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TAKTLO$$ Festivalbericht: Takti, der Blonde in Island

Wir haben TAKTLO$$ all unser Geld gegeben, damit er sich dazu herablässt, einen Text für uns zu schreiben.

(Anm. d. Red.: TAKTLO$$ hat sich unter falschen Vorwänden nach Island geschmuggelt, um an Karten für das Iceland Airwaves Festival in Reykjavik zu kommen. Vor ein paar Tagen hat er uns dann angeschrieben, um uns gegen immens viel Geld seinen persönlichen Festivalbericht anzubieten. Glücklicherweise haben wir das ganze Jahr über immer einen Topf Gold unter unserem Tisch stehen, falls sich Xavier Naidoo mal meldet und bei uns als Autor schreiben will. Leider hat das bis zum heutigen Tag nicht geklappt, deswegen haben wir uns jetzt für den Plan B entschieden und Takti all unsere Ersparnisse gegeben. Wahrscheinlich wird das aber auch der letzte Bericht von ihm sein, wir müssen schließlich manchmal noch essen.)

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Island, schönste Fleckchen Erde, habe ich mal gehört. Seit vielen Jahren denke ich, irgendwann soll eine Reise dorthin gehen.

2012 dokumentierte das Fernsehen exklusiv für mich die Kunst&Kultur-Szene der Insel. Ich fasse zusammen: kleine Isländer wollen Musiker oder Literaten werden. Viele der Großgewordenen sind das dann auch von Beruf oder immerhin ein wenig in ihrer Freizeit. Ein Grund für die Romantik sind die dominanten Winter. Man sucht dem erdrückenden Dunkel entgegenzuwirken mit leichtem, künstlerischem Schaffen. Gesamteindruck durch Doku: Die sind wirklich oder wirklich anders kreativ. Auch das Iceland Airwaves Festival in Reykjavik wurde erwähnt. So reiste ich diesen November hin, um zwei Fliegen mit einer, Klappe oder ich muss dich schlagen.

Das war meine erste Urlaubsreise in kältere Gefilde, kälter als Westberlin. Auf meiner zweiwöchigen Rundfahrt im Anschluss an das Festival bin ich keinem einzigen Menschen begegnet (voll cool), dafür musste ich einsehen, dass das miese Wetter nicht untypisch für die Jahreszeit war. Vor lauter „Klappen schlagen“ hatte ich die Jahreszeit nicht bedacht. Nicht die beste, um das Gelände mit einem Toyota Yaris, Baujahr 2001, abzuarbeiten. Der Vermieter meinte noch, nicht schlimm, wenn ein paar kleinere Beulen dazu kommen und keine Sorge, die Reifen haben Spikes.

Aber zurück auf Anfang. Am soundsovielten Tag hat die Festivalleitung exklusiv für die Presse eine kleine Tour organisiert. Auf dem Programm stand der Besuch zweier Musik-Studios, in denen Björk und andere Smörrebröds aufgenommen haben sollen, außerdem besuchten wir das Haus, mittlerweile ein Museum, welches dem einzigen isländischen Nobelpreisträger gehörte. Dessen Namen habe ich mir nicht merken wollen, aber er soll gute Bücher geschrieben haben. An den drei Stops erwarteten uns Musiker. Eine der Gruppen, speziell die Sängerin: echt super! Der Percussionist dieser Band ist Österreicher, also konnte ich ein bisschen deutschen. Eine Kollegin von mir hörte uns deutschen und gab sich als Deutsche zu erkennen. Ich erzählte ihr—jetzt kommt’s —dass ich eigentlich gar nicht von der Journaille bin. Als das Festival nämlich ausverkauft war und ich noch kein Ticket hatte, musste ich improvisieren. Über einen Mitarbeiter eines deutschen HipHop-Magazins habe ich mich als Fotograf für eine Kraftwerk-Fotostory akkreditieren lassen. Warum mein Artikel jetzt bei Noisey erscheint? Die zahlen besser. Jedenfalls: als ich der Band mit der echt super Sängerin später auf dem Festival wieder begegnete…und auch ihnen steckte, dass ich eigentlich nicht von der Presse bin. Also ich glaube, die haben sich von mir persönlich betrogen gefühlt. Vermutlich haben sie sich große Publicity erhofft. Ihre Freundlichkeit ließ schlagartig nach. Auf deren Nachfrage erwähnte ich, dass ich selbst Musik mache.

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Die: was für Musik machst du, welches Instrument spielst du?
Ich: Rap.

Es ist nur ein unbestätigtes Gefühl, ihnen angesehen zu haben, dass sie finden, „richtige“ Musik zu machen im Gegensatz zu „Rap-Musik“, die jeder machen könne. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur enttäuscht, dass ihr PR-Charme ins Leere ging. Und deshalb kann ich ja jetzt auch keinen Namen nennen, weder von der geht so Band noch von der echt super Sängerin.

Pressetrip

Ein gutes Dutzend Bands traten pro Abend gleichzeitig auf, an nicht weit voneinander entfernten Bühnen. Frag nicht nach den Umständen, an einem Festival-Abend zog ich mit einer Gruppe A&Rs eines Major Labels um die Bühnen. Frage: Kann es sein, dass einige A&Rs eigentlich nur beobachten, wie das Publikum reagiert, ob denen (die oder jene) Musik (noch) gefällt? Ab wann ist es für wen nur noch Ware? Die Schweden zum Beispiel sollen in Europa den Musikkonsum am fortschrittlichsten be- bzw. vorantreiben. Stichwort: Streaming via Spotify oder Vevo. Kannte ich bis dato nicht, habe mich später informiert. Nicht nur Major-Labels wie Sony und Universal sind an diesen Diensten beteiligt, sondern auch andere Großverbrecher wie Coca-Cola oder die Abu Dhabi Media Company. Abu Dhabi ist Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, einem feudalen Shariastaat.

Ich bin vom Thema abgekommen, zurück nach Eisland. Kraftwerk kannte ich nicht, bis auf den Namen. Zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe ich den, als ich 2001 in L.A. war. Ich denke, es war The Rifleman vom Project Blowed, der mit meiner Herkunft Kraftwerk assoziierte. Ein Kraftwerk-Album habe ich mir bis heute nicht angehört. Allerdings habe ich während des Konzerts ein Lied wiedererkannt, das auch in einem von mir verwendeten Instrumental eingebaut wurde. Sofort war ich Fan.

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Der Sound am Spielort Harpa war ausgezeichnet. Mit aufgesetzter 3D-Brille hörte ich Kraftwerk-Beats, die mich zum Breakdance animierten. Leider war der Saal bestuhlt, sonst hätte ich einen Kreis gestartet. Zur Musik liefen animierte 3D-Grafiken über die Leinwand, vor dieser Leinwand standen vier alte Männer, die ihre Keyboards bedienten.

Ob tatsächlich alles live gespielt wurde oder das meiste Playback war, kann ich nicht sagen. Viel wichtiger ist, dass die Show nach einer Stunde leider nicht vorbei war. In der zweiten Stunde wurde ich wieder ent-fanatisiert: Ich hatte mich an die mehrdimensionalen Visual Effects längst gewöhnt, das Gesamtbild wurde eintöniger, die Lieder technotischer und überhaupt. Die gaben dann noch eine Zugabe, die ich nicht mehr wollte.

Wie ich mir am Ende das Zimmer mit einer Taubstummen geteilt habe und bei einem Gebirgssturm fast mein Leben ließ, Noisey zahlt nur für 3000 Zeichen. Ich will meinen Artikel also hier beenden. Übrigens: Island ist teuer—ohne isländisches Moos nix los—aber gut für den Hals.

Das ist die jugendfreie Version meines Urlaubs auf der Insel Namens Island. Sie ist schön, aber nicht schönste. Auf Hawaii war ich noch nicht.

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