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Der VICE Guide zum Sterben

Es gibt einige Dinge, die man möglichst pragmatisch klären sollte, bevor man irgendwann ins Jenseits, den Limbus oder das Fegefeuer übertritt. Wer früher stirbt, ist länger tot.
Illustration, lebende Frau in einem Sarg
Illustration von Eva Wünsch

Ich möchte diesen Artikel frei nach Lana Del Rey einleiten: Wir sind geboren, um zu sterben, alles ist vergänglich, wer früher stirbt, ist länger tot. Versteht uns nicht falsch: Wir lieben unser Leben—auch, wenn es uns oftmals ziemlich furchtbare Dinge beschert: Völlig abstruse Live-Ticker zum angeblichen Terror in Österreich, die Tatsache, dass es von Stranger Things bisher nur eine Staffel gibt oder die schlimme, uns allen bekannte Angst, an einem Freitagabend nicht zu wissen, was man unternehmen soll. (Fall ihr das anders seht—hier findet ihr Hilfe.)

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Doch obwohl wir unser Leben so lieben, müssen wir uns mit dem so oft verdrängten Gedanken anfreunden, dass es trotz allem nicht endlos ist. Wird einem das in manchen ruhigen Momenten bewusst, kann man ziemlich schnell in eine Spirale aus deprimierenden Gedanken schlittern.

Wird in 100 Jahren überhaupt noch jemand an mich denken? Was passiert mit mir, nachdem ich zwei Wochen lang nicht bei meinem Lieblings-Asiaten aufgetaucht bin und nur auf dessen Drängen tot in meiner Wohnung gefunden werde? Wer erbt meine Kim Kardashian-Biografien und mein Kissen in Form eines Scheißhaufen-Emojis? Will ich, dass meine Asche zu einem Diamanten gepresst oder ins All geschossen wird? All das sind Dinge, die man so gut wie möglich pragmatisch klären sollte, bevor man ins Fegefeuer, den Limbus, das Jenseits oder woran auch immer ihr glaubt, übertritt.

Ja, wir gehen hier vom wahrscheinlich planbarsten und rationalisierbarsten aller Tode aus: dem natürlichen. Und weil das Sterben an sich schon deprimierend genug ist, sollte euch bewusst sein, dass in diesem Artikel der eine oder andere Scherz vorkommt. Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.

Der Tod

"Sterben ist das Erlöschen der Organfunktionen eines Lebewesens, das zu seinem Tod führt."—Das ist der erste Satz im Wikipedia-Eintrag zum Schlagwort "Sterben". Wenn wir sterben, bedeutet das nicht mehr, als dass unsere Körperfunktionen in einem kettenreaktionsartigen Vorgang versagen. Ekelhaft wird's erst nach dem Tod: Beim Verwesungsprozess kann es durch das An- und Entspannen der Muskulatur und dadurch, dass die Gehirnfunktionen nicht mehr funktionieren, dazu kommen, dass man Darm und/oder Blase entleert.

Männer, die auf dem Bauch gestorben sind, können sogar noch Erektionen bekommen. Außerdem entstehen in unserem Körper Gase, die unsere Zunge und andere Schwellkörper aufquellen lassen und aus Mund und Nase treten Flüssigkeiten aus. Das ist alles nicht sonderlich appetitlich, bleibt jedoch wohl kaum jemandem von uns erspart. Die gute Nachricht: Es ist relativ egal, ob ihr beim Sterben saubere Unterwäsche tragt oder nicht. Niemand wird es je erfahren.

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Das Testament

Ihr habt über all die Jahre, die ihr hoffentlich noch vor euch habt, mit ziemlicher Sicherheit einen großen Haufen an Zeugs und im Idealfall auch ein bisschen Geld angehäuft. Da sind dann auch mal Dinge dabei wie diese eine Kette, die ihr als Kind von eurem Opa bekommen habt, die teuren Boxen, die ihr euch im Konsumwahn mal geleistet habt, oder die Erstausgabe von eurem Lieblingsroman. Und genau diese Sachen, die euch viel bedeutet haben, sollen mal denen gehören, die euch viel bedeuten. Darum braucht ihr ein Testament, in dem ihr festlegt, wer was bekommt.

Stirbt man nämlich ohne Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein und womöglich bekommen eure nächsten Verwandten, die ihr 30 Jahre nicht mehr gesehen habt, euren Scheiß und nicht eure beste Freundin, die ihr jeden zweiten Tag seht, seit ihr 16 seid. Ein gültiges Testament kann man übrigens ganz einfach eigenhändig verfassen. Wichtig ist nur, dass Unterschrift und Datum darauf sind. Einen Notar braucht ihr für's Testament übrigens auch nicht zwingend: Ein handgeschriebener Zettel in eurer Dokumentenmappe reicht. Und wie immer gilt auch: There's an App for that.

Das Begräbnis

Ihr solltet euch nicht nur darüber Gedanken machen, was mit eurem Zeug passiert, sondern auch darüber, wohin eure sterblichen Überreste kommen sollen. Wollt ihr ganz klassisch in einen Sarg gelegt und zum Verwesen unter die Erde gebracht werden? Wollt ihr verbrannt und in eine Urne gesteckt werden und darauf bestehen, dass eure Kinder diese Urne für immer in ihrer Wohnung haben sollen, damit ihr sie später irgendwann heimsuchen oder ihnen zumindest ein Date versauen könnt? Oder wollt ihr bei gleichbleibendem Swag ein bisschen sozialer gegenüber der nächsten Generation sein und eure Asche ins Weltall schießen lassen (ja, das geht wirklich)? Wollt ihr euren menschlichen Restmüll zu einem Diamanten pressen lassen? Oder soll eure Asche unter den Wurzeln eines Baumes in einem Friedwald begraben werden?

Letzteres ist zugegeben ein ziemlich schöner Gedanke und erinnert mich an den Dialog aus König der Löwen, in dem Mufasa Simba den ewigen Kreis des Lebens erklärt: "Wenn wir sterben werden unsere Körper zu Gras und die Antilopen fressen das Gras. Und somit sind wir alle eins." Aber nicht jeder Mensch will, dass man sich für immer in Kombination mit einem Disney-Zitat an ihn erinnert. Deshalb könnt ihr euch außerdem auch anonym ins Mittelmeer oder in einen Fluss in der Schweiz werfen lassen. Diese Art der Bestattung kostet nur 29 Euro, was theoretisch die Frage aufwerfen könnte, ob mit "Fluss" hier vielleicht "Müll" oder "Straßengraben" und mit der "Schweiz" nicht doch eher "irgendeine Halde am Rand der Zivilisation, wo nie jemand nachsehen wird" gemeint ist—aber das denken wir vermutlich nur, weil wir als gute Katholiken darauf konditioniert wurden, dass Sterben sauteuer sein muss, damit es wirklich gut und sorgfältig passiert.

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Noisey: Diese Songs wollen wir nie mehr auf Beerdigungen hören

Die Kirche

Mitglieder der katholischen Kirche können sich das Vergnügen eines kirchlichen Begräbnisses gönnen. Die einzigen Voraussetzungen dafür sind 1. die jährliche Zahlung einer völlig willkürlich wirkenden Summe, von der Christen glauben, dass sie ihnen einen Platz im Jenseits gleich neben Jesus und seinem Vater sichert und 2. die Einstellung aller Körperfunktionen, die Ausscheidung diverser Gase und das Aufgeben des (heiligen) Geistes—siehe auch den Punkt: Der Tod.

Alle anderen verlieren leider dieses gottgegebene Recht, sich vom örtlichen Orgelspieler ins weiße Licht begleiten zu lassen. Menschen ohne Bekenntnis oder solche, die aus der Kirche ausgetreten sind, können sich allerdings quasi genau gleich bestatten lassen, nur dass die Beerdigung nicht von einem Priester gehalten wird. Eventuell werden religiöse Symbole dabei bedeckt, aber hey, wenn ihr schon Satan anbetet, werdet ihr damit hoffentlich leben können.

Da die meisten Friedhöfe einer Stadt oder Gemeinde gehören, ist es auch meistens kein Problem, sich dort bestatten zu lassen. Also macht euch keine Sorgen, Ungläubige. Auch ihr könnt euch gebührend verabschieden lassen—nur eben nicht zwingend in einer Kirche. Es gibt auch die Möglichkeit, die eigene Beerdigungsfeier an einem seiner Lieblingsorte abzuhalten und alle Freunde und die Familie in der ehemaligen Stammbar zu versammeln, so wie es diese Iren gemacht haben. Ihr könnt nicht leugnen, dass diese Trauerfeier zum Heulen schön ist.

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Das Internet

Kennt ihr dieses eine Meme? Das, auf dem jemand am Totenbett liegt, umgeben von trauernden Menschen, und mit dem letzten Atemzug gerade noch "Delete my Browser History" hauchen kann? Gehen wir einmal davon aus, dass ihr es kennt, und leiten davon die Annahme ab, dass auch ihr schon mindestens einmal kurz daran gedacht habt, wie euer post-mortaler Internet-Auftritt aussehen könnte.

In den Facebook-Einstellungen kann man auswählen, was nach dem Tod mit dem eigenen Profil passieren soll. Dabei gibt es zwei Optionen: Ein Erinnerungsprofil oder die Löschung des Accounts. Ein Erinnerungsprofil kann entweder von Freunden beantragt werden oder man kann selbst im Vorhinein bestimmen, dass man eines möchte. Ein Erinnerungsprofil unterscheidet sich vor allem dadurch von normalen Profilen, dass "Remembering" neben dem Namen steht und das Profil nicht mehr in den Vorschlägen auftaucht, wenn man zum Beispiel nach einer Person sucht. Beiträge bleiben weiterhin sichtbar und je nach Einstellung kann man der Person auch weiterhin in die Timeline posten.

Für den Fall, dass ihr euch jedoch ein eher aktives Online-Leben nach dem Tod wünscht, gibt es zum Beispiel die App "Live On" für Twitter. Die App lernt zu euren Lebzeiten, wie ihr schreibt, wem ihr folgt und was euch gefällt—und generiert dann auf Basis des Gelernten Tweets, die (theoretisch) genauso gut von euch sein könnten.

Und vielleicht solltet ihr wirklich einen Menschen eures Vertrauens damit beauftragen, euren Verlauf zu löschen. Oder wollt ihr, dass der Erbe eures Computers erfährt, dass ihr eine Vorliebe für Tierpornos hattet und, noch schlimmer, euch in bedenklichem Ausmaß selbst gegoogelt habt? Ihr Perverslinge.

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Das Erbe

Wenn es ums Erbe geht, sind natürlich mehrere Dinge zu bedenken. Erst einmal kommt es darauf an, ob ihr erbt oder vererbt. Wenn ihr Vermögen erbt, könnt ihr euch entscheiden, ob ihr das Erbe antreten wollt oder nicht. Das wird vor allem dann wichtig, wenn Schulden vererbt werden. Also negatives Vermögen, quasi. Wenn ihr selbst vererbt, regelt ihr alles Nötige in eurem Testament. Ihr gebt euer Vermögen, euer Geld, euren Schmuck weiter an eure Familie.

Ihr könnt entweder frei bestimmen, an wen, oder die gesetzliche Erbfolge tritt ein, nach der die nächsten Verwandten das Erbe bekommen. Bestimmte nahe Angehörige könnt ihr übrigens nicht völlig enterben, denn ihnen steht ein Pflichtteil zu. Aber ihr könnt euch sicher sein: Wenn es um Geld geht, fühlt sich ohnehin irgendjemand benachteiligt und wird euch für immer hassen. Ein kleiner Trost besteht darin, dass das zumindest nicht mehr euer Problem ist.

Motherboard: Wissenschaftlich betrachtet: Die unangenehmsten Arten, zu sterben

Die Patientenverfügung

Wenn ihr euren Kindern oder anderen nahen Verwandten nicht die schlimmste Entscheidung ihres Lebens aufhalsen wollt, solltet ihr eine Patientenverfügung aufsetzen. Grundsätzlich versteht man unter einer Patientenverfügung ein Dokument, das regelt, ob die Maschinen abgedreht werden, sofern man einmal an einer schweren Krankheit leiden oder einen schweren Unfall haben sollte und selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist.

Hat man keine Patientenverfügung, entscheiden Bevollmächtigte oder rechtliche Betreuer, was mit einem passieren soll. Diese Entscheidung gründet unter anderem auf früheren Äußerungen und Einschätzungen von Angehörigen. Wenn ihr also einmal völlig betrunken "Reiß einfach den Schlauch raus!" gelallt habt, nehmen sie euch letzten Endes vielleicht beim Wort.

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Die Trauer

Weil der Tod nunmal trotz allem ziemlich beschissen ist und einen in ein Loch stürzen kann, von dem man bisher nicht wusste, dass es existiert, gibt es Stellen, an die ihr euch wenden könnt, wenn ihr um jemanden trauert und nicht wisst, wie ihr mit dieser Trauer umgehen sollt. Hier oder hier kann euch geholfen werden.

Die Todesanzeige

Wie man den eigenen Abgang für immer unvergessen machen kann, hat uns der nachtragende Hubert Martini mit seiner Todesanzeige gezeigt, an der wir uns alle ein Beispiel nehmen sollten. Hubert Martini schreibt offen und ehrlich, wen er auf seiner Beerdigung sehen will und wen nicht und meldet sich so vom Leben ab, wie es sich gehört.

Wenn ihr also endgültig unvergessen bleiben und der Welt noch einmal zeigen wollt, wie scheißcool ihr seid, dann schreibt eure Todesanzeige vor. Am besten jetzt schon. Damit riskiert ihr zwar, dass in irgendeiner holografischen Lokal-Zeitung des Jahrs 2063 der Satz "Was war das für 1 Life?" steht, aber hey, wer nicht mal nach dem Sterben was riskiert, der hat schon verloren. So oder so solltet ihr euch alles von der Seele schreiben, was ihr für euren ewigen Frieden noch loswerden müsst. Oder macht es persönlich:

Das Zwischenmenschliche

Was Drake sagt.

If I died today would you be satisfied with the last conversation we had…?

let that sink in.

— Drake (@Drrake)5. März 2015