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Öffentliche Verkehrsmittel sind das Epizentrum der absurden Scheiße

Kotze, Rassisten und gewaltbereite Omas sind nur einige der Probleme, mit denen man sich in öffentlichen Verkehrsmitteln herumplagen muss.
ICH WÜRDE EUCH GERNE ERKLÄREN, WAS AUF DIESEM BILD VOR SICH GEHT, ABER ICH VERSTEHE ES SELBER NICHT.
FOTO: VICE MEDI

Ich würde euch gerne erklären, was auf diesem Bild vor sich geht, aber ich verstehe es selber nicht.Foto: VICE Media

In Wien ist man ja grundsätzlich ziemlich stolz auf das öffentliche Verkehrsnetz. Weil es verglichen mit den Öffis in anderen Städten wirklich verlässlich ist, und zur extrem hohen Lebensqualität in dieser Stadt beiträgt, und sowieso und überhaupt. Aber selbst in so einer Perle des öffentlichen Nahverkehrs findet man sich in regelmäßigen Abständen in Öffi-Situationen wieder, die ganz einfach sehr, sehr daneben sind. Es gibt ein paar Dinge, die man keinem Menschen näher erklären muss, der mehr als ein paar Wochen seiner Lebenszeit in Wien verbracht hat. Den Moment, wenn einem beim Einsteigen in die U6 eine süßliche Geruchsmischung aus Schweiß, Speibe und Kebap entgegenschlägt zum Beispiel. Da muss jeder gelegentlich mal durch. Bei manchen Gelegenheiten aber entwickelt sich eine Situation in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu einer derartigen Freakshow, die wahlweise belustigende, beschämende oder beängstigend Ausmaße annimmt, dass sie einem lange (wenn nicht für immer) im Gedächtnis bleibt.

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Öffentliche Verkehrsmittel werden wohl auch noch in tausend Jahren eine Begegnungszone für Freaks und Arschlöcher aller Variationen sein, überall auf der Welt. Das lässt sich leider auch mit der besten Verkehrspolitik oder mehr Zivilcourage nicht ganz verhindern. Für diesen Artikel habe ich mich unter meinen Kollegen und in meinem Freundeskreis umgehört und nachgefragt, was die absurdesten Dinge sind, die sie in öffentlichen Verkehrsmitteln je erlebt haben. Die meisten von ihnen konnten mir so viele skurrile Geschichten erzählen, dass ich alleine mit den Geschichten, die sich in den letzten zwei Wochen abgespielt haben, einen ganzen Artikel gefüllt hätten. Aber keine Sorge, es sind auch ein paar All Time Classic Öffi-Horrorgeschichten dabei.

Drogen in allen möglichen Formen

Kurzer Auszug aus meiner Recherche: Ich schreibe in den Whatsapp-Gruppenchat meiner Freunde: „Hey, was ist das Seltsamste, was euch jemals in der U-Bahn passiert ist?" Eine der ersten Antworten, die von einem Freund zurückkommt: „Einen Indianer, der sich gegenüber von mir Heroin gespritzt hat, hätt ich im Angebot!" Auf meine Frage, wovon zum Teufel er da bitte gerade rede, kommt die Antwort: „Ja gut, man darf sich den Mann jetzt nicht mit Kopfschmuck und so weiter vorstellen. Aber er war definitiv indianischer Abstammung. Und er sah gar nicht so fertig aus, wenn ich mich recht entsinne. Hat sich gemütlich vor mir und einer Omi in der U-Bahn hingesetzt, sein ganzes Werkzeug rausgeholt und hat sich einen Schuss gesetzt."

Dann schaltet sich ein weiterer Freund in die Chat-Unterhaltung ein: „Indianer sagt man nicht! Trotzdem eine gute Story. Da war der Junkie, der sich in einem Vierer-Platz neben mir und einer Frau mit Kind gesetzt hat, sich ein braunes Pulver gezogen, und sich bei der nächsten Station wieder verabschiedet hat, ja noch fast nett dagegen."

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Ihr seht worauf ich hinaus will. Drogen, Junkies und Dealer gehören vermutlich in jeder Großstadt einfach ein bisschen zum U-Bahn-Leben dazu—auch in Wien. Manchmal wird man ganz direkt mit Drogen konfrontiert, und manchmal muss man genauer hinschauen. Aber auch Drogen-Geschichten können glücklicherweise ziemlich lustig sein.

Ein Freund von mir geht vor etwa zwei Wochen zu der Straßenbahnstation bei ihm ums Eck, Linie 18. Er setzt sich auf eine Bank. Als er auf die Bank auf der anderen Seite der Gleise blickt, sieht er dort einen Typen sitzen, der seiner Beschreibung nach aussieht wie „eine Mischung aus einem Hippie und einem Sandler". Und direkt neben diesem Kerl sitzt ein Polizist, ganz so, als wären sie gute alte Freunde. Die beiden reden ganz gemütlich miteinander, während die Hippie-Kerl sein Dosenbier trinkt.

In dem Moment setzt sich ein älterer Mann, vermutlich so um die 60, neben meinen Freund auf die Bank. Auch er schaut rüber auf die andere Gleis-Seite, und fängt zu lachen an. „So was hab ich ja noch nie gesehen, ein Kiwara und ein Hippie gemeinsam! Unglaublich." Da fällt meinem Freund auf, dass der Mann extrem nach Gras riecht, und er spricht ihn darauf an. Der Mann meint nur: „Du, ich kiff seitdem ich 12 bin, nur weil ich jetzt 60 bin, hör ich auch nicht mehr auf. Und ich bin ja seit über 30 Jahren selber im Geschäft." Die nächsten 10 Minuten erzählt der alte Mann meinem Freund von seiner Jahrzehnte langen Karriere als Dealer. Am Ende öffnet er sein Bauchtascherl, holt einen Knospe Weed daraus hervor, drückt sie meinem Freund mit der Anmerkung: „Da, Freundschaftsgeschenk." in die Hand und haut ab.

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Aggressive Vollidioten

Dieses Bild hat absolut nichts mit aggressiven Vollidioten zu tun, aber es ist zu schön um es euch vorzuenthalten. Foto: VICE Media

Manchmal, wenn man einen schlechten Tag hat, bekommt man in vollgestopften Wagons oder Bussen schon mal derartige Aggressionen, dass man gerne zu einem apokalyptischen Rundumschlag verbaler und körperlicher Form ausholen möchte. Weil ich persönlich kein Arschloch sein will, unterdrücke ich diesen Impuls meistens. Und ich hoffe, dass ihr das auch tut. Aber nicht alle Mitmenschen in Wien sind so besonnene Lebewesen wie du und ich. Wie das dann ausschaut, wurde 2013 in einem YouTube-Video dokumentiert, das in Folge ziemlich viral gegangen ist:

Sei nicht naiv: Wie du in diesem Video vermutlich erkannt hast, sind es nicht nur Männer, die ihre Aggressionen nicht im Griff haben. Theoretisch kann das jeder sein. Manchmal sind es sogar Pensionisten. Am vergangenen Samstag sind zwei Freunde von mir in die U6 gestiegen, wo eine alte Dame gerade begonnen hatte, eine Mutter samt ihrem Baby so derb zu beschimpfen, dass meine zwei Kumpels die Beleidigungen, die dabei gefallen sind, fast nicht über die Lippen gebracht haben, als ich sie danach gefragt habe—aber ein Satz, der dabei wohl gefallen ist, war: „Hast du überhaupt schon deine Fut gewaschen, seitdem du das Kind bekommen hast, du blade Sau?" (Sorry für die bösen Wörter, ich zitiere hier nur!).

Als die beiden die alte Dame beruhigen wollten, brüllte sie auch einen meiner Freunde an: „Foah in Himmel, du Sandler!". Nachdem sie nicht mehr damit aufhörte, die Mutter lauthals zu beschimpfen, gaben die beiden dem Zugführer bescheid, dass dort hinten eine alte Dame aus irgendeinem Grund fremde Menschen terrorisierte. Daraufhin meinte die Pensionistin zu einem meiner Freunde: „I merk ma dei Gsicht. Wenn ich dich das nächste Mal bei der Nussdorfer seh, hau i dir di Goschn ein!"

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Rassistische Arschlöcher

Ich persönlich bin fast so etwas wie ein Glückspilz, weil ich den wirklich heftigen U-Bahn-Erlebnissen seit Jahren gekonnt entkomme—Abgesehen von dem einsamen, besoffenen Typen, der mir letztens am Karlsplatz beim Aussteigen um 3:00 Uhr morgens „Schleich di, du Neger!" nachgeschrien hat, weil er sich vermutlich erst in diesem Moment getraut hat, den Mund aufzumachen und zu sagen, was er sich wahrscheinlich schon die ganze Fahrt gedacht hat. Bevor die Türen wieder schlossen, hab ich ihm als Reaktion zwei Mittelfinger ins Gesicht gestreckt, weil das in solchen Situationen irgendwie immer meine intuitive Antwort ist. Damit war die Sache für mich gegessen.

Sowas passiert offensichtlich nicht selten. Wenn ich in die Situation gekommen wäre, in der ein Freund von mir am letzten Wochenende gekommen ist, hätte ich wahrscheinlich nicht gewusst, wie ich am besten reagiert hätte. Ein Mann im Rollstuhl, etwa um die vierzig Jahre alt und in einer alten Militäruniform eingekleidet, hat da bei der U6-Nussdorferstraße zu einem rassistischen Schreikonzert der Sonderklasse ausgeholt, als er einen schwarzen und einen arabisch-stämmigen Mann sah.

Nachdem er aus heiterem Himmel Sätze wie: „Schleichts eich aus unserm Land, ihr verdammten Drecksneger, Ausländergsindel!" quer durch die Station gebrüllt hat, sind die beiden beschimpfen Männer so schnell wie möglich aus der Situation abgehauen, und auch mein Freund ging in ihre Richtung. Aber selbst das konnte die Schimpftirade des Rollstuhlfahrers nicht stoppen. Einer der beiden beschimpfen Männer meinte zu meinem Freund, als sie zusammen die U-Bahn-Station verließen: „Der Kerl hat gerade wirklich großes Glück, dass er im Rollstuhl sitzt."

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Kotze

Das sind wir. Wir würden nie in die U-Bahn kotzen.

Es gibt Dinge auf der Welt, die sind untrennbar miteinander verbunden. Nächtliche U-Bahn-Fahrten und Kotze zum Beispiel. Dabei gibt es schlimmere und weniger schlimme Erlebnisse. Wenn man einen besoffenen Typen in einer bummvollen U-Bahn-Garnitur dabei beobachtet, wie er sich schon selber in den Mund kotzt und verzweifelt darauf wartet, dass der Zug eigentlich in die Station einfährt, aber es exakt bis zu der Sekunde halten kann, bis die Türe aufgeht und er dann in einem Strahl bei der Tür hinausgereiert, gehört das zu den weniger schlimmen Erlebnissen.

Wenn im Bus aber jemand direkt hinter dir in seine eigenen Hände kotzt, und dabei trotzdem ein guter Teil der Kotze in deinem Nacken landet, so wie das meiner Munchies-Kollegin Steffi passiert ist, dann gehört das zu den wirklich uncoolen Erlebnissen. So oder so, du wirst es vermutlich keinen Monat schaffen, der Kotze von fremden Menschen in den Öffis komplett zu entkommen.

Noisey: Das Schlimmste am Fortgehen ist das Einschlafen in den Öffis.

Perverse

Wenn mir eines bei meinen Gesprächen über absurde Erlebnisse in Öffis aufgefallen ist, dann, dass Frauen ganz offensichtlich viel häufiger in wirklich unangenehme Situationen kommen, in denen sie ernsthaft bedrängt werden. So gut wie jede Frau, die ich nach ihren U-Bahn-Erlebnissen gefragt habe, hat mir von sexueller Belästigung in irgendeiner Form erzählt.

Unserer neuen Praktikantin Lena ist so etwas erst vor drei Tagen passiert. Sie saß in der S-Bahn, als sich ein Typ Ende 20, der offensichtlich einen Steifen hatte, vor sie setzte und durch die Hose mit seinem Penis spielte. Er beobachtete sie dabei und rückte ihr näher und näher. Letztendlich fragte er sie, ob sie seinen Penis groß finde, ob sie ihn nicht angreifen möchte und ob er sie begleiten dürfte, und er gab erst Ruhe, nachdem sie ihm erklärte, dass sie kein Interesse habe.

Meine Kollegin Hanna hat hier schon einmal geschildert, wie sie in der U4 von einem Mann in ein Eck gedrängt wurde, der ihr dann die ganze Fahrt über sagte: „In India they would rape you. They would rape and kill you." und ihr in einer U-Bahn-Garnitur voller Menschen nur eine einzige andere Frau Hilfe leistete. Und vor meine Freundin und eine Klassenkollegin hat sich in ihrer Schulzeit einmal ein Kerl gesetzt und wiederholt pantomimisch dargestellt, wie er einen Strick um seinen Hals legt. Als sie ihn fragten, was er bitte wolle, meinte er: „Ich würde euch beide gerne erhängen."

Drei Frauen, mit denen ich mich unterhalten habe, wurde heimlich zwischen die Beine oder unter den Rock fotografiert. Ich könnte noch einen ganzen Haufen solcher Erlebnisse von Frauen aus meinem Umfeld aufzählen. Perverslinge und sexuelle Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln sind gar nicht so kurios. Sie sind viele eher ein omnipräsentes, ernsthaftes Problem.

Folgt Tori auf Twitter: @TorisNest