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You Need to Hear This

Bangladeschs Underground-Techno ist anders als ihr denkt

Wie man in einem Land ohne Clubs und Nachtleben elektronische Musik macht.

Fotos: Max Theßeling

So etwas wie Nachtleben existiert bei uns nicht. Aber das soll nicht der Grund sein, dass elektronische Musik hier in Bangladesch nicht wachsen und gedeihen kann. Wir sind ein sehr armes Land und leben in einem Melting Pot aus den verschiedensten Kulturen und Religionen. Da die meisten der über 160 Millionen Einwohner unseres Landes Muslime sind, ist Alkohol gesetzlich verboten. Auch die Nacht an sich ist eine eher verpönte Zeit in Bangladesch. Elektronische Musik wurde bis vor kurzem im Zusammenhang mit diesem Kontext schnell als etwas Schlechtes abgestempelt. Da es keine Clubs gibt, finden die Konzerte meistens in irgendwelchen Gebäuden, Lounges oder sogenannten „Ausländerclubs" statt, die dann einmalig in eine Art Club verwandelt werden. Das alles ist nur unter strengster Geheimhaltung und Bestechung der Polizeibeamten möglich. Falls keine ausreichende Summe an die Behörden gezahlt wird, kommt es oft vor, dass solche Club-Abende von der Polizei gestört und beendet werden.

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Das bedeutet aber nicht, dass es keine Möglichkeiten gibt, zu feiern und Alkohol zu konsumieren—nur sind diese eben nicht besonders lukrativ. Auch wenn es dem öffentlichen Auge verschlossen bleibt, gibt es mittlerweile circa 60 Bars, in denen man theoretisch legal trinken kann. Wir haben seit kurzem eine sehr komische „drinking license", mit der du in Bars trinken darfst—aber die hat sich bisher kaum durchgesetzt. Wie bei den Partys, ist es eigentlich nur durch Bestechung möglich, in die Bars zu kommen. Für 20 oder 30 Euro lassen sie dich meistens rein.

Ich persönlich habe kein Problem mit Alkohol, will aber nicht, dass sich die Elektro-Szene so stark um Alkohol herum entwickelt—auch wenn es sehr lukrativ wäre. Marihuana ist sehr billig in Bangladesch und auch Drogen wie Heroin sind nichts Ungewöhnliches. Die jüngeren Leute hier nehmen oft Methamphetamin, das ist wie eine Epidemie. Etwas, das viele nicht wissen und wirklich befremdlich ist, ist die Tatsache, dass die Regierung von Bangladesch eine eigene Alkohol-Brennerei besitzt, sie heißt Carrew's.

Viele Partys—oder sagen wir Konzerte—finden in 5-Sterne Hotels statt. Dort gibt es ein paar DJs, die regelmäßig von den Hotelbesitzern gebucht werden, und für die Leute spielen. Ich persönlich halte nichts von diesem Konzept, denn es ist bitter und ironisch, in einem so überteuerten Hotel zu spielen, und das in einem Land wie unserem. Es hängen außerdem immer dieselben Leute dort herum und spielen dieselbe Musik, das ist langweilig und meiner Meinung nach ein großes Manko in diesem Konzept.

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Deshalb rief ich vor zwei Jahren die Dhaka Electronica Scene ins Leben—ein internationales Netzwerk für lokale DJs und Produzenten aus der Hauptstadt von Bangladesch Dhaka.

Alles begann mit einem Gespräch und der Gründung einer Facebook-Gruppe. Die Idee kam mir, als Omer Nashaad, ein Freund von mir, ein Lied postete. Ohne große Erwartungen erstellten wir eine Gruppe mit den paar Bekannten, von denen wir wussten, dass sie musikinteressiert sind. Aber mich ließ der Gedanke nicht los, dass es doch mehr Leute in Dhaka geben muss, die gute elektronische Musik machen und hören wollen. Ich verbrachte Stunden damit, sie zu suchen und stöberte nächtelang auf Soundcloud-Profilen umher. Wenn ich wieder jemanden fand, der mir passend erschien, lud ich ihn einfach in die Gruppe ein.

Jetzt, zwei Jahre später, sind wir ein Team aus 75 Produzenten, DJs, ein paar Grafikdesignern und Fotografen. Wir haben das alles aus dem Nichts herausgestampft. Omer und ich sind die Initiatoren dieser neuen Bewegung in Bangladesch—einer Szene für elektronische Musik. Dhaka Electronica Scene ist eine Gemeinschaft und viel wichtiger noch, eine Plattform für Talente in der elektronischen Musik.

Meine Aufgaben neben der Produktion ist in erster Linie die Kommunikation. Omer ist für die Live-Performances und die Technik zuständig. Aus einer virtuellen Community ist eine reale Gemeinschaft geworden. Wir lernen alle voneinander, denn die meisten von uns (mich inbegriffen) sind keine professionellen DJs und haben bisher wenig mit Synthesizern und Drumcomputern zu tun gehabt. Es ist ein Do-it-Yourself-Projekt und wir werden von Tag zu Tag besser. Das Beste daran ist, wie unterschiedlich die Musik der Leute bei uns ist.

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Es gibt jeweils ein paar Produzenten und DJs, die Trance, Dubstep, Synth-Pop, Ambient, House oder Technotronic auflegen. Vor ein paar Monaten haben wir sogar unsere erste Compilation Explorations veröffentlicht, die es auf iTunes zu kaufen gibt. Und eine zweite folgt hoffentlich in ein paar Wochen. Fahad Zaman erreichte durch seinem Track „Mongrel“ ziemlich große Bekanntheit in Dhaka. Dann gibt es noch Don Orcun, Farzan Hassan und Omer Nashaad, die hier bei uns als DJs allmählich immer bekannter werden.

Und natürlich mich, Khan Mohammad Faisal aka The B Regiment. Ich bin der erste DJ, der auf MTV Bangladesch gespielt wird. Ich bin 26 Jahre alt und mache gerade meinen Abschluss in Business Marketing. Auch wenn sich zum Glück immer mehr junge Menschen für einen Bildungsweg an einer Universität entscheiden, haben diese leider nicht unbedingt immer die besten Ausbildungsmöglichkeiten. Aber es ist ein Anfang. Ich schreibe außerdem als freier Mitarbeiter für Border Movement, ein Netzwerk für Künstler in Südasien und Deutschland, die elektronische Musik machen. Vor allem die Verbindung zu Berlin ist sehr wichtig und vorbildhaft für uns.

Was die Zukunft angeht, klinge ich hoffentlich nicht zu naiv und idealistisch, wenn ich hoffe, dass Künstler aus Bangladesch auch bald internationalen Erfolg haben werden. Wir veröffentlichen unsere Musik weiterhin über die Dhaka Electronica Scene und versuchen sie den Menschen hier in Bangladesch mit der Zeit etwas näher zu bringen. Wir haben gelernt, dass es sehr gut klappt, wenn wir Elemente aus Völkstänzen oder kulturell angesehene Zitate in die Musik miteinbauen. Dann können sich die Leute besser identifizieren und wissen auch, wie man sich dazu am besten bewegt. Mit Rock und Metal hat es ja auch geklappt. Frauen und Männer dürfen mittlerweile sogar gemeinsam auf Rock-Konzerte gehen.

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Unser Fotograf Max hat Khan auf einer Reise nach Bangladesch kennengelernt. Checkt seine Hompage für mehr Fotos.

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