FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Rudis Brille: Die Qual vor der Wahl

Die Wahl am Sonntag lässt niemanden kalt. Auch nicht die Clubszene.

Foto: Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC-BY 2.0

Am Sonntag ist es also soweit. Der emotionalste Wahlkampf, den Wien in der Nachkriegszeit wohl je geführt hat, geht zu Ende. Dann werden wir endlich die Gewissheit haben, wer unsere Stadt, die ganz oben in der Liste der lebenswertesten Städte zu finden ist, in den nächsten 5 Jahren regieren wird.

Ich kann mich kaum entsinnen, dass Wiens Bevölkerung je so spannungsgeladen und elektrisiert war wie heuer. „Der Kampf“ um Wien nimmt und nahm in der Propaganda ja schon fast martialische Züge an und machte selbstverständlich auch vor den Clubs dieser Stadt nicht Halt. Positiv ist in jedem Fall, dass Stellung bezogen wird. „Für“ etwas wäre in den meisten Fällen besser gewesen, das „Gegen“ hat nicht selten jenen fatalen Effekt, dass es zu typischen Massentrotzreakionen führt. Wenn man also permanent gegen etwas argumentiert, obwohl es genau das Richtige sein mag, führt dies mitunter zum Effekt „Jetzt erst recht.“ So gesehen damals im Waldheim-Wahlkampf 1986, als „Jetzt erst recht“ zum Wahlslogan ausgerufen wurde—und siegte. Das war auch schon so, als 2000 die erste blau-schwarze Regierung in Österreich angelobt wurde und der weltweite Empörungssturm losbrach. Die Österreicher verkrochen sich sofort—geächtet von der Staatengemeinschaft—in ihrem Cocoon, und die neue Regierung hatte Beliebtheitswerte, von der heutige nur träumen konnten. Freilich (und gottlob) nur für kurze Zeit. Man sah ja, was dabei herauskam—aber man musste es schmerzlich aussitzen.

Anzeige

Ich erinnere mich jedenfalls noch mit Grausen an jene Zeit, da damals einige DJs und Acts nicht nach Wien kommen wollten, da sie annahmen, hier würde der Faschismus regieren. Was natürlich ein heilloser Blödsinn war, aber die internationalen Medien brachten immer und stets den Vergleich mit der Nazizeit, ein enervierender aber auch warnender Nebeneffekt, denn auf Wien wird geschaut: Wir können zwar wählen was wir wollen, aber es gibt darauf auch ein Echo, dessen sollten wir uns stets bewusst sein.

Wird dies nun auch 2015 passieren? Wird Wien umgefärbt? Und müssen wir dann 5 Jahre qualvoll durchleben, was wir immer schon gewusst haben: Dass die, die immer „gegen“ alles waren gar keine Konzepte „dafür“ haben? Und letztendlich mit Oppositionspolitik regieren wollen, was natürlich als der innerste aller inneren Widersprüche gilt und selbstredend zum Scheitern verurteilt ist? Oder siegt für uns doch das „Gute“, und wir können befreit durchatmen am Sonntagabend, weil Wien doch „anders“ ist als die Bundesländer, die sich blau klopfen liessen? Man wird sehen.

Viele Clubs und Institutionen haben jedenfalls in den letzten Wochen versucht, das Bild vom anderen Wien, vom menschlichen Wien, aufzubessern. Am Heldenplatz versammelten sich am letzten Samstag wahnsinnig viele Menschen, um zu zeigen, dass niemand fremd sein muss in unserem Land. Sofort verfolgt von den Giftpfeilen derer, die darin eine riesige Wahlkampfveranstaltung sahen und gerne wissen wollen, warum der Steuerzahler danach den Heldenplatz reinigen muss.

Anzeige

In der Pratersauna ravten am Mittwoch an die 1000 Menschen gegen rechts. Nun, der Slogan enthält zwar auch ein „gegen“, aber gegen rechts sind wir sowieso alle (oder?), hoffentlich auch all die „Who Cares“ Facebookposter, die in den letzten Wochen so zahlreich aufgetaucht sind und uns Achselzucken suggerieren wollen in Zeiten wie diesen, weil sich „eh nix ändert“—was aber ein tiefgreifender Irrtum ist. Denn wenn es zur entsetzlich durch die Jahrzehnte der Geschichte geschleiften „Oktoberrevolution“ kommt, dann ändert sich leider schon einiges. Ein Thema dominierte den Wahlkampf wie kein zweites: Refugees. Es ist grausam und mag einer Strafe fürs Nasenbohren gleichkommen, sich die Kommentare und Falschmeldungen im Internet auf gewissen Plattformen und Seiten durchzulesen. Der versprühte Hass dort vergiftet nämlich die Gehirnzellen nachhaltig und man mag meinen, hier kämen keine Menschen zu uns, sondern lauter Terroristen, die uns die Jobs streitig machen. Da mag es umso erfreulicher sein, wenn nun auch DER größte aller Clubs, der Volksgarten mit seinem Event nächsten Donnerstag auch ein Zeichen setzen will und sämtliche Einnahmen der Flüchtlingshilfe zur Verfügung stellt. Gerade der Volksgarten kann damit auch seiner Klientel zeigen, wo er steht, denn gerade dorthin bewegen sich viele verschiedene Menschen aller Coleurs.

Über die unzähligen Aktivitäten der Grellen Forelle muss man ohnehin nicht allzuviel sagen, kaum ein Club engagiert sich derart für Menschlichkeit, Toleranz und gegen rechte Strömungen. Allerdings sollte niemand in die „Streich die FPÖ“-Falle tappen, denn einer Partei das demokratische Grundrecht auf Wählbarkeit zu nehmen wäre ein fataler Fehler. Stigmatisierungen sind—egal ob rechts oder links—kein guter Weg, seine weltoffenen Haltung zu manifestieren. Aber klar, es herrschte wie bei so vielen Aktionen vor der Wahl der emotionalisierte Zeigefinger. Getippt ist schnell etwas, die braune Kacke des Shitstorms dann wegzuräumen ist eine Sisyphosarbeit.

Anzeige

Denn man sollte hier auch klar sagen: „Hetze“ betreiben nicht wir, die Masse der „Gutmenschen“, die Hetze kam und kommt immer von rechts. Doch sobald man sich wehrt, wird just dort von „Hetze“ gesprochen und auf die Tränendrüsen gedrückt (siehe den megapeinlichen Gabalierauftritt auf Facebook), eine nicht gerade neue Strategie, fast so alt wie die rechten Parteien selbst.

Wir alle wissen aber natürlich, was passieren kann, wenn gewisse Parteien an (Teile der) Macht kämen: Für die Clubs dieser Stadt, die 2016 ohnehin weniger werden, würden in jedem Fall dünklere Zeiten anbrechen. Das FLEX kann davon mehrere traurige Lieder singen, und da war Frau Stenzel noch schwarz (zumindest nach außen), nun wird auch anderen Läden wie dem Celeste massiv gedroht. Die alternative Club- und DJ-Szene ist für die FPÖ sicher kein Hort, wo man Nachwuchs rekrutieren kann, das ist gut so und soll so bleiben. Meine Meinung ist bekannt: Man muss zu seinen Werten stehen und darf seine Haltung nicht aus wirtschaftlichen oder taktischen Gründen verstecken—es sei den man ist wertelos. Gerade deswegen sind die Aktionen der großen und kleinen Clubs, die derzeit passieren absolut begrüßenswert.

Übrigens: Just in diesen Tagen eröffnet mit dem Bollwerk eine Großraumdiskothek, von denen es schon einige gibt hierzulande und vor welchen wir schon damals aus Kärnten geflohen sind—ist dies ein Zeichen? Bollwerk… klingt in diesen Tagen fatalistisch, irgendwie.

Und nicht vergessen: Sonntag aufstehen, von seinem demokratischen Recht Gebrauch machen und ein kleines bisschen mitbestimmen!

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.