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Blue Bird Festival 2016: Viele Tränen, aber auch viel Kuchen

Unsere Autorin war wegen der guten Musik da—und wegen der Torte. Sie hat beides bekommen.

Alle Fotos: Hanna Pribitzer

Wenn man, wie wir ja eh vorab schon erzählt haben, zum 11. Geburtstag so ein feines Line-Up zusammenstellt, könnte man als Torte im Anschluss auch Karottenkuchen servieren, niemand würde sich beschweren. Die Veranstalter des Blue Bird Festivals, die Vienna Songwriting Association, haben aber offenbar nicht nur ein Gespür für die richtigen Bands, sondern auch für die passende Torte. Shout out an die Bäcker: Mohn und Schokolade ist eine super Kombi. Das hat auch Ariel Pink so empfunden, der sein (Bier- und) Wohlstandsbäuchlein in coolem Magma-Shirt präsentiert und eben diese blaue Vogeltorte anschneiden darf.

Man weiß eigentlich kurz nachdem er am Donnerstagabend auf die Bühne gesprungen ist gar nicht, ob er der Haustechniker, ein abgeranzter Busfahrer oder doch wirklich Ariel Marcus Rosenberg ist. Die Haare sind jetzt fettig und gar nicht mehr pink. Ist aber auch herzlich egal. Der Sound ist tight, er ist gar nicht Posterboy, gar nicht Superstar—er ist, und das ist super unterhaltsam anzusehen—genau das, was man erwartet hat. Schüchtern zuerst, brüllt er das Publikum am Ende seines Sets nur noch so an. Er—beziehungsweise seine Band—schrammelt, jammt und improvisiert was das Zeug hält.

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Ich ärgere mich eigentlich nur, dass ich den Drummer im Anschluss nicht gefragt habe, wo er a) den scharfen Cowboyhut b) den scharfen Zebramantel und c) den überaus scharfen Mankini her hat. Dass da zu Anfang des Sets noch Sessel vor der Bühne gestanden haben, wie man es in einem gediegenen Jazz-Schuppen wie dem Porgy schon mal als voll OK durchgehen lassen kann—geschenkt. Bei Ariel Pink gibt’s kein Sitzen. Wäre nicht irgendwann mal Sperrstunde, man hätte ihn nach gefühltem fünfstündigen Set wohl von der Bühne zerren müssen. Und das, wo er am Vortag in Salzburg vor zwanzig Leuten gespielt hat. Wir fühlen uns also total exklusiv.

Was ist das also jetzt—ein Lobgesang auf Ariel Pink? Schon irgendwie. Er hat den ersten Abend abgeschlossen, das Festival eingeleitet und noch dazu gekrönt. Weil natürlich noch einiges mehr am Blue Bird Festival super war, hier ein paar hard facts. Spoileralarm: Ja, ihr werdet euch schon sehr ärgern, solltet ihr nicht dabei gewesen sein.

Tag 1

Rhob Cunningham ist so der Typ: groß, schmächtig, süffisant und sehr schlau. Er hat nämlich dann auch gleich mal ein Lied auf Deutsch einstudiert und dieser old gag funktioniert halt doch immer wieder. Wieso finden alle Engländer und Iren es so herrlich unterhaltsam, wenn sie gebrochen Liebeslieder in der Landessprache singen? Keine Ahnung. Es hat jedenfalls schon wieder funktioniert. Abgesehen davon schreibt er sonst auch ziemlich clevere Texte. Bernhard Eder hat da sogar auch noch seine Stimme geborgt, bevor er selbst mit Band die Bühne betreten hat. Als hätte er diese für Ariel ebnen wollen, übt er sich—diesmal ein bisschen weird—in unterhaltsamer Showmaster-Manier und versucht sich an lustigen Sprüchen. Die waren leider nicht ganz so lustig. Aber, lieber Bernhard: Deine Musik macht ziemlich alles wieder wett. Noch dazu, weil du dir aus einigen anderen superbegabten österreichischen Bands die Musiker geklaut hast—congrats (hätte jeder so gemacht).

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Tag 2

Hin und her am zweiten Tag. Zuerst ein bisschen schniefen bei All The Luck In The World, schon wieder vier sehr gute Musiker aus Irland. Ein bisschen eintönig vielleicht, ein bisschen wenig Abwechslung zwischen den Songs (Zurückhaltende Gitarre oder verhaltene Gitarre? Oder leise Gitarre und einfühlsame Gitarre?). Aber hey, zur Einstimmung am Freitagabend passt das schon. Vor allem machten die Wave Pictures dann eh die etwas andere Show. Bekannt ist das Blue Bird Festival ja nach wie vor für die eher ruhigen Stunden. Und gut, nach dem Tippen dieser Zeile fällt mir natürlich auch die Erklärung für den absoluten Pärchenüberschuss (ja, Überschuss) auf. Ich versteh’s eh. Zu Gitarrengezupfe ist schon gut schmusen. Aber wieder zurück: Die Wave Pictures wollen nicht schmusen, die wollen schrammeln. Hat dem Abend gut getan, denn das, was danach kam, hätten wir eh lieber nicht vorher wissen wollen. Giant Sand, eigentlich der Star des Abends, hatte ein bisschen Probleme mit seiner Technik. Oder der Soundtechniker hatte Probleme mit der Technik. Whatever. Läuft jedenfalls nicht bei ihnen, zumindest nicht an diesem Abend im Porgy & Bess. Die Alter-Haudegen-Attitude funktioniert dank Schmiergelpapierstimme schon ganz OK, aber diese anfänglichen Patzer lassen leider auch drei,vier Bier nicht so schnell vergessen.

Tag 3

AVEC finden wir super, haben wir schon gesagt, und finden wir nach wie vor. Eigentlich mögen wir sie jetzt aber noch viel mehr als damals, als wir noch über Spice Girls und High School Musical geredet haben. Die Dame wird noch big! Danach kam Lola Marsh auf die Bühne und haben uns ein bisschen nach Luft schnappen lassen. Rock'n'Roll, Indiefolk. Das Wort Powerfrau nervt ja dermaßen, aber irgendwie passt es doch. Immerhin haben sie auch schon mit Clara Luzia gespielt. Die war auch im Publikum und hat mitgefeiert. Chloe Charles hat im Anschluss daran den Lautstärkepegel wieder ein bisschen in Schmuse-Intonation heruntergedreht, spielt familienfreundlichen Pop-Soul. Und zugegebenermaßen habe ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur mehr auf die Villagers gewartet. Er ist ziemlich klein, Sänger Conor J. O’Brien. Daneben sieht der schon erwähnte Rhob Cunningham umso mehr wie ein Hüne aus—den hat er sich nämlich zur Unterstützung auch nochmal mit auf die Bühne geholt. Dublins Musikszene ist ja eigentlich so wie in Wien. Jeder kennt jeden. Und jeder spielt in 35 Bands.

Fazit: Die Villagers waren sehr gut, sehr intensiv. Die schlichte Instrumentierung hat dann die Texte halt noch ein bisschen schärfer herausgearbeitet. War fast zu viel für einen Samstagabend, an dem man ja eigentlich die schlimmen Sachen auf der Welt vergessen will. Partyeinstimmung war’s halt keine. Aber deshalb waren wir ja auch nicht da (keine Sorge, nach einem Shot und Locationwechsel sieht die Welt schon wieder anders aus).
Liebes Blue Bird Festival, wir waren wegen super Musik da—und wegen der Torte, zugegeben. Beides bekommen. Also: glücklich!

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