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Interviews

Noah Kin heult nicht rum

Auch ich heule nicht rum, weswegen mich finnische Bands nie interessiert haben—bis der junge Rapper Noah Kin auftauchte.

Ich muss zugeben, dass ich kein ausgewiesener Experte von finnischer Musik bin. Ich kenne HIM, Sunrise Avenue, The Rasmus und Lordi, aber ich mag mein Leben und deswegen haben mich diese Bands nie wirklich interessiert. Was mich aber schon immer interessiert hat, war Rap. Vor allem guter Rap, und genau so einen macht Noah Kin. Wir sind auf den 19-Jährigen durch seine beiden Songs „822“ und „You Never Asked“ gestoßen. Das eine ist ein wummendes Trap-Geschoss, das andere eine Cloud-Rap-Träumerei mit infektiöser Hook von Noah höchstpersönlich und das alles selbst produziert. Wenn uns unser Ralf-Siegelscher Riecher nicht völlig in die Irre führt, dann wird aus diesem schmächtigen Kerlchen irgendwann mal ein ganz Großer.

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Wir haben uns in Berlin mit ihm getroffen und darüber gesprochen, warum er auf Englisch rappt und in Finnland alle so depressive Musik machen.

Noisey: Leider steht im Internet noch nicht so viel über dich, deswegen habe ich versucht, die finnische Wikipedia-Seite über dich zu entschlüsseln. Ich bin soweit ganz gut durchgekommen, bis auf den letzten Satz: „Noah Kin on opiskellut Helsingin medialukiossa“. Was bedeutet das?
Noah Kin: (lacht) Es bedeutet: Noah Kin ist zur Medienschule in Helsinki gegangen. Ich weiß aber auch nicht, woher die das wissen.

Den meisten Leuten in Deutschland wirst du wahrscheinlich nichts sagen. Kannst mal erklären, was du für eine Musik machst?
Es ist schwer das zu beschreiben, aber ich mache HipHop mit einem sehr melodischen und persönlichen Touch. Es ist ziemlich vage, weil ich immer neue Sachen ausprobiere und mich weiterentwickeln möchte.

Aber deine Raps basieren schon auf Elektro-Beats.
Stimmt, eigentlich basiert alles auf elektronischem Sound. Aber es gibt immer wieder sehr organische Samples in meiner Musik. Ich kann aber auch nicht sagen, dass meine Musik das ist, was andere als HipHop bezeichnen, es ist eher elektronische Musik mit Rap.

Produzierst du die Songs selber?
Ja, das Meiste. Mein nächstes Album produziere ich gerade mit meinem Executive Producer Markku. Oft ist es so, dass ich zuhause einen Song oder Beat anfange und wir im Studio gucken, ob man damit was anfangen kann. Wenn ja, dann produzieren wir die Songs aus.

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Warum rappst auf Englisch?
Ich bin Halb-Nigerianer und Halb-Finne. Mein Vater hat zuhause bei uns Englisch gesprochen und ich bin zu einer englischen Grundschule gegangen. Aber es ist komisch, weil wir dort britisches Englisch gelernt haben und ich eher amerikanisch spreche. Aber ich schätze, das kommt durch Filme und Musik.

War es, als du anfingst zu rappen, eine Entscheidung für Englisch oder eine Entscheidung gegen Finnisch?
Es war eher eine Entscheidung für Englisch. Als ich anfing zu rappen, habe ich zwar finnischen Rap gehasst, aber als ich dann aufgewachsen bin, fing ich an, es immer mehr zu mögen und habe realisiert, dass ich auch ein Teil der finnischen Rap-Szene bin.

Was mochtest du am finnischen Rap nicht?
Es hat sich einfach sehr steif angehört im Vergleich zum Englischen. Ich wollte nicht einfach versteift über Beats rappen. Englisch hat sich für mich natürlich angefühlt, weil das die Sprache war, die ich zuhause und in der Schule gesprochen habe. Einige Leute haben mir geraten, auf Finnisch zu rappen, aber ich habe immer an das geglaubt, was ich machen wollte.

Nichts gegen finnischen Rap, aber wir würden dieses Interview wahrscheinlich nicht führen, wenn du nicht auf Englisch rappen würdest. War der internationale Aspekt auch Teil deiner Überlegungen?
Nein, ich habe mit Musik angefangen, die sich richtig für mich anfühlt und so ist es heute immer noch. Aber es stimmt, vor zwei Monaten war ich zum ersten Mal in Berlin und jetzt mache ich eine Show hier. Es ist aber nicht so, dass ich das geplant hätte. Ich wollte nur das machen, was ich liebe und kann.

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Erzähl mir ein bisschen von deinen Einflüssen. Du sagst, du mochtest keinen finnischen Rap, also gehe ich mal davon aus, dass du amerikanische Vorbilder hattest?
Genau, Kanye vor allem. Bei Jay-Z und Nas die Debütalben. Damals waren das für mich Legenden. Und natürlich Snoop Dogg mit Doggystyle. Das war ein sehr interessantes Album. (lacht)

Du produzierst und rappst selber. Hast du einen Rapper/Produzenten-Vorbild?
Kanye West wird für mich natürlich immer die Nummer Eins bleiben. Alles was er macht, finde ich großartig. Es gibt nicht viele, die das über eine längere Zeit machen. Viele machen Beats und entscheiden sich, auf einem Album zu rappen und lassen es danach wieder sein.

Du hast dein Video „You Never Asked“ in Berlin gedreht. Wie ist es dazu gekommen?
Die Idee kam von dem Videoproduzenten von Cocoa, dem Label, bei dem ich gesignt bin, und er sagte: Wir drehen dein Video in Berlin und du skatest oben ohne. Ich meinte zu ihm, dass das eine schreckliche Idee ist.

Warum das?
Weil es komisch ist, in einer Stadt, in der ich noch nie in meinem Leben war, halbnackt zu skaten. Ich dachte, das würde überhaupt nicht funktionieren, aber alles ist gut geworden.

Ich glaube nicht, dass dich hier einer dafür dumm angucken würde.
Wenn das in Finnland einer machen würde, dann würde er für verrückt erklärt werden.

Weil es bei euch auch arschkalt ist.
(lacht) Nur im Winter.

Worüber rappst du?
Einfach über die Dinge, die ich jeden Tag sehe. Ich glaube, die Musik, die die Leute am meisten berührt, ist die persönlichste für den Künstler selbst. Ich finde es interessant, wie man nur mit Wörtern und Melodien Menschen bewegen und zum Weinen bringen kann. Deswegen ist es mich wichtig, dass zu sagen, was ich wirklich fühle.

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Woher kommt dein Faible für Gesangspassagen?
Ich habe als Kind viel gesungen. Dann ist irgendwann Rap dazugekommen. Als ich mit zwölf meine ersten Songs geschrieben und gesungen habe, ist mir aufgefallen, dass R’n’B-Sänger singen, aber ich habe mich als Rapper gefühlt und Rapper singen nicht. Als ich dann mein erstes Album aufnahm, realisierte ich, dass es egal ist, ob ich rappe oder singe, weil es um den Song geht.

Mittlerweile ist diese strikte Trennung ja auch veraltet.
Es ist interessant, wenn man drüber nachdenkt, wie in der Anfangsphase von Rap jeder versucht hat, hart zu sein und heutzutage heult Drake über Schwachsinn auf seinen Songs rum. (lacht)

Heulst du in deinen Songs auch rum?
Ich bin zwar ein etwas verbitterter Mensch, aber ich heule nicht rum. Ich versuche eher das Problem zu benennen und zu sagen: Okay, das ist passiert und hier sind wir jetzt.

Kommt diese Verbitterung daher, weil Finnland ein ziemlich rauer Ort ist?
Der Winter ist echt hart, er dauert ein halbes Jahr und es ist immer dunkel draußen. Aber nicht jede Musik, die aus Finnland kommt ist deshalb depressiv. Finnischer Rap ist aber ziemlich depressiv. Es geht immer darum, dass man sich über Dinge ausheult und man nicht weiß, was man mit seinem Leben anstellen soll. Und die Leute trinken in Finnland sehr gerne. Ich glaube nicht, dass das wirklich hilft.

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