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Ich habe die Brixton Academy für ein britisches Pfund gekauft

Die Brixton Academy ist eine der bekanntesten und schönsten Konzerthallen Londons. Der Erfolg geht auf den Mut des Gründers Simon Parkes zurück, der hier seine Geschichte erzählt.

Der Autor (rechts) mit seinem Kollegen Johnny Lawes

In den Jahren, in denen ich die Brixton Academy als Eigentümer betrieben habe, wurde ich zusammengeschlagen, niedergestochen, mit Tränengas attackiert, habe Bombendrohungen von der IRA erhalten und es wurden mehr als einmal Knarren auf mich gerichtet. Ich habe außerdem zwölf Jahre lang die besten Konzerte in Großbritannien veranstaltet und die beste Sache ist, dass ich das Gebäude damals für nur ein Pfund gekauft habe.

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Ich war zu der Zeit erst 23, aber ich habe es trotzdem geschafft, mir ein Treffen mit der Brauerei, der das Gebäude gehörte, zu verschaffen. Sie haben mir angeboten, es für 120.000 Pfund zu kaufen. Ich hatte keine 120.000 Pfund.

„Lassen sie mich Ihnen ein Gegenangebot machen“, sagte ich ruhig und lehnte mich in meinem Stuhl nach vorne. „Ich gebe ihnen ein Pfund dafür.“

Die beiden älteren Herren sahen mich verständnislos und geringschätzig an, als hätte ich gerade angefangen, die Wände mit meiner eigenen Scheiße vollzuschmieren. Ich habe meinen Vorteil versucht zu nutzen bevor sie reagieren konnten: „Sie überschreiben den Pachtvertrag für das Astoria Theater in Brixton für ein Pfund auf mich und ich unterschreibe einen Deal, dass ich zehn Jahre lang nur ihr Bier verkaufe. Wenn ich bis zu 200 Konzerte im Jahr veranstalte, werden einige Liter über die Theke gehen.“

Wenn ich so zurückschaue, war das wahrscheinlich ein ziemlich dreister Schachzug, aber ich war jung, dumm und leidenschaftlich genug, dass es mir egal war. Mein Gedanke war, dass diese Typen von einer Brauerei waren, was bedeutet, dass ihr Geschäft ist, Bier zu verkaufen. Und da das Gebäude leer stand, verkauften sie dort nichts von diesem Bier. Zu meiner eigenen Verwunderung, hatten wir das Geschäft am Ende des Gesprächs per Handschlag besiegelt.

Also bekam ich 1983, ein paar Wochen vor meinem 24. Geburtstag—und ohne jemals ein Konzert in einer Kneipe veranstaltet zu haben—die Schlüssel für das Gebäude überreicht, dass ich in Brixton Academy umbenennen würde.

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Es war ein großes Risiko. Wenn die Sache in die Hose gegangen wäre, hätte ich für Millionen an Reparaturkosten an dem Gebäude aufkommen müssen. Aber ich habe mir nur gedacht: „Scheiß drauf, ich bin sowieso pleite. Sie können mich nicht ausnehmen, wenn ich nichts habe, was sie nehmen können.“ Außerdem wurde ich zu dieser Zeit schon aus jeder großen Londoner Konzerthalle rausgeworfen. Ich wusste, was ein gutes Rock’n’Roll-Konzert ausmachte und war mir sicher, wenn ich das Gebäude bekommen würde, könnte ich die besten Konzerte, die die Stadt je gesehen hat, veranstalten.

Soul II Soul in der Academy

Es hat einige Monate gedauert, bis wir den Laden soweit hatten, dass man überhaupt an ein Konzert denken konnte—zu dieser Zeit waren das nur der Stage-Manager und ich, bewaffnet mit einer Werkzeugkiste und ein paar Pinseln. Aber lose Bodenplatten wieder anzuschrauben und Farbe über die Wände zu pinseln, war nichts im Vergleich zu den Problemen, die uns begegneten, als wir tatsächlich anfingen, Konzerte zu buchen.

In Brixton schwelten 1983 immer noch die Konflikte aus den vorherigen Jahren—die Gegend war übersät mit ausgebrannten Gebäuden und die Rassenkonflikte kochten immer wieder hoch. Niemand wollte etwas von diesem gewalttätigen und ärmlichen Ghetto voller Leute aus der Karibik wissen, also lief die Unterhaltung mit Booking-Agenturen meistens so ab:

„Hi, hier spricht Simon Parkes von der Brixton Academy.“
„Der was?“

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„Der Brixton Academy—das ist ein toller neuer Laden auf der Stockwell Road.“
„Was? Du meinst dieses klapprige, alte Kino?“

„Ja, aber es wurde neu eröffnet. Es ist ein fantastischer Laden mit Platz für 5.000 Leute.“
„Hör zu, Kumpel, ich will dich nicht verarschen, aber du bekommst auf keinen Fall jemals eine Rockband dazu, in Brixton zu spielen. Das ist einfach nicht unsere Gegend.“

Nach mehreren Unterhaltungen wie diesen, dachten wir uns irgendwann nur: „Scheiß auf die. Wenn Brixton nicht die Gegend für diese Leute ist, dann bedienen wir einfach die Leute, die schon hier sind.“ Also haben wir angefangen, Reggae-Shows zu veranstalten, mit Acts wie Eek-A-Mouse, Burning Spear, Dennis Brown und Yellowman. Als wir Fela Kuti aus Lagos eingeflogen haben, hat er 30 von seinen Frauen als Background-Sängerinnen mitgebracht.

Eine von Fela Kutis Background-Tänzerinnen/Frauen

Die Konzerte waren fantastisch, aber mit Reggae-Acts zu tun zu haben, bedeutete auch, Geschäfte auf jamaikanische Art zu erledigen. Das war ein chaotischer und brutaler Lernprozess. Nach unserem zweiten Konzert erwischten wir den Promoter dabei, wie er sich mit einem Beutel voll Geld aus dem Fenster einer Umkleidekabine schleichen wollte. Mein Security-Chef knallte ihn gegen eine Wand, schnappte sich seine Autoschlüssel und schrie: „Wenn du bezahlst, bekommst du dein Auto wieder!“ Am nächsten Tag bezahlte er.

Unser Durchbruch kam mit The Clash. 1984, inmitten der Bergarbeiterstreiks, war der Labour-Politiker, Gewerkschaftler und spätere Gründer der sozialistischen Arbeiterpartei, Arthur Scargill, auf der Suche nach einem Ort, an dem er ein Benefizkonzert für seine Anhänger machen konnte. Die etablierten Läden wie das Hammersmith Odeon trauten sich an so eine Sache nicht heran, aber die Academy war wie dafür gemacht. Wir haben drei Nächte veranstaltet, in denen The Clash für eine ganze Halle wütender und angepisster Bergarbeiter gespielt haben. Es war verdammt großartig.

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Danach wurden wir zu dem Ort für alle möglichen politischen Veranstaltungen und Bands, die sich als ein bisschen kantiger und Anti-Establishment gaben. Bei uns haben Style Council für Nicaragua gespielt, Edwyn Collins hat die Auflösung von Orange Juice bei einem weiteren Bergarbeiter-Benefizkonzert bekanntgegeben und das letzte Konzert von den Smiths war im Rahmen der Artists Against Apartheid-Veranstaltung ebenfalls in der Academy.

Wir waren außerdem der einzige Laden in London, der sich an HipHop herangetraut hat, der gerade aus den Staaten rüber kam. Wir haben chaotische und brillante Konzerte mit den frühen Rapstars veranstaltet, von Schooly D und NWA bis zu Run DMC und Public Enemy.

Jesse Jackson und Flavor Flav vor der Academy

Es war toll, endlich Fortschritte zu machen, aber unser neu entdeckter Erfolg hat uns nicht nur die Aufmerksamkeit von Musikfans eingebracht; die schweren jamaikanischen Gangster, die die Straßen von Brixton regiert haben, haben gesehen, dass es Geld zu verdienen gibt und haben ihre Muskeln spielen lassen.

Ihre übliche Masche war die klassische Inszenierung eines Kampfs, in dem ein paar Fans verprügelt wurden und nachdem ein paar große Jungs zu uns herüberkamen und anboten, „sich um unsere Security zu kümmern“. Ich konnte sie in Schach halten, aber das Ganze hat einige Schlägereien, Schießereien und Tränengasattacken mit sich gezogen.

Ich wurde zwei Mal offiziell unter Polizeischutz gestellt, einmal als ein örtlicher jamaikanischer Einwanderer mich zum Abschuss freigab und das andere Mal, als ich Morddrohungen von aggressiven Neonazis bekam, nachdem ich Anti-Apartheid-Konzerte veranstaltete.

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Einer der ersten legalen Raves in der Academy

1989 schien ganz Großbritannien auf Acid House abzufahren. Den ganzen zweiten „Summer of Love“ lang, machte sich die Polizei lächerlich, da sie es nicht schaffte mit den jungen Leuten, die Pillen nahmen, zu große T-Shirts trugen und auf Äckern tanzten, fertig zu werden. Da kam mir eine Idee.

Ich machte der Polizei ein Angebot: „Ihr habt ein Problem mit illegalen Raves, ich habe die Lösung: sie legal zu machen. Gebt mir die Erlaubnis, die ganze Nacht zu öffnen und die Raver werden die Daily Mail lesende konservative Mittelschicht nicht mehr verängstigen.“

Ich war erneut ziemlich überrascht, als sie zustimmten.

Ich bekam die erste Lizenz Großbritanniens, Partys zu machen, die bis 6 Uhr morgens gehen und somit gab es die ersten legalen Raves in der Academy. Sie waren sofort ein voller Erfolg und es war ein unglaubliches Gefühl, an der Spitze der spannendsten musikalischen Bewegung seit Jahrzehnten zu stehen.

Doch wieder einmal brachte uns der Erfolg die falsche Art von Aufmerksamkeit. Ecstasy wurde in der Academy zu einem Millionengeschäft, also wollten natürlich die großen britischen Kriminellen-Syndikate die Kontrolle darüber. Dies waren keine Jungs aus Brixton, das waren ernsthafte, skrupellose und schwer bewaffnete organisierte Kriminelle. Ich will hier nicht ins Detail gehen, aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, gab es einige Momente im Zusammenhang mit diesen Typen, die ich lieber nicht noch einmal durchleben möchte.

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Sonic Youth Live

Mitten in der Begeisterung der Raver-Jahre, wurden wir auch zum wichtigsten Ort für alle Grunge- und Alternative-Bands, die aus den Staaten rüber kamen. Tatsächlich fanden meine Lieblingskonzerte in der Academy zu dieser Zeit statt—mit Bands wie Pixies, Sonic Youth und Pavement. Trotzdem war das auch die gleiche Zeit, zu der mich Kurt Cobain fast pleite gemacht hätte.

Wir hatten Nirvana für vier ausverkaufte Abende im April 1994 gebucht, die ersten Konzerte ihrer Europa-Tour. Am Morgen des 8. Aprils bekam ich fast einen Herzinfarkt, als ich die Schlagzeile in der Zeitung las—Kurt war tot aufgefunden worden mit einer Kopfschusswunde. Ich war nicht nur ein riesiger Nirvana-Fan, vier abgesagte Konzerte bedeuteten auch 250.000 Pfund Rückerstattung—eine Zahl, die uns ernsthaft den Untergang bescheren konnte.

Inmitten der anschließenden Panik wurde ich am Nachmittag von Zoe Ball für Radio 1 interviewt. Total von der Rolle, habe ich gesagt: „Es ist wirklich außergewöhnlich—uns rufen Nirvana-Fans aus der ganzen Welt an und versuchen Tickets für diese Konzerte zu kaufen. Leute aus den USA und Japan haben uns über 100 Pfund für Nirvana-Tickets geboten, als Teil der Geschichte.“

Ich weiß nicht warum, aber diese ausgedachte Geschichte wurde von den Nachrichtensendungen aufgeschnappt. Auf einmal gab es tatsächlich Leute, die aus der ganzen Welt angerufen haben und Tickets für „das Konzert, das Kurt nie gespielt hat“ kaufen wollten. Wir mussten sogar extra Leute einstellen, die den ganzen Telefonverkehr bewältigt haben. Am Ende haben nur etwa 20 Prozent der Leute ihre Tickets zurück gegeben, die wir dann sofort für bis zu 200 Pfund wieder verkauft haben.

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Mein Gespür für diesen Moment hat uns davor bewahrt, sofort pleite zu gehen, aber der Tod von Kurt hatte andere Kettenreaktionen zur Folge, die mich letztendlich dazu brachten meine Anteile zu verkaufen und die Academy zu verlassen.

Aber um diese blutigen Details zu erfahren, müsst ihr das Buch kaufen.

Live At the Brixton Academy von Simon Parkes und JS Rafaeli, herausgegeben von Serpent’s Tail, ist ab jetzt verfügbar.

Sieh dir mehr von Justins Fotos auf justinthomasphotography.co.uk an.

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