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Das kleine Rave-1x1 für Amerikaner

Einer muss den Amerikanern ja schließlich mal erklären, warum EDM eine ziemlich beschissene Idee ist.

Liebes Amerika,

Euer Verhältnis zur Ravekultur kann man mit dem Verhältnis der Briten zu ihrem geliebten Fußball vergleichen. Ihr habt es irgendwann in den postindustriellen Städten des Nordens erfunden, aber zum heutigen Zeitpunkt versteht der Rest der Welt besser, worum es dabei geht, als ihr. Rave ist quasi euer Kind, das ihr zwar auf die Welt gebracht habt, dessen Erziehung ihr aber schon kurz nach der Geburt der restlichen Welt überlassen musstet. Jedem war klar, dass ihr als Eltern nicht wirklich taugt.

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Irgendwie ist die Ravekultur aber wieder zurück in eurem Leben, und ihr solltet lernen, damit klarzukommen.

Während ihr die letzten 25 jahre damit verbracht habt, Learjets zu kaufen und Creed zu hören, wussten wir in Europa längst, was ein Double Drop ist. Wir haben längst versucht, Laser einzufangen, und Tausende Raver sind im Drogenrausch von ihren Plateauschuhen in den Tod gestürzt. Für euch waren wir damals alle homosexuelle, existenzialistische Drogenabhängige (OK, an letzterem Punkt könnte durchaus was dran sein), und jahrelang habt ihr euch gegen den unwiderstehlichen Charme von Mitsis, Ministry of Sound und Paul Oakenfold gewährt. Eure Vorstellung von Party bestand damals eher aus „Brewskis", Kiffen und einer musikalischen Mischung von Kid Rock und 2 Live Crew.

In letzter Zeit hat sich das aber geändert. Irgendwie treiben sich bei euch Typen rum, die MDMA so teuer verkaufen, dass sich sogar Bez in seinen jungen Jahren wohl gefragt hätte, ob er es nicht ein wenig übertreibt. Trinidad James kommt inzwischen von seinem „Molly" genau so wenig runter, wie Danny Brown oder Future. Lil Wayne wurde in seinem Tourbus mit genug Stoff verhaftet, um die Loveparade für etliche Stunde zu versorgen. Auch der neue Destiny's-Child-Song wäre bei einem Fantazia-Rave Anfang der 90er wohl gar nicht so Fehl am Platz .

Amerikaner und ihre Vorstellung eines Raves

Auf einmal tauschen Tausende der achso adretten Teenager, die uns früher als Euro-Schwuchteln abgestempelt haben, ihre Ozzfest-Tickets für eine Skrillex-Show ein und rennen auf dem Coachella mit „Daft Punk Rocks"-Plakaten rum. Einer meiner Kollegen hat mir sogar erzählt, dass es an seiner Highschool so war, als würde man die Live-Alben von Judy Garland feiern, wenn man House hörte.

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Jetzt tun alle so, als wär das eh nie ein Problem gewesen. Wenn ihr mich fragt, ist da etwas gehörig faul, und das könnte durchaus am MDMA liegen.

Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ihr überhaupt einen Plan habt, was ihr da tut. Klar, Levon Vincent, Terrence Parker, Juan Atkins und Kenny Dixon Jr. wussten schon immer, worum es geht. Aber die ganzen Newbies? Vergiss es! Um ehrlich zu sein, finden wir pillenschmeißenden Krauts und Redcoats es ziemlich albern, was ihr da so macht. Ich meine, ich komme aus einem Land, in dem „Born Slippy" genau so oft bei politischen Kampagnen gehört wird, wie es auf dem Schulweg läuft. Wir haben Politiker, die schon mal einen Trip geworfen haben, und Djs, die Jugendzentren eröffnen. Euch dabei zuzusehen, wie ihr Ecstasy und Dance Music für euch entdeckt, ist für uns ungefähr so, wie wenn ihr Waterloo seht oder T.G.I.-Fridays-Kellnern zuschaut, wie sie sich unausweichlich in den Selbstmord „YEE-HAW!"-en. Ich habe mir euer „Camp Bisco" angesehen und Deadmau5 gehört und glaube, dass es Zeit für einen kleine Crash-Kurs in Sachen Rave Culture ist.

DANCE MUSIC IST IMMER ELEKTRONISCH, IHR IDIOTEN

Als ich den Begriff „EDM" zum ersten Mal gehört habe, war ich mir nicht ganz sicher, wofür es eigentlich stehen soll. Damals dachte ich noch, dass das „M" für „Musik" stehen könnte, das „E" für „europäisch" oder „elektronisch" und das „D" für „digital" (vielleicht in Anlehnung daran, dass die Musik mithilfe von Computern produziert wurde oder so was). Ich hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass die Abkürzung für etwas so Offensichtliches wie „Electronic Dance Music" steht. Das ist, als würde man ein Genre „Guitar Rock" oder „Trumpet Ska" nennen.

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Techno ist elektronische Tanzmusik, House ist Electronic Dance Music, Drum'n'Bass ist Electronic Dance Music. Ihr müsst das doch nur mal selber laut aussprechen: ELECTRONIC DANCE MUSIC. Das klingt ungefähr so dämlich, wie deine Großmutter, die versucht, über das neue Album von Moby zu diskutieren, oder ein Dorfpolizist, der im Fernsehen Fragen zu den Straßenkontrollen beim Sonne, Mond & Sterne Festival beantwortet. Ihr klingt wie verdammte Anfänger. Ziemlich bescheuerte Anfänger. Denkt euch also was Neues aus, das ihr dann Afrojack nennen könnt.

LIVE-DRUMS SIND EINFACH NICHT ZUMUTBAR

Vielleicht war ich hier jetzt etwas voreilig, ich dachte, das wär eh kein Thema, aber wenn man sich mal das Camp-Bisco-Video anschaut, könnte man meinen, ihr würdet „live"-Dance Music wirklich groß rausbringen wollen. Meint ihr das ernst? Live House Music sollte einfach auf Jazz-Cafés oder irgendwelche noblen Clubs beschränkt werden. Die engagieren Bongospieler, die dann live bei ihren „Funky Nights" auftreten sollen. Wenn es nicht gerade „Calabria" spielt, hat ein Saxophon einfach nichts im Club zu suchen.

WENN IHR MDMA SCHON UNBEDINGT „MOLLY" NENNEN MÜSST, DANN BEACHTET DIESE REGEL: ES HEISST POPPING „SOME" MOLLY UND POPPING „A" PILL, NICHT „POPPING A MOLLY"

Das hier richtet sich speziell an alle Rapper. Ich weiß, ich nehme es manchmal zu genau, aber ich hasse eben Leute, die von Drogen reden, aber keine Ahnung davon haben. Du schluckst eine Pille, weil es nur EINE ist, und du nimmst MDMA, weil es eben ein Pulver ist. Außer ihr zieht euch MDMA vorzugsweise Körnchen für Körnchen rein, was einfach nur unfassbar ineffizient wäre und mich wirklich wahnsinnig machen würde.

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NICHT JEDER TRACK BRAUCHT AUCH EINEN DROP

Wisst ihr, was man wirklich will, wenn man in einem dunklen Raum voller schwitzender Menschen, die alle bis oben dicht sind, versucht zu tanzen? Wiederholung! Darin liegt ja auch der Sinn dieser Musik. Selbst Drum'n'Bass funktioniert am besten mit konstanten, sich wiederholenden Beats und diesen subtilen Rhythmuswechseln, die den Übergang zwischen den Tracks markieren. Die EDM-Brigade scheint ihre Position bezogen zu haben, die irgendwo zwischen den Sachen von Pendulum und den dem Frühwerk von Slipknot liegt, deren Tracks nur auf einen Drop hinarbeiten, der wie die Explosion eines Geisterzuges klingt.

IHR KÖNNT NICHT GLEICHZEITG GEGEN DROGEN SEIN UND HOUSE MUSIC PRODUZIEREN

EDM hatte wohl seinen Tiefpunkt, als sich Deadmau5 (sowas wie der Phil Collins der Szene) und Madonna sich wie zwei glatzköpfige Kerle um einen Kamm stritten. Madonna hatte einen (zugegeben) ungeschickten Kommentar über „Molly" gemacht. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, als würde dich deine Mutter um etwas „schwarzen Afghanen" bitten. Klar war das scheiße, aber irgendwie auch harmlos. Deadmau5 hat es aber trotzdem persönlich genommen und beschuldigte Madonna, „genau den Scheiß zu verherrlichen, der EDM schon seit Jahren zurückhält".

Lasst mich das ein für alle Mal klarstellen: Man muss nicht unbedingt Drogen nehmen, um auf Dance Music abgehen zu können. Niemand möchte gerne in einem riesigen und verworrenen Kaninchenbau mit Psytrance-Jüngern gefangen sein. Aber EDM, wie Mau5 es weiterhin beharrlich nennt, wird eben einfach mit Drogen assoziiert; wenn man das leugnet, scheißt man der ganzen Kultur auf den Kopf. Vergleichbar vielleicht, als würden Die Kassierer jedes Mal durchdrehen, wenn man bei ihren Konzerten besoffen ist. Oder SpaceGhostPurrp, der behauptet, Weed sei eine Einstiegsdroge.

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DJS SIND VERDAMMT NOCHMAL KEINE ROCKSTARS

So sehr die Wahrheit auch weh tut, aber der Kerl hinterm Laptop ist leider nicht der schmalhüftige Serato Jagger, für den du ihn vielleicht hältst. Er ist einfach nur ein Kerl mit einem Laptop, der ein Shirt trägt, auf dem der Name seines Labels steht. DJs sind ausnahmslos einfältige Kerle mit einer ungesunden Studio-Bräune und einem autistischen Fachwissen über EBM-12"s und Nasenbluten-Technos-Bass-Lines. Das macht sie allerdings genau zu dem, was sie sind, und dadurch können sie den Leuten auch unverfroren das Geld aus der Tasche ziehen. Klar, es gibt die seltsamen Ausnahmen, die genug Geld verdient haben, dass sie selbst davon überzeugt sind, Rockstars zu sein. Aber die einzigen, die wirklich noch Justice, hören sind nunmal die verdammten Franzosen.

Moodyman hat einmal gesagt, dass „das wahre Talent an den Turntables liegt", und das ist eine ganz schön bescheidene Aussage für so einen Producer. Aber irgendwie hat er damit ja Recht. Niemand steht schließlich auf DJs mit einem ausgewachsenen Bono-Komplex. Es gibt einen Grund, warum sich die meisten von den derzeitigen EDM-Posterboys hinter bescheuerten Frisuren oder übergroßen Maske verstecken. Wirkliche Rockstars sind einfach spannender. Also hört bitte endlich auf, das DJ-Pult anzustarren, als würdet ihr euch bei einer heiligen Messe befinden.

HOUSE MUSIC SOLL GLÜCKLICH MACHEN

Als Letztes möchte ich noch loswerden (und das ist vielleicht auch der wichtigste Punkt), dass das hier kein fucking Nu-Metal ist. Bush ist längst aus dem Weißen Haus ausgezogen, ihr bekommt jetzt jede Menge von diesen tollen europäischer Freiheiten. Niemand braucht ein weiteres Woodstock '99. Keiner will mehr dabei zusehen, wie ein Haufen verzogener Fressen im Circle Pit zu Tode getrampelt wird.

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Sich massig Pillen reinzuschmeißen und sich gegenseitig die Ohren abzulecken, passt vielleicht nicht so in eure Vorstellung von „Individualität", aber ihr solltet es wirklich mal versuchen. Diese Nähe, die ihr euren Mitmenschen gegenüber empfinden werdet, könnte euch ganz gelegen kommen, angesichts der sozialistischen Zukunft, auf die ihr euch alle so freut.

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