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Köche

Warum ich alles hingeschmissen habe, um Koch zu werden

Obwohl ich meinen Beruf als Lehrer wirklich mochte, habe ich ihn an den Nagel gehängt und mir eine Küchenschürze umgebunden. Jetzt will ich den Rest meines Lebens in der Gastronomie arbeiten und das hätte ich nie herausgefunden, wenn ich das Risiko...
Foto von Olle Svensson via Flickr

Ich bin quasi in der Küche aufgewachsen. Da meine Großeltern ein paar Restaurants in Los Angeles hatten, habe ich schon als Kind eine Liebe zum Essen und der Gastronomie entwickelt und bin immer von der Küche in den Gastraum und zurück gerannt.

In der elften Klasse dachte ich in meiner jugendlichen Naivität, dass ich bereit wäre, in einer professionellen Küche zu arbeiten. Also habe ich mich als Praktikant im Lucques ausprobiert. Natürlich habe ich es gehasst. Es war verrückt.Ich war damals einfach noch nicht reif dafür. Zu Hause liebte ich es zu kochen und zu essen, aber meine Liebe zum Kochberuf ist damals wohl erloschen.

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Mein Leben ging einfach weiter und ich machte das, was die Gesellschaft von mir erwartet: Ich ging aufs College und habe mir dann einen „richtigen" Beruf gesucht als Grundschullehrer. Auf meinem Blog schrieb ich dann leidenschaftlich gern übers Essen. Meine Arbeit als Lehrer habe ich eigentlich auch geliebt, denn beruflich mit Kindern zu arbeiten ist einfach sehr erfüllend.Und nicht zu vergessen: Jeden Sommer hat man frei. Allerdings habe ich mich eines Tages gefragt: „Willst du das wirklich für den Rest deines Lebens machen?"

Genau zu dem Zeitpunkt, als ich meine Berufswahl anzweifelte, war in einer meiner Klassen zufälligerweise die Tochter von Neal Fraser, der auch bei Top Chef Masters war. Er hat schon mehrere Restaurants geleitet und ist ein anerkannter Koch in L.A. Jedes Mal, wenn er in die Schule kam, haben wir uns ausschweifend über Essen unterhalten. Ich glaube, er hat schnell bemerkt, wie groß meine Leidenschaft fürs Essen ist. Einmal wollte er seine Tochter vom Unterricht abholen und sagte mir direkt ins Gesicht: „Du solltest kündigen und bei mir arbeiten!"

Vorher musste ich auch Verantwortung übernehmen, aber in einer Restaurantküche ist das nochmal anders.

Ich musste die ganze Zeit darüber nachdenken, was er gesagt hatte: Was hatte ich schon zu verlieren? Wenn ich wieder mit dem Kochen anfangen wollte, dann war jetzt genau der richtige Zeitpunkt, das wusste ich. Ich war schon Mitte Zwanzig und wurde ja auch nicht jünger. Ein paar Tage nach unserem Gespräch habe ich meine Kündigung eingereicht und seitdem nie wieder zurückgeblickt.

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Jetzt arbeite ich seit einem Jahr mit Neal.

Anfangs war ich verdammt nervös. Einige der Aufgaben in der Küche waren echt hart. Abertäglich konnte ich kleine Siege verbuchen, das hat mich durch jeden noch so stressigen Tag gebracht. Ich war einfach noch nicht selbstbewusst genug für dieses Arbeitsumfeld. Gerade auch die kleinen Dinge—wie man sich durch die Küche bewegt, dass man auch mal „Achtung, hinter dir!" brüllen muss—waren anfangs extrem schwierig für mich.Ich habe dann auch auf die harte Tour gelernt, dass man einfach keine volle Pause macht und dass Pünktlichkeit bedeutet, dass man eine halbe Stunde vor Schichtbeginn auftaucht.

Ich habe am Anfang jedes Fettnäpfchen mitgenommen. Einmal habe ich eine Wassermelone auf dem gleichen Brett geschnitten, auf dem ich vorher Zwiebeln gehackt habe. Klar, dass das ganze Team da lauthals gelacht hat. Ein anderes Mal habe ich mir aus Versehen die Fingerkuppe an der Schneidemaschine abgeschnitten. Man sollte sich seinen Kollegen zuliebe in dieser Branche einfach nicht verletzen. Ich habe viel auf die harte Tour lernen müssen, aber eben auch wertvolle Erfahrungen gemacht.

Zum Beispiel wie man persönlich Verantwortung übernimmt. Wenn etwas nicht stimmt und du es zubereitet hast, kannst du nicht einfach jemand anderem die Schuld geben. Vorher musste ich auch Verantwortung übernehmen, aber in einer Restaurantküche ist das nochmal anders. Diese kleinen Dinge—alle Behälter in der Kühlkammer sollten ordentlich beschriftet sein, jedes Stück Gemüse muss exakt gleich geschnitten sein—sind mittlerweile auch in mein Privatleben übergegangen. Jetzt bin ich ein organisierter Mensch und nicht mehr so schluderig wie vorher.

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Auch die Bezahlung als Koch war etwas vollkommen Neues. Die ist ganz schön nach unten gegangen, um es vorsichtig zu formulieren. Zum Glück haben mich Freunde und Familie unterstützt, weil sie Verständnis hatten für meine Leidenschaft und mir immer finanziell ausgeholfen haben. Aber ich bin ja auch nicht wegen des Geldes Koch geworden. Einige Leute in der Branche reißen sich richtig den Arsch auf (manche arbeiten in drei Restaurants gleichzeitig)—da lernt man, dass man manchmal einfach die Schnauze hält und durchzieht. Durch meine Kollegen habe ich gelernt, einen Zahn zuzulegen und noch härter zu arbeiten.

Wenn ich meinen Blog geschrieben habe, habe ich wirklich alles über Essen und Restaurants gelesen. Und auch in meinem Freundeskreis war ich der Ansprechpartner fürs Thema Essen, weil ich viel Zeit damit verbracht habe, die Gastroszene L.A.s zu erkunden. Allerdings ist es eine Sache, über Essen zu lesen oder Videos darüber anzuschauen. Das dann auch selbst in die Tat umzusetzen, ist etwas vollkommen anderes.

Ein kühles Feierabendbier schmeckt so gut wie nie zuvor.

Seit ich als Koch arbeite, gehe ich auch mit einem ganz anderen Blick in Restaurants. Bevor ich mein Geld mit dem Kochen verdient habe, waren Restaurantbesuche immer etwas Magisches. Ich habe mir immer gedacht: „Wow! Wie haben sie das hinbekommen? Wie sind sie denn auf diese Kombination gekommen?" Jetzt, da ich selbst jeden Tag in der Küche stehe, ist das zwar immer noch alles ziemlich beeindruckend, aber ich denke mir eher: „Hm, das könnte ich vielleicht auch hinbekommen." Es ist, als würde man Die Tricks der größten Zauberer oder eine andere Show in die Richtung gucken. Jetzt geht es eher um den gegenseitigen Respekt. Außerdem bin ich viel kritischer, was den gesamten Besuch im Restaurant angeht und wie gut Küche und Service funktionieren.

Durch meine Arbeit in der Küche habe ich auch eine viel engere Beziehung zum Kochen entwickelt. Zum Beispiel unsere Pastete mit Hühnerfleisch. Dafür musste ich so viele kleine Kochtechniken lernen, die ich vor meiner Arbeit im Restaurant einfach nicht kannte. Ich erinnere mich noch, wie mein Küchenchef mich zwang, das Gericht wieder und wieder zu kochen, bis er zufrieden war und es guten Gewissens an den Gast geben konnte. Ein Gericht gut zu kochen ist jetzt noch viel zufriedenstellender als zu der Zeit, als ich nur zu Hause gekocht habe.

Natürlich gibt es in diesem Beruf auch einige persönliche Herausforderungen, aber damit kommt man schon irgendwie klar. Ich trinke jetzt zweimal so viel Kaffee wie vorher und ein kühles Feierabendbier schmeckt so gut wie nie zuvor. Der größte Nachteil ist meiner Meinung nach, dass ich jetzt eigentlich immer ziemlich mürrisch bin, weil ich nie genug Schlaf bekomme. Das klappt aber, weil in der Küche jeder grummelig ist. Wir verstehen uns auf eine komische, manchmal etwas grimmige Art und Weise.

Außerdem muss ich jetzt nicht mehr nach außen hin professionell auftreten oder mich in einer bestimmten Art und Weise geben.In der Küche kann ich ganz ich selbst sein und mein Ding machen. Ich will den Rest meines Lebens in der Gastronomie arbeiten und das hätte ich nie herausgefunden, wenn ich das Risiko nicht eingegangen wäre. Jeden Tag bekommt man neue Chancen. Aber die wirklich wichtigen kommen kein zweites Mal.

Aufgezeichnet von Javier Cabral