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Ich habe beim Vienna Pub Crawl mitgemacht

Und es war ziemlich mies.

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Ich persönlich finde die Idee eines Pub Crawls an sich schon sehr absurd: Du bist in einer anderen Stadt, du willst etwas von den Leuten und dem Vibe mitbekommen. Und dann beschließt du bei einer für junge Touristen organisierten Pub-Tour mitzumachen. Dann wunderst du dich, wenn du in irgendwelchen uncharmanten Bars endest und von notgeilen Backpackern umzingelt bist. Pub Crawls sind so etwas wie die Aufreißer-Version von Hop On Hop Off-Touren. Vor ein paar Jahren in Madrid, als ich auch an so etwas teilgenommen habe, dachte ich daran, wie seltsam es wäre, einen Pub Crawl in meiner Heimatstadt Wien zu testen. In die vermeintlich besten Bars der Stadt zu gehen und mir von irgendwelchen Leuten erklären zu lassen, wie man in Wien richtig ausgeht. Jetzt ist der Gedanke wieder aufgekommen. Deshalb habe ich mir gleich den angeblich größten und besten Pub Crawl in Wien rausgesucht und eine Freundin dazu gezwungen, ihn mit mir zu testen.

Treffpunkt war um neun im umstrittenen Travelshack. Da ich noch nie dort war, habe ich erst mal einen kleinen Schock bekommen, als ich die Bar betreten habe. Das Publikum war ausschließlich männlich (erst nach zehn Minuten kamen ein paar geschätzt 14-jährige Mädels), drei Typen haben energisch Nägel in einen aufgestellten Baumstumpf eingeschlagen (keine Ahnung wieso) und es hat eine Mischung aus EDM und ausgelutschten Indie-Songs gespielt. Das Ambiente ist trashig, das Lokal in rot gehalten, die Bar ist mit zahlreichen BHs geschmückt. In einem Fernseher ist ein Travelshack-Promotion-Video gelaufen, in dem man Leute trinken, sich ausziehen und strippen sieht. Die Getränke haben versucht ausgefallene Namen wie „Wet Pussy“, „Leg Opener“ oder „Red Headed Slut“. Es ist also schnell klar, was das Motto dieser Bar ist. Als ich den Pub Crawl bezahlen wollte, habe ich fast einen Streit mit der Kassafrau angefangen, weil sie 20—statt wie im Internet angekündigt—zwölf Euro von mir wollte. Dafür gab's einen Welcome Shot, gratis Bier und Spritzer im Travelshack, „Specials“ in den anderen Bars und gratis Eintritt ins U4. Sie meinte, sie wusste nichts davon, dass auf der Website zwölf Euro steht und wird sofort ihrem Chef schreiben, damit er es ändert. Mal schauen, ob das wirklich passiert—bis jetzt ist noch nichts geändert. Dann haben wir unsere Mission Cards bekommen. Wer die meisten Punkte sammelt, gewinnt eineinhalb Liter Bier. Die Missionen sprechen für sich:

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Nachdem wir eineinhalb Stunden im Travelshack waren, viel angeglotzt wurden und uns fehl am Platz gefühlt haben, wurden wir zusammen mit den anderen Pub Crawl-Teilnehmern in einen Nebenraum gelotst. Dort gab es eine Bühne mit einer Poledance-Stange. Daneben stand ein einsamer Indiesänger mit Gitarre, der erschrocken zu singen aufgehört hat, als wir den Raum betreten haben. Wir waren insgesamt nur sieben Teilnehmer, bis auf uns allesamt männlich und um die zwanzig Jahre alt. Nach einer Begrüßung ging es los, Richtung Bermudadreieck. In der U-Bahn haben wir natürlich gleich mal Leute, die wir kennen, getroffen. Sie waren etwas verwirrt, uns in dieser seltsamen Konstellation zu sehen und auf die Frage „Wohin geht ihr?“ wussten wir nicht ganz, wie wir antworten sollten. Vor einer Parkgarage hat die Pub Crawl-Leiterin kurz halt gemacht, um uns eine eklige Vodka-Orange-Mischung einzuflößen.

Am Weg durchs Bermudadreieck wollten uns Promoter mit Süßigkeiten in die Bars/Clubs locken. Etwas creepy, aber Welcome-Shots sind wohl schon out. Schließlich sind wir im Gnadenlos, einer Bar mit Keller-Club, angekommen. Auch dort war ich noch nie—so viel zu den „well-known Vienna Nightlife“-Bars, die einem auf der Homepage versprochen werden. Es war nur halbvoll und das Publikum extrem jung—dafür aber sehr motiviert. Die Jungs hatten natürlich weiße Hemden an, die sie „unauffällig“ ein bisschen zu weit aufgeknöpft haben und die Mädels enge Kleider mit Ausschnitt. Was sonst. Ein DJ spielte Songs, die wie eine Mischung aus Schlager und EDM geklungen haben. Ich dachte bis dahin, dass nur Alexander Markus Musik dieser Art macht.

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Ein Teil unserer Gruppe hat sich sofort unter die Leute gemischt, die Anderen standen etwas verzweifelt herum. Wir haben mit ihnen Shots getrunken und gehofft, dass die Motivation dadurch steigt. Die Leiterin war auch extrem gelangweilt und hat ständig auf ihre Uhr geschaut. Sie ist aus Kroatien und hat erzählt, dass sie keine Vollzeit-Arbeitserlaubnis in Wien bekommt. Deshalb muss sie auch diesen Job machen, obwohl sie bereits einen Master hat und gerade an ihrem zweiten arbeitet. Außerdem kommt sie sich vor, wie eine Babysitterin. Sie hat mir ziemlich Leid getan.

Foto von Anna R.

Der nächste Stopp war das Dick Macks. Und auch dort war ich noch nie. Am Weg wurde uns wieder sehr viel Vodka, diesmal mit Cola gemischt, eingeflößt. Jetzt waren alle Pub Crawl-Teilnehmer schon ein bisschen mehr in Stimmung. Einer war aus Chile und hat uns lallend von seinen interkulturellen Missverständnissen mit Europäerinnen erzählt. Wenn er hier Mädchen an der Hüfte angreift, denken sie gleich, er steht auf sie. Und wenn er sie nach Hause begleiten will, denken sie er will pudern.

Ich kann mir schon vorstellen, dass er diese Probleme wirklicht hatte. Doch er hat sich ein bisschen verplappert und meinte schließlich: „Naja, wenn ich dich jetzt nach Hause begleite, will ich erst mal dass du sicher bist. Also ich will nicht in erster Linie pudern. Das heißt nicht, dass es sich dann nicht entwickeln kann… Aber es ist nicht das, was ich zuerst denke. Vielleicht denke ich das später dann.“ OK, got it. Meine Lieblings-Pub Crawl-Teilnehmer waren zwei Kalifornier, die ihre Hotline Bling-Dancemoves zum Besten gegeben haben. Nicht, dass es Hotline Bling gespielt hätte, das wäre schon ein bisschen zu „underground“ für das Dick Macks gewesen.

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Danach ging es (auf meine Initiative) zum Schwedenplatz-McDonald's-Frustessen. Der letzte Stop war das U4. Wir sind ziemlich schnell abgehauen und zur Viennale-Closing-Party in die alte Post gegangen. Die Kalifornier haben uns angefleht, ob sie mitkommen dürfen. Sie sind uns dann die nächsten Stunden auf Schritt und Tritt gefolgt und waren extrem glücklich. Zum Abschied haben sie sich heftig bedankt und gesagt, dass wir ihren Abend gerettet haben. Nein, eigentlich ihren Aufenthalt in Wien. Und dass sie wahnsinnig froh sind, doch noch auf eine coole Party zu kommen. Sie meinten, wir sollten einen eigenen Pub Crawl veranstalten.

Insgesamt fand ich den Vienna Pub Crawl ziemlich lame. Es kann natürlich sein, dass es im Sommer oder zu anderen Zeiten im Jahr spektakulärer ist. Niemand hat an den Missionen teilgenommen und der Vodka war so schlecht, dass ich den ganzen nächsten Tag im Bett verbringen musste. Hier der Fakten-Check zu den Versprechen auf der Website: Biggest Pub Crawl in Vienna: Wir waren zu siebt. Angeblich sind aber sonst mehr Leute dabei. Free Shots on the tour: Ja, Shots gibt es einige. Challenges and prizes for everyone: Da niemand an den Missionen teilgenommen hat, konnte auch niemand gewinnen. VIP entry at every bar or club: Ich weiß nicht genau, was daran VIP war, aber zahlen mussten wir nichts. Experienced international stuff: Ok. For only 12 euros: Neeein, 20.

Hier noch ein Blick auf die Fernseher in den Bars. Nummer eins: Travelshack. Ein Besucher isst Schlagobers von Bauch und Brüsten einer Frau, die auf der Bar liegt. Ich hoffe nur, sie weiß dass dieses Video gezeigt wird und war zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht komplett weggeschossen. Nummer zwei: Dancefloor-Love im Gnadenlos. Nummer drei: Dick Macks. Leider kein Bild, dafür gibt es Shots um ein Euro.

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