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H&M, Rassismus, The Weeknd

Von Megaloh angestoßen: Rassistisches H&M-Foto entfacht emotionale Diskussion auch in Deutschland

Wenn man selbst zu einer Mehrheit gehört, die keine Verletzungen durch Rassismus kennt, sollte man es sich nicht anmaßen, anderen ihr Recht abzusprechen, von dem H&M-Foto gekränkt zu sein.
Fotos: H&M, Instagram megaloh_official

Seit Montag tobt ein Rassismus-Shitstorm um H&M: Die Modemarke hat einen Hoodie für Kinder mit dem Aufdruck "Der coolste Affe im Dschungel" mit einem schwarzen Jungen beworben (wir berichteten). Und damit eine emotional geführte Rassismus-Diskussion entfacht. Zunächst war es Sänger The Weeknd, der via Twitter verkündete, seine Zusammenarbeit mit dem schwedischen Modekonzern zu beenden. Nun schließt sich ihm auch US-Rapper G-Eazy an. Auf Instagram erklärt er ausführlich seine Beweggründe für das vorläufige Ende seiner Partnerschaft mit H&M. Dass im Jahr 2018 ein derartiges Foto-Motiv nicht bereits in der Produktion von einem der vielen Beteiligten abgelehnt wurde, finde er traurig und verstörend. G-Eazy hatte vor, am 1. März eine H&M-Kollektion zu launchen, doch nach diesem Vorfall könne er es "nicht verantworten, dass mein Name und meine Marke mit einer Firma in Verbindung gebracht werden, die so etwas zulässt".

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Auch in Deutschland wird hart kritisiert. Manuellsen sprach sich via Instagram als einer der ersten gegen das Motiv aus.

Mortel postete das Bild ebenfalls und schrieb erbost darunter: "H&M Hurensöhne und Missgeburten." Außerdem taggte er noch den Instagram-Account der Bild, wohl um mehr deutsche Berichterstattung anzuregen.

Megaloh fand dagegen sehr persönliche Worte, um das größere Problem umfassender einzuordnen.

Für ihn gibt es in der aktuellen Diskussion ein klares Verständnisproblem. Und zwar bei allen, die nun behaupten, die H&M-Kritiker wären hier die eigentlichen Rassisten. Denn – so deren Begründung – wer aufgrund der Hautfarbe keinen Unterschied zwischen Menschen mache, würde auch niemals bei diesem Motiv von einem rassistischen Hintergrund ausgehen. Dazu schreibt Megaloh: "Glaubt ihr ernsthaft, wir wollen so gesehen werden und drängen uns selbst in die Opferrolle? Glaubt ihr, das macht uns Spaß immer wieder verletzt zu werden, wütend zu sein und dafür zu kämpfen, als gleichwertige Menschen behandelt zu werden?"


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Auch das Label Jakarta Records aus Köln/Berlin bezieht sich auf seiner FB-Seite auf Megalohs Posting und beklagt eine unglückliche Entwicklung im Diskussionsstil der Rap-Community in Deutschland. Mit Verweis auf die Kommentarspalte unter dem FB-Post der Rap-Plattform 16Bars, die Megalohs Instagram-Text geteilt haben. Ein Kommentator schreibt dort dazu: "Wenn ich ständig davon ausgehe das mir Rassismus begegnet, dann finde ich diesen auch ständig überall." [sic] Ein anderer: "Megaloh übersieht, dass es doch super schön ist, dass die heutige Gesellschaft sowas gar nicht nachvollziehen kann und auch gar nicht wirklich bemerkt hätte."

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Die Betreiber des Jakarta-Accounts finden es jedenfalls traurig, dass Menschen jemanden wie Megaloh für seine verletzten Gefühle verurteilen, statt dem eigentlichen Problem – dem Rassismus – Aufmerksamkeit zu schenken.

Wenn Weiße meinen, Schwarzen Rassismus erklären zu können, bezeichnet man das oft als "Whitesplaining" – ihnen fehlt der Einblick in die Lebensrealität, um die es überhaupt geht, aber irgendwie wissen sie doch alles besser. Dieses Wort passt gut zu einigen weißen Kommentatoren des H&M-Shitstorms. Eine Art Umkehrung von Opfer- und Täterrolle als Diskussionsmethode.

Der Berliner Rapper Fruchtmax gibt für dieses Phänomen unfreiwillig fast das ideale Beispiel ab:

Und versucht, seine Meinung dann noch mal zu erläutern:

Spannend ist auch der Instagram-Post von Rap-Fan Yannick Alassane Niang. Er war es, der vergangenes Jahr einen offenen Brief über die Facebook-Seite des Rap-Journalisten Falk Schacht veröffentlichte. Darin beschrieb er seine reflektierte Sicht auf die in Rap-Deutschland geführte N-Wort-Debatte. Niang hat eine weiße Mutter und einen senegalesischen Vater, sieht sich selbst als Schwarzer. Und fühlt bei der aktuellen Diskussion vor allem Fremdscham. Denn obwohl auch er das Foto als "marketingtechnisches Eigentor" bezeichnet, beherrsche vor allem Doppelmoral und Heuchelei die Diskussion. Niang findet es scheinheilig, einen Modekonzern wie H&M gänzlich als rassistisch zu verurteilen und an den Pranger zu stellen, obwohl er seit Jahren mit schwarzen Größen wie Beyoncé oder zuletzt mit der Hamburger Newcomerin Ace Tee zusammenarbeitet. Und dann laut "Boykott" zu schreien, wenn – wie er glaubt – ohnehin klar sei, dass ein dauerhafter Boykott dieses Konzerns für die meisten unmöglich sei.

Bei all den unterschiedlichen Stimmen zum Thema steht jedoch fest: Wenn man selbst zu einer Mehrheit gehört, die keine Verletzungen durch Rassismus kennt, sollte man es sich nicht anmaßen, anderen ihr Recht abzusprechen, von dem H&M-Foto gekränkt zu sein. Und das gilt auch jenseits der Modewelt in jedem anderen Zusammenhang, wo Menschen Rassismus beklagen.

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