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Interviews

Morlockk Dilemma ist der Zeuge Jehovas des Rap

Diverse Kräfte haben sich gegen unser Vorhaben, Morlockk Dilemma zu interviewen verschworen. Irgendwann hat es dann doch noch geklappt.

Foto: Aljoscha Redenius

Die Geschichte dieses Interviews ist eine Geschichte voller Schmerz, Wut und Selbsthass. Eigentlich hatten wir uns schon vor einigen Monaten mit Morlockk Dilemma hingesetzt und ein wahnsinnig großartiges Gespräch über rohe Gewalt, medium gebratenes Fleisch und Schusswaffen geführt. Aus Gründen, die nur das Smartphone der verantwortlichen Redakteurin beantworten kann („Why? Fuck you, that’s why.“), wurde dieses Interview dann zwar in Gänze aufgezeichnet, ließ sich aber nicht abspielen. Kein Problem, dachten wir uns, machen wir das Ganze eben noch mal und was sollen wir sagen… fast fünf Monate später, hat es dann auch tatsächlich geklappt. In lauschiger Atmosphäre und mit jeder Menge Zigaretten. Am Hermannplatz. Wie die Zeit vergeht, wenn man Spaß hat.

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Noisey: Du bist ja ausgebildeter Journalist…
Morlockk Dilemma: Das klingt so hochtrabend!

Ist es für einen dann noch mal eine komplett andere Situation, dass du quasi diesen journalistischen Background hast, aber trotzdem auf der anderen Seite sitzt und die Fragen beantwortest?
Schon. Es ist lustig. Gelegentlich merkt man, wenn so—in Anführungsstrichen—„investigative“, oder vermeintlich investigative Zeitgenossen vor einem sitzen und versuchen wollen, einem rhetorische Fallen zu stellen. Wenn man das mitbekommt, kann man die dann ausparieren. Das finde ich ganz interessant, aber ansonsten ist es einfach eine andere Sache. In dem Fall lasse ich Fragen auf mich zukommen, versuche die zu beantworten und wenn man auf der anderen Seite steht, ist es einfach eine völlig andere Arbeitsweise. Ich bin einfach nur Interviewpartner, Künstler, Gast und versuche die Fragen zu beantworten.

Was meinen Background angeht, war es ja auch nie mein großes Ziel, als Journalist Karriere zu machen. Musik war immer die Leidenschaft und ich habe mir halt gesagt: Ok, pass auf, du brauchst da natürlich auch ein zweites Standbein. Einfach, um nicht von der Musik abhängig zu sein. Um nicht sagen zu müssen: Ich muss jetzt größer denken, um den Kühlschrank voll zu bekommen oder mir Sachen leisten zu können. Einfach, um nicht in so eine Abhängigkeit reinzukommen und bin da eigentlich auch ganz gut mit gefahren. Ich habe eh geschrieben und Journalismus war dann einfach so eine Sache, die sich angeboten hat.

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So richtig viel Geld ist im Journalismus eh nicht drin.
Wenn ich meine Berufswahl von rein karriereristischen Gründen abhängig gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht Journalistik gemacht, sondern BWL oder IT oder irgendwas, wo man Geld verdient.

Apropos Geld verdienen. Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, hattest du mir erzählt, dass Hiob und du gerade an einem neuen Projekt arbeiten.
Genau. Das ist quasi der dritte Teil unserer Kollabo-Reihe. Das Album nennt sich Kapitalismus Jetzt und knüpft schon an dem Album davor an, Apokalypse Jetzt, bloß mit anderen Vorzeichen. Platt gesprochen, geht es tatsächlich um das Abfeiern unseres kapitalistischen Treibens—natürlich immer mit einem Augenzwinkern. Ich will gar nicht so viel vorweg sagen, aber da sitzen wir gerade dran. Der Name sagt’s schon, das wird alles ein bisschen Halli Galli-mäßiger und wird dann im Frühjahr 2014 rauskommen.

Also wenn man das jetzt rein an den Titeln eures Kollabo-Projekts festmacht, dann hat die Apokalypse stattgefunden und alle rasten aus und ergeben sich dem schnöden Mammon.
Es ist so ein bisschen zwiespältig. Auf der einen Seite könnte man sagen dass die Apokalypse gekommen ist, wobei wir sie ja auf dem Album selber herbeirufen ohne dass sie tatsächlich stattfindet.

Wie die Zeugen Jehovas.
Ja so ein bisschen, ne? Auf der anderen Seite haben wir dann ja noch mal so eine EP gemacht, wo wir das Apokalypse-Thema abschließen und sagen: Die Apokalypse ist jetzt gekommen und es hat sich aber gar nichts geändert, weil alle, die die Welt jetzt wieder aufbauen, auch Despoten werden und es genauso von vorne wieder losgeht. Ein Stück weit setzen wir da jetzt auch an, aber so richtig ist sie dann doch nicht gekommen und wir warten eigentlich darauf, dass der große Knall kommt, der dann wahrscheinlich die kapitalistische Apokalypse wäre. Bis dahin lassen wir es noch mal richtig krachen und feiern uns selbst und nehmen ein Schaumwein-Bad, so lange die EC-Automaten noch Geld ausspucken. So lässt sich das glaube ich zusammenfassen.

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Der Begriff der Apokalypse wird ja immer ganz gerne genutzt, egal in welchem Medium. Was wäre denn für die jetzige Gesellschaft ein realistisches apokalyptisches Szenario?
Die Bankenkrise war ja schon eine relativ reale Geschichte. Dass—wann war das? 2008 oder so?—von heute auf morgen plötzlich kein Geld mehr aus dem Automaten kommt und die Wirtschaft einfach stillsteht. Eine Welt, die auf ständigen Wachstum gebürstet ist und dann steht genau der plötzlich still—ich kann mir nicht vorstellen, was genau dann passiert, aber es wird auf jeden Fall etwas Ungutes sein.

Ich habe kürzlich einen Comic gelesen, Crossed, der ein postapokalyptisches Szenario beschreibt, in dem sich der Großteil der Menschheit seinen animalischen Trieben hingibt und es für die „normalen“ Menschen darum geht, einfach nur zu überleben. Die Hauptfigur ist ein Journalist, der sich und seine Zunft als die nutzloseste Art Mensch beschreibt, weil in so einer Welt niemand mehr Geschichten lesen möchte…
Superman war doch in seiner bürgerlichen Identität auch Journalist und Peter Parker Presse-Fotograf. Vielleicht ist das der Grund, warum sie Superhelden geworden sind. Dass sie den ganzen Tag in der Redaktion oder der Agentur saßen und sich nach Feierabend dachten „Jetzt will ich aber zumindest noch die Welt retten.“

Welchem Superheld fühlst du dich von seinem Charakter und seinen Kräften her am nächsten?
Das ist ziemlich schwer zu beantworten, weil es Tage gibt, an denen ich aufstehe und mich so fühle, als hätte ich genug Energie um die ganze Welt zu retten. Manchmal will ich aber auch einfach nur alles zerstören. Das würde dann wahrscheinlich ziemlich viele Superhelden und Bösewichte abdecken. Lobo finde ich ziemlich gut. Der ist so eine Art randalierender Weltraum-Hooligan. Aber eigentlich ist ja schon Morlockk Dilemma eine Art Superheld, der die Welt mit seiner Musik verzaubert und ansonsten zu tief ins Glas guckt.

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Hattest du mal überlegt, so wie DMC und Ghostface Killah das glaube ich schon gemacht haben, einen eigenen Comic in Auftrag zu geben?
Wir haben ja schon immer mal mit so Comic-Elementen gearbeitet und ich könnte mir das tatsächlich vorstellen. Früher, so mit 12, 13, habe ich auch selbst mal einen Comic gemalt. Es ging um einen Detektiv, Mc Müller, der immer eher aus Versehen seine Fälle löst. Mein Problem war aber, dass ich schon weit über 400 Seiten hatte, aber nie zum Punkt gekommen bin. Das ist die große Kunst beim Comic-Zeichnen, dass man zwar eine größere Story haben kann, die aber trotzdem in mehrere kleinere Geschichten packen muss, die nach 30, 40 Seiten zu einem Ende kommt. Ich weiß auch gar nicht, wo diese ganzen alten Sachen jetzt sind. Was ich aber für die Zukunft plane ist, Morlockk Dilemma-Actionfiguren zu vertreiben.

Ach was? Ernsthaft?
Ja. Ich kann da jetzt noch nicht so wahnsinnig viel zu sagen, aber ich habe da so eine China-Connection, wo auch die ganzen Figuren für Marvel und DC hergestellt werden, und da gucke ich mir gerade die Möglichkeiten an. Ich will jetzt nicht 40.000 Stück oder so herstellen lassen, aber es soll sich schon für mich lohnen und die kleine Klientel, die ich mit meiner Musik erreiche, abdecken.

Letzte Frage und dann bist du entlassen: Es ist die Zombieapokalypse. Welche Waffe wählst du?
Das ist eine gute Frage. Das muss irgendetwas Martialisches sein, mit dem man die so richtig weghaut. Ich glaube bei „From Disk Till Dawn“ hatten die so eine unfassbare Waffe, wo sie vorne auf einen Presslufthammer einen Holzpflock montiert haben. So was würde ich nehmen. Oder einen Flammenwerfer.

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