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Warum House-Musik bald (wieder) tot sein wird

... und wer sie töten wird. Disclosure? Nerds? Bekackte Klamotten? Amerikaner? Wir haben eine ganze Reihe von Verdächtigen.

vom Twitteraccount von @DisclosureFans

Irgendwann im Jahr 2007 stellte eine ganze Reihe von Leuten fest, dass sie in den letzten vier Jahren, in denen sie ausschließlich Dubstep gehört hatten, nicht einmal gebumst worden waren. Also schissen sie auf alles und machten fortan etwas, das wie das genaue Gegenteil von Dubstep klang.

Anfänglich gab es hierfür keinen Namen, aber irgendwann realisierten immer mehr Menschen, dass das Spiel für Dubstep gelaufen war, denn niemand möchte sich ernsthaft so fühlen als hätte er eine Panikattacke in einem U-Boot auf dem Grund der Themse und so wurde „Post Dubstep“ geboren. Ein paar Jahre später and here we are: mit der ersten britischen Clubmusik, die komplett auf einem Vierviertel-Takt basiert seit „Where's Your Head At“.

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Modern-Day-House stellt ohne Zweifel den derzeitigen Trend dar—er rangiert momentan irgendwo zwischen dem Untergrund des Internets und dem Stereo-Sound der Einkaufsmärkte ums Eck. Vereinzelt dringt davon immer mal was in Richtung Mainstream durch, aber der Kern des Ganzen bleibt definitiv in unserer Subkultur verankert. Auch wenn Disclosures „Latch“ die Top 20 beherrscht und Bashmore im Radio hoch und runter läuft, würde sich keiner aus dieser Szene auf ein Duett mit Paul McCartney und Emile Sande einlassen, um „Let it Be“ neu zu interpretieren. Noch nicht.

Künstler dieser Kategorie schaffen eine neue Art der Live-Präsenz. Bald wirst du deine jüngeren Geschwister verspotten können, denn du hast Benga bei DMZ oder Magnetic Man bei Snowbombing gesehen. Außerdem warst du einer der Ersten, die im Boiler Room umhertanzten. In unserer Zeitepoche entsprichst du dann etwa denen, die sagten, dass sie Green Day mochten, als diese noch Punks waren oder Lauryn Hill, als sie noch einen Hass auf Weiße schob, oder auch Juicy J bevor er zum „Chumbawumba“ des Traps wurde.

Kurz nach dieser Phase wird irgendwer New House für tot erklären und man wird sich umschauen, an wessen Händen jetzt das Blut klebt. Für den Fall, dass du dich dann wunderst, wer die Schuld dafür trägt, haben wir schon mal einen Blick auf die potentiellen Mörder des New-House-Revivals geworfen.

NAMENSGEBUNG

Es gibt nichts, was Menschen, die Dancemusik lieben, mehr hassen, als festgenagelt zu werden und gesagt zu bekommen, was sie sind. Und zu Recht. Sobald eine Szene einen Namen bekommt, versteinert ihr Style und irgendwelche Hyänen kommen vorbei um die Formel bis auf die Knochen zu zerkauen. Die Leute werden angepisst und es stirbt.

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Schau dir an, was mit den Mikroszenen passiert ist, die seit dem Tod von Dubstep einen Namen bekommen haben; ein paar Leute sind losgezogen und haben gesagt, dass sie jetzt etwas machen wollten, dass „Future Garage“ heißt, und sie wurden nie wieder gesichtet. Amerikaner haben sich wieder mal entschieden, ihre Selbsterkenntnis zu vermeiden, indem sie die grässliche Musik, von der sie denken, es sei Tanzmusik, nicht „Frat House“ sondern Electronic Dance Music nennen—und während EDM noch nicht tot ist, wurde seine Seele schon vor langer Zeit von Fickern in Raverhosen verscheucht.

Die Sache ist, dass „Neo-House“ seinen Namen wahrscheinlich wieder ändern wird, bevor es zwangsläufig mit Deep House fusioniert und etwas formt wie „Filter-Trap“ oder „Snapnack Techno“ oder „Eurozone Bass“ oder irgendein genauso dummes, ausgedacht zusammengesetztes Genre. Wenn dir irgendetwas an dieser Musik liegt, solltest du hoffen, dass sie sich schneller weiterentwickelt, als Journalisten sie brandmarken können. Denn: Einer Szene einen Namen zu geben, ist wie wenn man ein Kind mit einem Kessel tauft.

DISCLOSURE

„Crossover“ hört sich nicht wie ein sehr schlimmes Wort an, und wenn du für Universal arbeitest ist es das auch nicht. Für den Rest von uns, allerdings, bedeutet es „kompromittieren“, „Arbeitsgemeinschaft“ und „Testpublikum“. Es bedeutet „Ed Sheeran ist der Mann, der Rap und Folk zusammenführen soll“.

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So talentiert sie auch sein mögen, da ist etwas an Disclosure, das einfach „Crossover“ schreit, wohingegen viele ihrer Kollegen mit etwas Anfahrtgeld und ein paar Freigetränken zufrieden zu stellen sind.

Erstens sind sie ekelhaft jung. Zu jung um Hitsongs in egal welchem Genre zu machen, geschweige denn in einer Szene, die ihre Veteranen glorifiziert—Virgo, Ron Trent, Kenny Dixon Jr, the Belleville Three und so viele weitere auf der falschen Seite der 29.

Und während Disclosure sich den heutigen Club Klischees von College-Jacken und metaphysischen Anstarr-Wettbewerben in ihren Pressefotos unterwerfen, sind sie im visuellen Bereich viel eher Conor Maynard als Carl Cox. Ich sage nicht, dass sie aussehen wie die kleinen Hunde, die reiche Frauen in ihren Handtaschen tragen, aber sie sind auch nicht Boddika.

Ich bin nicht der Typ, der seine Vinyls wiegt und Jeff Mills für seine verpatzten Remixe beschimpft, aber man kann nicht anders, als das Gefühl zu haben, dass Disclosure die Vorreiter des ersten richtig Kasse machenden, Crossoversounds sein werden. Wir haben die Alice Deejay oder den DJ Ötzi dieser Szene noch nicht gesehen, aber er kann nicht weit sein und es wird sich entweder um Disclosure handeln, oder um jemanden, der so ähnlich klingt.

SHUFFLER

Shuffling und die Leute, die ihr Leben darum konzipiert haben, bekommt regelmäßig einen ziemlich heftigen Verriss von House-Puristen. Sie behaupten, dass Shuffling ein aggressives, pfauenartiges Geprahle ist, das Leute einfach nur wie Ärsche aussehen lässt. Sie sagen, dass ihre Anhänger schreckliche Klamotten tragen (was wahrscheinlich das schwerwiegendste ihrer Argumente ist), und dass diese bösen Typen, die in den Club kommen, um ihre Füße mit der Musik zu bewegen, eine „Badman-Mentalität“ promoten. Die Tatsache, dass diese Leute den Begriff „Badman“ als negativ bezeichnen, sagt euch alles, was ihr über sie wissen müsst.

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Ich meine, es ist nur ein Scheiß-Tanz, oder? Wenn du denkst, dass ein dummer Tanz ein ganzes Genre gefährdet, wie erklärst du dir dann die fortlaufende Existenz von Caetano Veloso, das nicht nur Macarena, sondern auch den „She Bangs“-Tanz und Las Ketchup überlebte? Lass die Shuffler shufflen.

AU SEVE

Disclosure mit ihrem jungenhaften Look und den catchigen Refrains sind vielleicht die Nirvana des Neo-House, aber der „Smells Like Teen Spirit“-Moment der Szene kam mit Julio Bashmores „Au Seve“. Der Song ist direkt, du kannst dazu tanzen, er wird sich großartig anhören, wenn er diesen Sommer aus offenen Autofenstern schallt.

Er könnte das „Tiger Feet“ unserer Generation sein, ein Retroklassiker, zu dem wir unsere Gabbaliebenden Kids versuchen, zum Tanzen zu kriegen. Auf der anderen Seite ist er so ansteckend, dass er wahrscheinlicher „Chelsea Dagger“ als den Track verdrängt, den Fußballfans vor einem Spiel „singen“ und „Seven Nation Army“ als den Song, zu dem mediterrane Teenager abgehen, wenn die Eurovision-Resultate veröffentlicht werden (das tun sie wirklich).

HOT NATURED

Wenn wir uns auf eine Sache einigen können, die die House-Wiederauferstehung nicht braucht, dann ist es eine Boyband. Leider Gottes hat sie nun eine in Form von Hot Natured, bestehend aus Jamie Jones, Luca C., Lee Foss und Ali Love (Jupp, dieser Toni & Guy-Hipster „K Hole“-Typ). Bei diesem aalglatten, easy-going House, den du normalerweise nur in Frauenbekleidungsgeschäften hörst, muss man sich fragen, wer sich Hot Natured wirklich aus eigenem Antrieb gibt. Wenn man sich die Ticketverkauf-Statistiken für ihre große Show an der Brixton Academy nächsten Monat ansieht, dann setzt sich das Publikum folgendermaßen zusammen:

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50 Prozent Australier mit Shutter Shades.

35 Prozent Italiener mit Shutter Shades und Tanktops.

10 Prozent Männer auf der Presseliste, die versuchen am nächsten Tag eine Review zu schreiben, obwohl sie sich an nichts erinnern können, außer dass sie einen Typ in den 40ern getroffen haben, der verzweifelt auf der Suche nach Drogen war.

5 Prozent Menschen, die eine Afroperücke tragen und viel Zeit damit verbringen, ein Foto mit Jamie Jones zu machen.

Hot Natured sind die Boyzone des House.

ORGANISIERTER SPASS

Die Situation und der Ort sind entscheidend, wenn es darum geht, Dancemusik zu genießen. Techno hört sich am besten in teutonischen Höhlen an, Trance klingt am besten in Turnhallen, Grime ist am besten, wenn du gerade aus dem Knast gekommen bist und House kommt am besten in vollgepackten Südlondoner Spelunken oder weißgehaltenen balearischen Sunset-Bars. Deswegen ist der Aufstieg von House-dominierten Festivals wie dem Bugged Out und dem Eastern Electrics so verwirrend. Für manche klingt Clubmusik anscheinend nicht in einem Club am besten, sondern in einem Park an einem beschissenen englischen Sommertag, während man Ben UFO dabei zusieht, wie er eine Meute zum Wachrufen kriegen will, die viel mehr an ihrem Handysignal interessiert ist.

Und um dieser Tage in einen Club zu gehen, bedarf es eines hohen Levels an Organisation. Fast jeder Event, zu dem es sich hinzugehen lohnt, ist im Vorhinein schon ausverkauft, was jeden, der nicht zu diesen hyperorganisierten Strebern oder Gästelisten-Lutschern gehört, nach Hause mit Take Me Out verbannen. Der einzige Ausweg sind überdimensionale, überkapazierte Raves mit Soziologiestudenten auf Ketamin.

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AMERIKANER

Einer von uns hat diesen Fall schon bearbeitet, also werden wir uns mit den Horrorgeschichten von „Molly“, „Camp Bisco“ und „Godstep“ wiederholen. Alles was ihr dazu wissen müsst, ist, dass Amerikaner in den 2010ern eine genauso große Gefahr für Housemusik darstellen, wie Europäer es in den frühen 2000ern taten. Hat sich Jigga eingeschissen, als er Sway hörte? Hat Missy ihre Sachen gepackt, als sie Lady Sovs Ordinary Boys Kollaboration hörte? Nein. Bald wird die ganze Welt Deadmau5 genauso betrachten wie Boomfunk MCs: Eine bäuerliche Fußnote in der Musikgeschichte, die für immer mit schlechtem Weed und feuchten Träumen assoziiert wird.

GASTAUFTRITTE

Ihr denkt, dass „Au Seve“ nervig ist? Wartet mal ab, bist Tinchy Stryder es hört und sich entscheidet, dass es einen Vers braucht, der „Audi TT“ mit „Holly Willoughby“ reimt. Es gibt eine lang dokumentierte Tradition von Mainstreamkünstlern, die auf Undergroundhypes aufspringen und bis jetzt war New House nicht Teil davon. Noch.

Sobald die größten Produzenten ihren Kokskonsum neben ihren Plattenverkäufen steigen sehen, werden sie nicht dem dezenten Tipp ihres Plattenfirmenbosses, dass Gary Barlow ein riesiger Blawan-Fan ist, widerstehen können. Kollaboration läuten immer das Ende eines Sounds ein, und während wir die eine Großen noch nicht hatten (AlunaGeorge und Disclosure könnten den Anfang machen), wird es kommen. Wer wird es sein? Ich weiß es nicht. Aber ich habe gehört, dass Scuba und Taio Cruz zusammen im Studio waren, da habt ihr es also.

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Wenn alles vorbei ist und die Rauchschwaden davon gezogen sind—wenn die Schuldigen vor das Nürnberger Tribunal der Dancemusik gebracht wurden—wird eine Sache klar sein: Die Menschen werden sich fragen, ob der Geschrei vom Tod der Gitarrenmusik nach all dem wirklich so übertrieben war.

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