FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

Rox kann exzellent twerken, würde es aber niemals in der Öffentlichkeit tun

Über die Hälfte des Interviews hatte die Soul-Sängerin zwar einen Lachkrampf, in der anderen Hälfte hat sie uns aber einige interessante Dinge erzählt.

Fotos: Maximilian Theßeling

Die 25-jährige Roxanne Tataei landete mit „My Baby Left Me“ vor über drei Jahren einen Riesenhit. Danach wurde es ziemlich still um die Londoner Soul-Sister. Doch in diesen drei Jahren ist viel passiert. Zum Beispiel lernte sie ihren Produzenten Patrice zufällig in der Karibik kennen und merkte eines Tages in London, dass es Zeit für eine Veränderung war, verkaufte ihr Auto und zog nach Berlin. Bis auf die verzwickte Sache mit der „Rotwein-Situation“ gefällt es ihr hier in Deutschland bisher ziemlich gut. Neben den Arbeiten für das neue Album, das im Frühling 2014 erscheinen soll, nimmt sie Deutschstunden und verspricht, dass wir unser nächstes Interview auf Deutsch führen werden. Im Gespräch ist Rox überraschend ehrlich und lässt in ihrer Offenheit auch den „schlimmsten Tag ihres Lebens" oder ihre unfassbare Abneigung gegen die twerkende Miley Cyrus nicht aus.

Anzeige

YNTHT: Du bist vor kurzem nach Berlin gezogen, stimmt's?
Rox: Ja, seit Anfang September bin ich jetzt hier.

Wieso zieht man von London nach Berlin? Hat dich der Regen genervt?
Das habe ich relativ kurzfristig entschieden. Ich brauchte einfach mal eine Veränderung. Dann habe ich mein Auto verkauft, meine Wohnung vermietet und hier bin ich.

Lernst du Deutsch?
Das tue ich, aber mein Deutsch ist noch nicht sehr gut. Wenn ich in Cafés oder so gehe, versuche ich, auf Deutsch zu bestellen. Es wird langsam. Und ich nehme Deutschstunden. Wenn du mich das nächste Mal siehst, können wir uns hoffentlich auf Deutsch unterhalten.

Cool. Hast du eine eigene Wohnung hier oder wohnst du in einer WG?
Ich wohne in einer WG. Das ist etwas total Neues für mich, weil ich sonst immer alleine oder mit meinem blöden Ex-Freund zusammengewohnt habe. Insgesamt finde ich Berlin wirklich super, außerdem habt ihr hier eine echt gute Musikszene.

Aber London doch auch. Wo siehst du den Unterscheid?
Schon ja. Hier gibt es einfach unglaublich viel Techno und elektronische Musik. Die Szene hier kommt mir viel kleiner als in London vor, aber das macht sie interessanter, es ist wie eine Community. London ist dafür zu groß, die Musikszene dort hat viel mehr unterschiedliche Facetten, als dass es einen gemeinsamen Nenner geben könnte. Aber ich liebe es dort. Um aufzuwachsen, war London der beste Ort der Welt für mich. Berlin ist aber irgendwie aufregender, weil die Szene etwas neuer und deswegen auch moderner ist.

Anzeige

Wirkt sich Berlin auf deine Musik aus?
Ja, das hat es schon. Der Typ, mit dem ich zusammenwohne, hat ein ganzes Zimmer voller Vinyl-Platten. Dort habe ich auch das erste Mal „Kryptonite" auf Platte gehört. Ich finde ziemlich cool, wo ich gerade stehe. Mein Musikgeschmack hat sich auch verändert, beziehungsweise weiterentwickelt.

Machst du ab jetzt Techno?
Haha, nein. Aber früher hatten meine Lieder immer diese klassische Struktur: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain. Mittlerweile ist mir die Atmosphäre wichtiger, das große Ganze. Ich will Musik machen, die dich auf eine Reise mitnimmt. So soll „Kryptonite" klingen und meine neue Musik klingen.

Als ich „Kryptonite" das erste Mal gehört habe, dachte ich natürlich an Superman. Stehst du auf sowas?
Oh, da muss ich dich leider enttäuschen, eigentlich nicht.

Wovon handelt der Song dann?
Wobei, vielleicht hat es doch ein bisschen was mit Superman zu tun, im weitesten Sinn. Selbst er hat eine Schwäche und so ist das bei mir auch. Der Song handelt davon, wie ich mich selbst sehe. Ich dachte immer, dass ich eine total starke und toughe Frau bin. Aber trotzdem hat jeder Mensch eine Schwäche für etwas Bestimmtes oder jemanden.

Was empfindest du als deine Schwäche? Erzähl mal.
Ich habe viele. Und das ist es auch, das ich gerade versuche—mir diese Schwächen einzugestehen und sie anzunehmen. Imperfektion macht uns erst perfekt. Ich trinke manchmal ziemlich viel. Aber nicht auf eine gute Art und Weise. Die letzten zwei Jahre war ich viel feiern und habe viele dumme Sachen gemacht. Ich mag die Person nicht, die ich werde, wenn ich trinke. Ich bin gerade an einem Punkt in meinem Leben, an dem es Zeit wird, erwachsen zu werden, und an dem ich am nächsten Morgen nichts bereuen will. Ich liebe es trotzdem noch zu trinken, aber eben nicht so krass wie früher.

Anzeige

Was trinkst du am liebsten?
Haha, das ist witzig. Das wollte ich vorher schon erzählen, als du mich nach Berlin gefragt hast. Eine sehr verzwickte Sache: „Die Rotwein-Situation“.

„Die Rotwein-Situation“, was soll das sein?
Warst du schon mal in London?

Klar.
Okay, gut. Dann weißt du wahrscheinlich wie teuer Alkohol bei uns ist. Du bekommst einen Rotwein im Schnitt für 5 Pfund, würde ich sagen. Aber das ist dann wirklich beschissener Wein. Hier in Berlin ist es so krass, schon für 1,50€ bekommst du am Späti einen Rotwein—und der schmeckt sogar. Mein Mitbewohner und ich haben blöderweise dieselbe Leidenschaft für Rotwein. Ja, wir haben echt eine gute Zeit. (grinst) Berlin hat wirklich viele interessante Dinge auf Lager. Hast du schon mal Jivamutki Yoga gemacht?

Ne, was ist das? Sowas wie Zumba?
Haha, oh Gott, nein. Oh Mann, Zumba habe ich mal in London gemacht. Scheiße, es war so blöd, aber echt witzig. Ein paar wirklich dicke Frauen standen vor mir, und sie haben getwerkt.

Kannst du auch twerken?
Na klar. Aber das mache ich nur zuhause, nicht in der Öffentlichkeit. Twerken ist wirklich witzig und unterhaltsam, aber es wurde einfach total lächerlich irgendwann.

Klar, wegen Miley.
Ja genau, scheiße. (lacht) Sie lässt jeden denken, dass er twerken kann. Aber nicht jeder kann das. Das macht auch nichts. Mann, es muss doch nicht jeder twerken können. Twerken ist nicht zwingend notwendig, um zu überleben. Manche sind eben Twerker und andere nicht, haha.

Anzeige

Ja, das stimmt.
Haha, oh Mann. Das macht mich fertig. Okay, Themawechsel. (wischt sich die Tränen vom Lachen ab)

Was hast du in letzter Zeit so gemacht? Dein letztes Album ist immerhin schon drei Jahre her.
Ich habe die Musik irgendwie verlassen. 2010 habe ich mein erstes Album veröffentlicht. Ich war auf Tour, es hat Spaß gemacht, ich habe gute Reviews bekommen, eigentlich war alles in Ordnung. Aber irgendwie bekam ich durch das Debütalbum eine unglaublich schlechte Sicht auf die Musikindustrie. Und meine Musik mochte ich auch nicht mehr.

Wieso mochtest du deine Musik nicht mehr?
Ich mochte das nicht mehr, alles was dazu gehört. Wir hatten zweistündige Meetings darüber, wie wir meinen Song ins Radio bringen könnten. Es ging überhaupt nicht mehr um die Musik. Ich saß da und dachte mir die ganze Zeit: „Es ist mir so scheißegal, was ihr gerade redet, das ist nicht der Grund, wieso ich Musik mache.“

Normalerweise macht sie sowas nicht, erzählt Rox. „Aber diesen Moment musste ich einfach aufnehmen, ich habe mich so gefreut."

Wieso machst du Musik?
Weil es das ist, wofür ich lebe. Das ist eben die Sache. So war es irgendwann nicht mehr. Wir hatten gerade darüber gesprochen, ein neues Album zu machen und Jannette, sie war zu dieser Zeit die Chefin des Labels, rief mich an und klang wirklich traurig. Als ich sie fragte, was los sei, sagte sie mir, dass sie kein zweites Album mit mir machen wird.

Anzeige

Wieso wollten sie kein zweites Album mit dir machen?
Es hatte viele Gründe. Einer davon war, dass sie mich immer als Pop-Prinzessin verkaufen wollten. Außerdem schrieb das Album nicht so gute Zahlen, wie alle gedacht und erwartet hatten. Das war wirklich krass zu hören. Danach dachte ich mir: Scheiße Rox, was machst du denn jetzt?". Kein Scherz, aber am selben Tag erfuhr ich außerdem, dass ein guter Freund von mir gestorben ist.

Oh, das war bestimmt hart.
Ja, es war wahrscheinlich der schlimmste Tag in meinem Leben. Ich schaute aus dem Fenster und dachte mir: Rox, reiß dich zusammen. Alles passiert aus einem bestimmten Grund." Dann machte ich eine Pause von all dem.

Was hast du gemacht?
Ich bin erstmal weg aus London und viel gereist, in die Karibik, zum Beispiel. Dort habe ich auch Patrice getroffen.

Wie hast du Patrice kennengelernt?
Ich habe ihn auf einem Ausflug zur Insel Bequia kennengelernt. Der Trip war extra für Künstler, die sich in ihre Arbeit vertiefen wollten. Song schreiben und all sowas. Ich hatte davor noch nie von Patrice gehört. Wir waren eine Woche dort—der schönste Ort, den du dir nur vorstellen kannst. Es passte einfach zwischen uns, schätze ich. Manchmal trifft man einfach einen Menschen, mit dem man sich auf Anhieb versteht. Als ich wieder in London war, telefonierte ich mit einer Freundin und fragte sie: Hast du schon mal was von Patrice gehört?" Sie war ganz entgeistert, dass ich ihn nicht kannte.

Anzeige

Und dann?
Nachdem wir wieder zurück waren, rief er mich an und wollte meine neuen Lieder hören. Ich war aber total schüchtern und hatte Angst, meine Musik überhaupt jemanden zu zeigen. Dann hatten wir ein Skype-Telefonat und er meinte so: Rox, verdammt nochmal. Jetzt schick mir endlich deine Musik. Mach es einfach!" Und dann machte ich es eben.

Wann hast du ihm zum ersten Mal deine Musik gezeigt?
Im März dieses Jahres. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich es abgeschickt habe. Ich saß vor meinem Telefon und dachte mir nur Bitte, finde es gut, bitte." Es war ein schreckliches Gefühl. Dieser Moment, wenn du deine Sachen zum ersten Mal jemanden zeigst und loslassen musst, du hast so Angst.

Aber er mochte es anscheinend. Immerhin ist er mittlerweile dein Produzent.
Ja, er mochte er. Zum Glück! Er schickte mir eine Nachricht, in der nur 'Skype me now' stand. Und ich schaute ihn an und fragte ihn, ob er es mag. Er sagte, dass er es liebt. Er hat mir wirklich geholfen, mein Selbstbewusstsein wiederzufinden. Ein paar Wochen später kam er nach London.

Stimmt es, dass ihr „Kryptonite“ in deinem Wohnzimmer aufgenommen habt?
Ja, es war super. Es war genauso, wie ich es mir immer erträumt habe. Es war perfekt. Ich glaube, ich muss in einem kleinen, ganz privaten Umfeld aufnehmen. Nur ich, ein paar Instrumente und ein Produzent. Keine Menschen, kein Studio. Dann fühle ich mich am wohlsten.

Anzeige

„Kryptonite" klingt komplett anders als „My Baby Left Me“. Was hast du verändert?
Ich habe mich natürlich verändert und so auch die Musik. Das erste Album sollte ein Soul-Stück sein, ein Retro-Soul-Album. Und das war es auch. Patrice und ich, wir hatten zwar ein paar Anknüpfungspunkte und Einflüsse, aber wir haben nie gesagt, es muss ein Genre sein. Das macht die Musik viel spannender.

Welche Einflüsse?
Es ist minimalistischer als früher. Weißt du, ich bin eine Sängerin. Meine Stimme ist mein Instrument. Bei meiner neuen Musik bleibt viel mehr Platz für meine Stimme als davor. Ich kann endlich mal zeigen, was geht. Das alte Zeug, das ich gemacht habe, war manchmal vollgestopft von Instrumenten. Jetzt geht es einfach mehr um die Texte und meine Stimme, denn das ist es, was mich ausmacht. Kyptonite muss man öfter hören. Es geht eben um diese Stimmung, die Atmosphäre.

Ist „Kypronite" der erste Vorgeschmack auf ein neues Album?
Ja. Wir wollen das Album im Frühjahr veröffentlichen. Im März wahrscheinlich, vielleicht sogar zu meinem Geburtstag. Der Frühling als Jahreszeit für ein Release würde mir sehr gut gefallen und wirklich gut passen. Ich bin im Frühling geboren und irgendwie empfinde ich das Album als neuen Anfang für mich.

Wie weit bist du mit dem Album?
Patrice ist gerade auf Tour. Aber wir müssen uns wirklich jetzt wieder dran setzten.

Wie wird es?
Es wird sehr ehrlich und ziemlich mysteriös. Keine Twerking-Nummern, leider. (lacht) Schon Tanznummern, aber kein Twerking. Man sollte es wirklich verbannen, finde ich.

Anzeige

Haha, wieso?
Es ist einfach zu viel. In der jamaikanischen Kultur gibt es das schon seit unzähligen Jahren. Es heißt nicht twerking, sondern einfach nur tanzen. Meine Mutter kommt aus Jamaika, deswegen bin ich sehr mit dieser Kultur verwurzelt. Wenn wir ausgehen, dann tanzen wir natürlich sehr sexy und schwingen unsere Hüften. Das ist normal für uns. Wenn ich heute Leute wie Miley Cyrus sehe, die das plötzlich machen, ist es so bescheuert. Aber naja, jeder hat das Recht, sich irgendwie auszudrücken, finde ich. Ich mag sie zum Beispiel nicht. Aber sie ist mir einfach egal. Es nervt, dass sich alle an ihr aufgeilen.

Ja, es ist wirklich langweilig geworden, sich über sie lustig zu machen. Damit hat sie außerdem längst geschafft, was sie wollte. Dass die Leute über sie reden.
Da sprichst du mir aus der Seele. Ja, sie reibt sich bestimmt in diesem Moment die Hände und zählt ihre Scheine. Okay Mist, wir sind nicht besser. Wir sollten aufhören über sie zu reden. Amen.

Am 16. November spielt Rox eine Akustiksession im Studio One in Berlin.

„Kryptonite" gibt es auf iTunes und Amazon

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS

Musiker, die ihr einfach gehört haben müsst: Kwabs

Kwabs’ Stimme ist weich wie Butter, was gleichzeitig bedeutet, dass sie leichter ist als Wasser und weil Fett immer oben schwimmt, konnte er sich mit seinem Talent auch nicht lange versteckt halten…

Ballet School—„Crush“

Ballet School sind eine bunte Mischung aus The Cure und der frühen Madonna.

Elliphant will eine süße Pop-Prinzessin sein

Aber bloß nicht auf die klassische Art. Die schwedische Schönheit wird als Nachfolgerin von M.I.A. gehandelt und glaubt an Aliens.