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Wie du dir Festivalstimmung in dein Wohnzimmer holst

Die kälteste, finsterste und beschissenste Jahreszeit ist wieder angebrochen. Wir haben Tipps wie du die glücklich-besoffene Festivalstimmung zur Depressionsbekämpfung in dein Wohnzimmer holst.

Ist es Morgen? Mittag? Mitternacht? Eigentlich scheißegal, die graue Nebelsuppe, in der wir momentan dahinsiechen, sieht immer gleichermaßen deprimierend aus. Also: Guten Morgen! Her mit dem Kaffee. Dass sich diese Umstände auch auf jedes Musikerherz bzw. auf diejenigen, die vor allem den Outdoor-Gigs verfallen sind, prägend auswirken, ist da nur die logische Konsequenz. Wir haben uns ein paar Antidepressiva überlegt, die unumgänglich sind, wenn du nicht dem Strauß gemäß den Kopf mal vier Monate lang in den Sand—oder in deinem Fall in unter die Kopfkissen—stecken willst.

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Du hast also die Festivalkultur zu deiner Religion ernannt – und wie es bei all diesen sektenähnlichen Ausgeburten nun einmal gang und gäbe ist, kannst du natürlich nicht nur halbherzig für drei Monate deinen Göttern Tribut zollen. Sie sind zornig und sie wollen deine Opfergaben an jedem Tag des Jahres. Ansonsten gilt für dich: Hell yes. Oder hell no, je nachdem.

Der augenscheinlichste Unterschied und wohl auch die größte Herausforderung, der du dich zu stellen hast, wenn du die Outdoor-Stimmung zurückgewinnen willst, ist schlichtweg die Tatsache, dass dein unaufgeräumtes und viel zu kleines Wohnzimmer natürlich nicht den utopisch weiten Feldern eines Festivalgeländes entspricht. Sieh’s aber positiv: Den Dreckpegel hast du hier schnell erreicht. Streu ein paar Bierdosen aus, am besten verschüttest du den goldenen Tropfen auch noch an der ein—oder anderen Stelle, immerhin wollen wir ja nicht auf das süßlich-widerliche Aroma verzichten, das in der Kombination Textil+Bier so schön aufgeht. Denk an Tom Meagan von Kasabian oder all die anderen Rockstars, die regelmäßig ihr Getränk von der Bühne aus ins Publikum segeln lassen. Du brauchst aber nicht nur Bierdosen, du brauchst (neben weitaus härteren Getränken) natürlich auch richtigen Dreck. Schlamm, Gras, Blätter. Alles, was du so vor deiner Haustür findest. Wieder ein positiver Punkt im Spätherbst: Wenigstens gibt es davon beschissen viel.

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Wenn du deine Räumlichkeiten dann also so richtig schön eingesaut hast, sind natürlich noch zwei wichtige Aspekte zu beherzigen: Die Zuseher und, ach ja, die Bands. Zuseher lassen sich einrichten, deine Freunde haben vielleicht so viel Mitleid mit dir, dass sie sich—zumindest für ein paar betrunkene Stunden—dazu überreden lassen, in deine stinkende Höhle zu kriechen. Ansonsten musst du in gegebenem Fall, eben auf Drohungen zurückgreifen. Nimm dir ein Beispiel an Brian Molko. Wenn nicht alles nach seiner Nase tanzt, schwankt er schnell mal von superlieb zu super-Arschloch und kommuniziert das auch vor versammelter Fancrowd ohne Rücksicht auf Verluste (aber mal ehrlich, Freunde, auf ein Placebo-Konzert zu gehen, ohne bei "Pure Morning" mitsingen zu können, muss ja aber auch wirklich nicht sein). Wer sich also mit dir, dem wichtigsten Jünger der neuen Indoor-Festivalkultur, anlegt, zieht ebenso den Festivalgottzorn auf sich. Wenn das nicht zieht, bestich sie mit Gratisbier. Das hat noch jedes Mal funktioniert.

Bei den Bands stehst du vielleicht schon vor einem größeren Problem. Immerhin bist du low budget unterwegs—und hast das meiste natürlich schon für Chicks und Bier ausgegeben (ja, hübsche Mädels im Bekanntenkreis zu haben, ist leider ein Privileg; du brauchst sie aber, immerhin soll es ja auch gelebtes Groupietum inklusive Wet-T-Shirt und den ganzen restlichen frauenfeindlichen, postfeministischen Mist geben). Dir steht also weder Dave Grohl (der schon gar nicht, hallo) noch eine genügsamere, liebe Band, die vielleicht sonst sogar zu einem Charity-Gig zu überreden wäre (vielleicht Of Monsters and Men oder so, die singen doch ohnehin just for the love, oder?), zur Verfügung. Ebenso ist es recht unwahrscheinlich, dass du großartige Festival-Ikonen wie die Crystal Fighters zu dir locken kannst. Die Kosten für die illegalen Suchtmittel, die du dafür von deinem Festivalbudget abziehen müsstest, übersteigen bei weitem alles, was du so im petto hast. Also, keine crystalized party für dich.

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Du musst also, wie bei den Zusehern, ebenso auf deinen Freundes- und Bekanntenkreis zurückgreifen. Wenn du Glück hast, spielt einer deiner besten Freunde in so einer semiprofessionellen Band. Dass er also jetzt Mal einen Gig am Sportplatz oder in der Stammkneipe auslässt und dafür bei dir die Bude so richtig aufheizt, kann ja wohl nicht zu viel verlangt sein. Sieh nur zu, dass er oder sie nicht zu gut aussieht. Der Leadsinger bekommt die Groupies, die du ja glorreicherweise engagiert hast. Da du aber, als Festivalveranstalter, das Vorrecht der exklusiven Partnererstauswahl behalten willst, musst du auch verdammt noch mal der oder die Heißeste sein. Du hast zwar wahrscheinlich nicht dieselbe lockige Haarpracht wie The Kooks-Sänger und Oberschnuckel Luke Pritchard, nicht Jared Letos umwerfende (wenn auch etwas zu nah beieinanderstehende) Augen und schon gar nicht einen fucking romantischen Namen wie Strokes-Sänger Julian Casablancas vorzuweisen - aber sicherlich hast du andere Vorzüge. Wenn nicht, setz dir eine Maske und/oder eine Perücke auf.

Soweit, so gut. Du hast die Hard Facts geklärt. Band steht, Bier ist kalt, Mädels sind betrunken. Damit deine Wohnung auch noch klimatisch an die Sommerzeit erinnert, dreh die Heizung so richtig schön auf. Die tropische Stimmung wird alle zum Schwitzen und den Alkohol zum Wirken bringen. Außerdem hast du dann eine Ausrede dafür, dein Shirt zu späterer Stunde zu lüften und alle anderen um dich herum dazu aufzufordern, es dir gleich zu tun. Pete Doherty hat es vorgemacht und du machst es – mit einer hoffentlich nicht ebenso ausgefressenen Wampe—nach (du solltest dich da eher an Marten Lanciny alias Marteria orientieren, so knackig wollen wir das sehen!).

Beim nochmaligen Durchlesen dieses Berichts müsste allerdings eine Tatsache traurigerweise festgehalten werden: Das klingt doch alles wie oberflächliche Scheiße. Du gibst dich lieber mit zweitklassiger Musik zufrieden, als dass du dich in den Schatten von womöglich schöneren Menschen stellst. Du versuchst schlichtweg, deine Besucher abzufüllen, damit sie dir wohlwollend entgegenlallen, wie toll du nicht alles inszeniert hast. Du machst deine Mama unglücklich, denn immerhin wird sie diejenige sein, die entweder die ganze Schweinerei wieder saubermachen, oder aber dafür bezahlen wird, weil du ja immerhin dein gesamtes Erspartes in dein Wahnsinnsprojekt gesteckt hast. Und, wieso um alles in der Welt geht dein kranker Plan trotzdem auf?

Richtig, weil du verdammt nochmal der neue Messias bist. Dank dir müssen wir nicht bis zum nächsten Sommer warten, sondern können jetzt schon—in enger, aber durchdacht-persönlicher Atmosphäre—den Festivalfreuden fröhnen. Dreck und Enge beeindrucken uns da wenig. Schon gar nicht können sie uns abschrecken. Amen.

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