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Interviews

Said will cooles Geld verdienen

Said hat schon viel Scheiße erlebt, von seiner schweren Kindheit über Drogen bis hin zum Knast, aber mit dem neuen Album geht es auf zu neuen Ufern.

Said hat eine bewegte Vergangenheit. Sein Vater kam früh ins Gefängnis und wurde nach seiner Entlassung zurück nach Syrien abgeschoben. Doch der Vater wollte nicht ohne seinen Sohn dorthin zurück, also hat er Said mitgenommen und dieser verbrachte erst mal ein Jahr in Syrien, bevor es seine Mutter geschafft hat, ihn wieder zurück nach Deutschland zu holen.

Das Gespräch ist sehr entspannt, Said redet gerne über seine Vergangenheit, auch über die schweren Zeiten spricht er locker. Selbst als der Tod seiner Mutter zur Sprache kommt, wirkt er sehr reflektiert. Man merkt im Gespräch aber auch sofort, dass Said ein Meister des Verdrängens ist und das gesteht er sich auch ein.

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Aus der Lockerheit des Gespräches heraus erzählt er ziemlich detailgenau, wie er Drogen bei einem Kumpel bunkerte, diesen für seine Lagerdienste bazahlt hat, der Kumpel später an die Vorräte geht und sie an die falschen Leute verkauft. Sollte man ins Drogengeschäft einsteigen wollen, hat man das Verlangen Said als Berater an seine Seite zu holen. Doch seine Zeiten des Pack verticken sind vorbei. Er widmet sich der Musik und hat im Spätsommer sein zweites Soloalbum veröffentlicht. Zum Leben Verurteilt zeigt einen etwas anderen Said, klar die Vergangenheit, die ihn geprägt hat, spielt auch hier eine Rolle, aber das Album klingt eher nach auf zu neuen Ufern und den alten Scheiß hinter sich lassen.

Noisey: Deinen ersten Tonträger hast du bei Aggro Berlin veröffentlicht. Wie war das zu der Zeit für dich auf so einem erfolgreichen Label zu veröffentlichen, hast du zu den Jungs aufgeschaut?
Said: Aufgeschaut würde ich so nicht sagen, der Kontakt war halt schon da. Die Jungs haben immer Gras bei mir gekauft, also musste ich da sowieso öfter vorbei. Ich wollte da aber schon gerne hin, weil ich dachte, dass die Jungs auch von der Straße kommen und wir uns auf einer Ebene begegnen.

Hast du denn Deutsch-Rap und im speziellen Aggro Berlin damals verfolgt?
Seit Sidos „Mein Block” bist du ja gar nicht drum herumgekommen. Aber Kalusha und ich haben ja in einem meiner ersten Songs sogar Sido gedisst. Darum war das mit dem Aufschauen auch nicht mehr so der Fall. Die Leute waren in meiner Welt nicht so „top”, aber in der Rapwelt haben die wunderbar funktioniert. Aber um auf die Frage zurück zukommen, habe ich mich seit Harris mit Deutsch-Rap auseinandergesetzt. Harris hat mich mit aufs Splash! genommen, ich habe das aber auch nicht sonderlich ernst genommen. Das waren für mich einfach nur Typen in zu großen Hosen und zu großen T-Shirts. Das war einfach nicht meine Welt, ich habe zu der Zeit Carlo Colucci getragen.

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Findest du es im Nachhinein betrachtet schade, dass du es damals nicht so ernst genommen hast?
Was heißt ernst genommen, ich wäre ja trotzdem scheiße gewesen. Ich war damals einfach nicht gut genug. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, ich will den Erfolg jetzt.

Dein Vater war im Gefängnis und du bist auch im Gefängnis gelandet. Kann man sagen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm?
Ja klar! Mein Vater ist zu einer ganz anderen Zeit hier angekommen. Die meisten sind damals aus irgendwelchen Dörfern gekommen und landeten dann in so einer Großstadt, das war alles viel zu viel für die. Mein Vater hatte auch noch diese dörfliche Einstellung, ich bin mir sicher, dass er sich nach der Hochzeit mit meiner Mutte gewünscht hätte, dass sie ein Kopftuch trägt. Er hat mir zu dieser Zeit natürlich sehr gefehlt. Es war einfach keiner da, der mich gefördert hat, zum Beispiel beim Sport.

Als dein Vater aus dem Knast gekommen ist, hat er dich nach Syrien entführt, wie alt warst du damals und was hast du davon mitbekommen?
Ich kann es dir gar nicht genau sagen, wie alt ich da war. Ich habe meine Mutter auch nie gefragt. Ich muss so vier oder fünf gewesen sein. Er wurde dann abgeschoben und wollte mich unbedingt bei sich haben. Ich bin sein erster Sohn, für die Araber ist das was sehr Besonderes.

Mit 13 bist du weg von Zuhause, weil du ein schwieriges Verhältnis zu deiner Oma hattest. Hast du nie was vermisst und wolltest zurück?
Doch, Alter, und obwohl ich kein gutes Verhältnis zu meiner Oma hatte, habe ich immer das Gefühl, ihr was beweisen zu müssen. Mein Traum war es immer, nach Hause zu kommen und 10.000 Mark auf den Tisch zu legen. Später als ich Drogen verkauft habe, habe ich dann angefangen, bei meiner Mutter das Geld zu bunkern. Aber dieses Gefühl, welches ich mir damals mit den 10.000 Mark erträumt hatte, war einfach nicht da. Ich wollte, dass Mama stolz auf mich ist.

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Was glaubst du, warum dieses Gefühl nicht eingetreten ist, weil du das Geld mit Drogen gemacht hast?
Natürlich ist das Geld nicht so cooles Geld, wie wenn du es hart auf dem Bau erarbeitet hast. Aber das Gefühl war einfach nur weg und irgendwie war mir das dann nicht mehr wichtig. Ich habe dann meinen Bruder, meinen besten Freund, kennengelernt und alles, was ich an Feedback gebraucht habe, habe ich mir von ihm geholt.

Deine Mutter ist mittlerweile verstorben, hast du noch mal mit ihr zusammengefunden und Frieden geschlossen?
Ja, kurz vor ihrem Tod. Das war ein großer Zufall, meine Mutter hatte ja keine Krankheit, so dass abzusehen war, dass sie stirbt. Sie ist an einem Herzinfarkt gestorben, ohne Vorboten, und eine Woche vor ihrem Tod haben wir uns ausgesprochen. Das war natürlich auch scheiße, da hast du gerade wieder ein cooles Verhältnis mit deiner Mutter und dann stirbt sie dir weg. Manchmal lebe ich lieber mit dem Frust und ich weiß nicht, ob das besser oder schlechter ist. Ich war bis heute nicht einmal an ihrem Grab.

Wenn du deine Kindheit heute reflektierst, hast du schon ein Rezept gefunden, wie du mit deinen Kindern umgehen würdest?
Nein, deswegen habe ich auch noch keine. Ich habe gemerkt, wenn du Eltern hast, die eine schlimme Kindheit hatten und Probleme mit sich rumschleppen, geben sie diese meistens an ihre Kinder weiter, wenn es nur irgendwelche kleinen Ticks sind. Ich wurde zum Beispiel viel mit Nichtbeachtung gestraft und ich mache das heute auch so. Wenn du Scheiße gebaut hast, kannst du neben mir sitzen und ich rede einfach nicht mit dir, und dann fällt mir auf „Tschüss, du bist ja genau so wie Oma”.

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Hast du in deiner Zeit im Knast etwas gelernt?
Was kann man da schon großartig lernen, mit kleinsten Mitteln auf kleinstem Raum auskommen. Die Beamten kennen natürlich schon fast jeden Trick und du überlegst dir nur, wo verstecke ich meine Sachen. Natürlich lernt man Dinge zu schätzen, Kleinigkeiten, wie dir dein Essen selbst auszusuchen, deinen Arzt selber aussuchen und was Freiheit einfach bedeutet.

Wer noch mehr über das Leben von Said erfahren will, dem sei dieses vierteilige Doku ans Herz gelegt.

Das Album von Said Zum Leben Verurteilt könnt ihr hier bestellen.

Sascha auf Twitter @DeutscheWorte

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