema, aber ich war oft bei Hörstütz oder Mainframe. Jetzt bin ich eher schick/lässig angezogen und studiere auf der WU. Außerdem bin ich nebenbei in einer Firma tätig."

Andrea (Jetzt auf der FH):
"Ja, also bei mir fing alles schon ein bisschen früher an: Ich hab mit 9 schon angefangen Punk Musik zu hören - also das alte Zeug - Sex Pistols, The Clash und einiges an Ska. Irgendwann mit 11, als ich anfing zu pubertieren, fand sich dann auch schon mehr Green Day, Blink-182, Sum 41, Descendents, NOFX auf meinem iPod.

Ich hab mir mit meinen stolzen 20 Euro Taschengeld pro Monat, das ich mühsam vier Monate aufsparen musste, dann auch bald meinen ersten Nietengürtel, schwarzen Kajal und Skinny Jeans (die waren damals im schönen Jahr 2006 noch nicht so Mainstream!) gekauft. Soweit lief alles gut, bis 12 sah ich bis auf Makeup und Nietengürtel noch recht normal aus, und verhielt mich mehr so wie die etwas nerdigere kleine Schwester von Avril Lavigne. Doch dann kam 2008 eine Wandlung in meiner iTunesbibliothek, die für zwei Jahre meine oh-so-careless Punkrock-Attitude in einen Tim Burton Film verwandelte: Durch eine Freundin entdeckte ich Bands wie My Chemical Romance, HIM, Evanescence und Alkaline Trio.

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Alles, was irgendwie melancholisch, düster und trotzdem rockig ist. Da wurde natürlich sofort alles was ging mit Limewire heruntergeladen und in Dauerschleife gehört. Am prägendsten war in dieser Zeit sicher das Black Parade-Album von MCR - mir war zu der Zeit gerade bewusst geworden, wie gestört die Beziehung meiner Eltern eigentlich war und die ewig überromantisierte Melancholie der Band hat da perfekt zu meiner Depression im Anfangsstadium gepasst. Fehlten nur noch großteils schwarze Kleidung, bisschen Neonpink, ein paar gestreifte Extensions: Voilà!

Die Freunde, die ich damals hatte, sehe ich heutzutage eigentlich nie, bis auf Hannah, mit der ich dann auch meine Ultra-Indie-Phase durchgemacht habe und die sowieso davor schon eine Freundin war, die ich nie mehr hergeben will. Damals waren Bekanntschaften aus dem Burggarten, Hippie, Hörsturz und Zieglergassen-McDonalds eigentlich kaum mehr als heiße Luft - gemeinsam Zigaretten rauchen und darüber reden, wie scheiße Schule doch ist. Und mit den wirklichen Fame-Leuten (die GRML-Crew) konntest du als normalsterblicher Emo sowieso nicht reden, die waren ja viel zu cool. Deswegen habe ich mich von denen auch recht bald wieder entfernt. Der notwendige Aufwand, um wirklich zu dieser Gruppe schulabbrechender Youngstyle-Friseure in spe dazuzugehören war mir einfach zu groß, das war, denk ich, etwa 2010.

Wo bin ich jetzt? Naja mit 21 bin ich mittlerweile wieder back to the roots - nach einer langen Indie- und Techno-Phase höre ich fast ausschließlich wieder Punkrock, bin mittlerweile neun Mal tättowiert - aber - ich bin keine pubertierende Dramaqueen mehr. Ich hab mein Leben halbwegs in Griff (Studentin halt), schaffe es mich halbwegs gesund zu ernähren und eine Wohnung instand zu halten. Ich steh auf Haarfarbenwechsel, aber wahrscheinlich legt sich das auch irgendwann. Mein Kleidungsstil ist jetzt eigentlich ziemlich basic, aber immernoch in dunklen Farben gehalten, also doch vielleicht ein bisschen goth? Keine Ahnung, ist mir auch irgendwie wurscht, ich geb dem keine Namen mehr. Das liegt aber mehr daran, dass bunte Farben auf meinem allgemein nach Zombie aussehenden Hautton einfach furchtbar aussehen.

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Mein Fazit: Die Zeit ist mir schon ein bisschen peinlich, als man noch dem damals "uuur schoafen" Rattlesnake Verkäufern nachgegeiert hat. Aber ich hab, denk ich, keine bleibenden Schäden davongetragen. Die Bands find ich großteils immer noch cool."

Leon*, früher Krocha, jetzt hat er einen Nebenjob im Security-Bereich

Screenshot via YouTube.

"Ich komm aus dem 22. Wiener Bezirk, da waren irgendwie alle Krocha. Auch Dank der Nähe zur Schicht. So richtig peinlich war ich nie, aber ich habe mit meinem Style schon dazugehört. Eine Kappe hatte ich auch. Damals war es wichtig für mich, dazu zu gehören. Ich fand auch Frauen mit dem Style sehr sexy - heute wahrscheinlich auch. Da gab es auf Netlog auch immer einen fixen "Zena". Heute studiere ich auf der Uni Wien, mag noch immer elektronische Musik und reise gerne."

Mimi, früher ein Emo, heute arbeitet sie und schreibt manchmal für uns Texte

Foto von Mimi

"Ich hab in meiner frühen Jugend diesen Skater-Style extrem scharf gefunden und deshalb haben mich Typen mit den JB-Frisuren extrem angezogen. Also waren meine ersten Schmusereien immer mit solchen - bis ich dann rausgefunden habe, wer der "Anführer" der damaligen Gruppe war - also hab ich dann mit dem auch geschmust.

Ich hab mich hauptsächlich an die Stars gehalten, die alle irgendein Core oder Cake im Namen hatten, weils so cool war und dann hab ich angefangen, mich auch so zu stylen - also ich habe es versucht, täglich hat ein Bandana meinen Kopf zusammengehalten und meine Eltern haben gesagt, dass ich wie ein Pandabär aussehe. Ich war eher im Dezember in der Anfangsphase, also haben sich alle immer beim Emo-Mäcci beziehungsweise Ziegler-Mäcci getroffen, bis man Hausverbot hatte. Haha. Im Sommer wanderten alle ins MQ und haben jeden Tag gekifft und gesoffen - es ging dann sogar so weit, dass ich nach der Schule oder währenddessen hin bin und natürlich habe ich dann auch angefangen zu Hause zu rebellieren, weil: "MOM THAT'S NOT A PHASE". Mit 14 schon gar nicht! Todernst. Im MQ hab ich meine ersten Kifferfahrungen gemacht und meinen ersten Nikotinflash gehabt, denn da hab ich zum Rauchen begonnen (was ich nicht mehr tue) und natürlich war es mega cool, wenn man sich am Samstag um zwölf schon ansauft.

Fort war ich leider nie richtig denn das durfte ich damals noch nicht wirklich, was auch gut war. Nachdem ich dann älter geworden bin und gemerkt hab, dass die anderen auch rauswachsen habe ich mich denen angeschlossen und mich wieder normal angezogen, keine Free Hugs oder Schmusereien mehr und schon gar keine täglichen Abstürze auf der Hilfer. Tja, die Musikrichtung habe ich dann noch lange weiter gehört und die Menschen auch noch länger schoaf gefunden, aber mittlerweile hab ich Mitleid mit solchen, weil die nicht so schlau waren wie ich. Klar bereue ich es nicht, war immerhin eine meiner Entwicklungsphasen, die manchmal lustig waren. Aber ich bin froh, dass ich mit den Menschen keinen Kontakt mehr habe - waren eh alle falsch und verlogen. Leider.

Achja, und natürlich warst du nicht einer von ihnen, wenn du nicht mindestens ein richtiges Problem hattest. Also musste man eben irgendwelche Probleme erfinden, damit man dazu gehört. Mitläufer wurden schnell erkannt also hab ich mich wirklich reinsteigern müssen - das hat dann noch paar Jährchen angehalten."

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