Mein Musikjahr 2016: Benji

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Mein Musikjahr 2016: Benji

Der Text für alle Frank-Ocean-Liebhaber.

Mein persönliches 2016 lässt sich gut mit dem weltlichen 2016 vergleichen. Viel Veränderung, viel Scheiße und ein Selbstfindungstrip, der wahrscheinlich nicht vor dem kalendarischen Jahreswechsel Halt macht. Ich erspar euch die Details, aber von den guten Sachen erzähl ich gerne: Noisey ist seit April mein Arbeitgeber, ich hab mein erstes Hausverbot in der Dorfdisko meines Heimatortes, ich war zum ersten Mal in Island und im Sommer hab ich mich von meinem Manbun verabschiedet (RIP, Bruda. Aber ich vermiss dich nicht wirklich). Bevor ich hier allzu emotional werde (überhaupt nicht männlich), gehe ich lieber über zur Musik, weil da kenn ich mich so halbwegs aus.

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Nur, sich am Ende des Jahres an die Sachen zu erinnern, die in den Anfangsmonaten des Jahres passiert sind, ist für mich ungefähr genau so schwer wie für alle anderen Bestenlistenschreiber, die dann immer irgendwelche aufgehypten Alben an die vorderen Plätze vergeben, weil sie gerade erst rausgekommen sind, aber noch nicht abgehört wurden. Jede Liste, die Starboy anführt, könnt ihr sofort diskreditieren. Ich hätte ja auch gern, dass The Weeknds neues Album besser geworden wäre, aber machen wir uns nichts vor: Es ist schrecklich fad. Ich hab mir darum in weiser Voraussicht letzten Jänner eine Evernote-Notiz angelegt, damit ich für den jetzigen Moment bereit bin.

Konsequent wie ich bin, finde ich dort heute genau zwei Einträge: David Bowie tot. Alan Rickman tot. Ich lass jetzt die restlichen Tragödien dieses barbarischen Jahres aus. Es sind ja auch genug gute Sachen passiert wie die Verhinderung eines nationalistischen Bundespräsidenten. 'Member that? Aber auch in der Musik gab's ein paar Momente, die für sowas wie einen Ausgleich sorgten. Darum erstmal alles, was mich vergessen lässt, wie sehr wir alle trauern mussten. Die negativen Sachen kommen zum Schluss hin, damit ihr auch mit einem angemessenem Gefühl aus diesem Artikel rausgeht.

Pro 2016

Anderson.Paak

Mit Sicherheit Anwärter für hardest working man in the business in diesem Jahr. Der Typ hat nicht nur mit Malibu ein Album hingeknallt, das ich aus persönlichen Gründen zwar nicht mehr hören kann, bis es soweit war, aber oft genug durchlaufen ließ, dass ich es von vorne bis hinten auswendig kann. Das Nebenprojekt NxWorries, das er mit Knxwledge startete, hat mich hingegen nicht so umgehauen. Ein bisschen traurig macht mich das schon, aber jeder der tausend anderen Tracks, auf denen er heuer gefeatured wurde, erinnert mich daran, wie sehr ich diese leicht heisere Stimme liebe. Wenn ich jetzt noch vergessen könnte, dass ich nicht zum Auftritt ins Porgy & Bess gegangen bin.

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Crack Ignaz & Wandl

Crack Ignaz hat für mich die ärgste VerWANDLung (Oida. Wow) durchgemacht. Zwischen den zwei Konzerten, bei denen ich bisher von ihm war—einmal beim unendlich heißen und unendlich beschissenem Auftritt beim Popfest 2015 und einmal vor kurzem erst in der Arena beim Release seines neuen Mixtapes Marmeladé—, liegen Welten. Vom Typen, der halt auf der Bühne steht und nicht so recht weiß, was er macht, hat er sich für mich zum Helden der ganzen sadboys entwickelt. Kirsch hab ich damals leider nicht mitbekommen, aber seit Geld Leben bin ich dabei und versteh, warum auch die Deutschen den feschesten Rapper Österreichs auf Rapmagazin-Cover drucken. Nachdem Wandl im Frühjahr sein eigenes Ding rausbringt, müssen die zwei wieder gemeinsam was machen. MÜSSEN.

King Gizzard And The Lizard Wizard

Hauptsächlich auf dieser Liste für den besten Bandnamen nach We Were Promised Jetpacks, aber auch für ihr Album Nonagon Infinity, das mit seinem übertrieben energiegeladenen Psychedelic Rock oft genug in diesem Jahr meinen Kaffee ersetzt hat.

Radiohead

Als "Burn The Witch" releast wurde, konnte ich ein paar Tage lang nichts anderes hören. Der Song ist so dicht und intensiv, dass er auch nach dem zwölften Mal hören noch nicht annähernd meine Grenzen austestete. A Moon Shaped Pool hat noch ein paar dieser Songs, aber keiner davon kam für mich an "Burn The Witch" ran. Weil es aber doch immer noch Radiohead ist, kann man das restliche Album ruhig durchlaufen lassen. Meistens muss ich aber doch wieder auf die Nummer 1 zurückskippen.

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Solange

Neben Blonde und Pablo das gefühlt aufgehypteste Album des Jahres für mich. Im Unterschied zu den anderen beiden aber verdient (ich sehe schon Heugabeln und Fackeln am Horizont). Ja, Blonde kommt bei mir auf die Con-Liste, aber dazu später. Beyoncés Schwester hat mit A Seat At The Table das Gegenstück zu Lemonade geschrieben. Beide Alben mit starken Botschaften, Solange schafft das aber mit musikalischem Understatement und hat für mich mehr Wirkung als Beyoncés Überdrüber-Power-Ding. Auch wenn sie Jack White und James Blake dabei hatte.

Dirty Projectors

Eigentlich müssen Dirty Projectors die auf die Con-Liste, weil das Album noch immer nicht draußen ist. "Keep Your Name" ist so schön und so schön weird, ich brauche mehr davon. Alles, was Anthony Fantano an der Nummer bekritelt, ist für mich ansprechend. Zugänglich, "weirde, alternative R'n'B-Sounds", die downgepitchten Vocals und alles ein bisschen odd. Perfekt. Dass der Song zu einem Zeitpunkt erschienen ist, in dem ich genau so einen Text brauchte, half natürlich auch und ich verstehe, wenn Leute diesen komischen Verse am Ende nicht mögen, "but like KISS' shithead Gene Simmons said: 'A band is a brand and it looks that our vision is dissonant."

Con 2016

Drake

Ich weiß nicht, wie viele Alben abseits von irgendwelchen Schlagerdingern in Österreich mit echten, wahrhaftigen Postern (auf LITfaßsäulen) beworben werden, aber ich erinnere mich daran, mehrere Drake-Poster am Weg zur Arbeit gesehen zu haben, die mir das Gefühl vermittelten Views wird groß und großartig. Vielleicht war's auch der unendliche Hype im Interblag. Solche Erwartungen machen es nicht einfacher für ein Album, aber Views ist einfach durch und durch langweilig und ich will jetzt schon gar nicht mehr darüber schreiben, weil's mich so schläfrig macht. (Entschuldigt den unbegründeten Hate, aber ich hatte so viel erwartet und bin jetzt einfach nur salty.)

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James Blake

Wisst ihr noch, als James Blake als Meister des Weltschmerzes galt und sich alle einig waren, dass der Messias endlich wieder herabgestiegen ist und jetzt Dubstep (den guten) macht? Wisst ihr noch, wie wir uns alle zu "Limit To Your Love" in den Armen gelegen sind und uns verstanden fühlten? Wisst ihr noch, dass James Blake ein Album dieses Jahr veröffentlichte? Ja, jetzt erinnert ihr euch wieder, aber ihr wollt es eigentlich schnell vergessen, weil's alle eure Erwartungen betrog. Leider ist The Colour In Anything ein viel zu langes Album geworden, mit viel zu vielen Ideen, die zu ganzen Songs in die Länge gezogen wurden und früher vielleicht einen halben Vers ausmachten. Nur "My Willing Heart"  hat sich in der Mitte des Albums vergraben und sollte ein meiner Meinung nach nochmal als eigenes Album veröffentlicht werden. Aber wir machen The Colour In Anything einfach zu unserem Voldemort. Das Album, dessen Name nicht genannt werden darf.

The Weeknd

The Weeknd hat mal Musik gemacht, zu der ich gerne Sex habe (Ja, jetzt wird's unangenehm, aber ihr müsst das jetzt ertragen, so wie ich Starboy ertragen musste). Er hat für mich alles verkörpert, was R'n'B interessant machen kann, trotz seiner lustigen Frisur. Übertrieben verschnörkelte Vocals, Hochglanz-Synths, die als düsteres Gegenstück dazu stehen und Fantasien von Drogen, Sex und Machtspielchen. Die Frisur ist jetzt weg und jeder Funke von Sexiness auch. Mit "Starboy" (also dem Song) hatte ich noch die beste Zeit beim Singen in der Dusche und betrunken am Heimweg "I'm a muthafuckin' Starboy" in die Nacht schreiend. Da war ich noch zuversichtlich, dass Starboy (das Album) eh die gewohnte Qualität bringt. Dann kam "False Alarm" und alles zerbrach wie ein glass table, dem man zu viel zumutete. The Weeknd macht jetzt uninspirierten Mainstream, aber wir haben zum Glück immer noch seine alten Sachen, die auch 2017 noch gut sein werden.

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Frank Ocean

Letzer Upload vor 4 Jahren. Mir is' wurscht.

The big one. Aber nicht für mich. Glaubt mir, ich wollte es. Habe versucht, das Gute zu sehen, den Kitsch zu akzeptieren, mich auf die verschlafenen Songs einzustellen, das Album für mich rund um "Nikes" und "Pink + White" aufzubauen. Aber es wollte nicht sein. Blonde ist für mich die Enttäuschung des Jahres. Wer sich dazu berufen fühlt, mir das Album zu erklären, damit ich endlich es verstehe und damit die ganzen Bestenlisten, die es an die vordersten Plätze stellen—go for it. Minimalismus kann bei mir funktionieren—siehe Solange—, aber Frank greift für mich zu oft in die Kitsch-Kiste und hat sich dafür in meine Con-2016-Liste katapultiert.

Bonus: Österreich 2016

Ich kann natürlich nicht wirklich mit so negativen Vibes abschließen. Darum ein bisschen Heimatliebe. Dass Österreich auch 2016 weiter selbstbewusst sein darf, macht mich nämlich nicht nur glücklich, sondern auch ein bisschen horny aufs nächste Jahr. Ihr kennt die Namen, aber ich droppe sie trotzdem kurz, damit mir niemand nachsagen kann, ich hab keine Liebe in mir. Yung Hurn hat neben seinem ganzen K.Ronaldo-Spaß auch wirklich gute Songs gedroppt. "Grauer Rauch" ist einer der wenigen Raps, die ich auswendig kann, "Bianco" ist sowieso ein Welthit und "Sushi" schmeckt mir auch irgendwie.

Bilderbuch, meiner Meinung nach die wichtigste Band aus Österreich, spielen ein bisschen mutig mit dem Hype und haben nach dem Lowkey-Release von "Sweet Love" mit "I <3 Stress" und "Sag deinen Mädels Ich Bin Wieder In Der Stadt" auf ein Album gedeutet, dass zwar höchstwahrscheinlich keine zweite Schick Schock-Hitansammlung wird, die musikalischen Standards hierzulande aber wieder ein Stückchen weiter vorantreibt. Ich schreib zwar, dass wir so selbstbewusst sind in Österreich, aber dafür nehmen wir uns alle noch ein bisschen zu ernst. Ankathie Koi hat mir mit "Little Hell" bewiesen, dass es vielleicht doch nicht alle mit Stock im Arsch rumlaufen müssen, um gute Musik zu machen. Wir brauchen nicht nur mehr von Ankathie, wir brauchen mehr so wie Ankathie.

Voodoo Jürgens, Flut, Schönbrunner Gloriettenstürmer, Jugo Ürdens, Leyya werden alle 2017 rulen, ihr könnt mich gerne nächstes Jahr zitieren.

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