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Rudis Brille

Rudis Brille: Ruhm and Bass

Österreichs Festivals schrumpfen sich gesund. Es geht auch ohne Techno.

Foto via Flickr | Robert Agthe | CC BY 2.0

Dieser Tage erschien ein ausführliches Interview mit Christian Lakatos, dem Mastermind und Begründer des Urban Art Forms, in dem er ausführlich offen legte, wie nun die Zukunft der Musikfestivals im Osten des Landes aussehen könnte. Das Urban Art Forms schrumpft jedenfalls zu einem Ein-Tages-Event in den Wiener Marxhallen und bleibt in Händen der Betreibergesellschaft Skalar. Er selbst, Christian Lakatos, überlässt Skalar die Marke, gründet seine neue Spielwiese Nu Forms und supported in weiterer Folge wieder seinen einstigen Wegbegleiter Norbert Bauer beim Beatpatrol und unterstützt ihn beim Booking. Nun was heißt das? Das Nu Forms—dafür gibt es auch schon ein Datum und ein Lineup—wird im Juni in Wiesen als reines (Drum and) Bass-Festival abgehalten.

Drum'n'Bass und Urban Art Forms waren ja schon immer dicke Freunde: Bereits vor zehn Jahren haben wir uns kopfschüttelnd darüber gewundert, warum die (extrem junge) Drum'n'Bass-Community in ihrem Tent gefühlte 72 Stunden durchravte, während es am Main Floor stets an Stimmung mangelte. Offenbar hat sich das im Jahr 2015 (beziehungsweise sprechen wir ja eigentlich schon von 2016) eher noch verschärft.

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Foto via Flickr | Robert Agthe | CC BY 2.0

Kaum ein Festival wurde heuer so arg kritisiert wie das Urban Art Forms. Zuerst hieß es ja, es würde den Weg zurück nach Wiesen gehen, um wieder so zu werden wie einst, als es noch „cool“ war. Damals vor David Guetta also. Dass dies ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen war, lag für die Kenner der Szene auf der Hand, zumal es dann sehr wohl wieder unnötige EDM-Mainstream-Bookings waren, die das ursprünglich propagierte Konzept ad absurdum führten. Es folgte eines der schrecklichsten, um nicht zu sagen traurigsten Festivals aller Zeiten im Burgenland. Große Namen verloren sich und ihr Set vor gefühlten 30 Zuhörern, die heimischen Acts waren maximal Lückenfüller (wovon eigentlich—wenn nichts da ist, gibt’s ja auch keine Lücken) und selbst die so called Superstars spielten für ihre unglaublichen Gagen vor schütterer Kulisse.

Ausnahme war, no na, der Drum'n'Bass-Floor. Vollkommen autark und unbeeindruckt ravten dort die Kids in ihrem Zelt, der Schweiß floss, die Lippenflinserl flogen und der MC (er spielt in diesem Segment ja noch immer eine prägende Rolle) heizt sie in gekonntem Cockney an. Die Pest hätte ringsum ausbrechen können, Drum'n'Bass hätte die Kids am Leben gehalten.

Die musikalische Pest war ja andernorts schon längst ausgebrochen. Die übrigen Festivals hatten sich ja dem Quotenbringer EDM verschrieben und der herkömmliche Clubsound, egal ob House oder Techno, hatte sich in den Köpfen der Manager damit vermengt. Ein Amalgam aus Beats beschallte weltweit die großen Dance-Events—die meisten sind ja gar keine Festivals—und die Gagen aller, die auch nur den Hauch eines Hits releaset hatten, der irgendwo zwischen den Musikblogs und Beatport für selbsgezündetes Aufsehen sorgte, schnellten zum Mond.

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Foto via Flickr | AndYaDontStop | CC BY 2.0

Wen wundert es da, dass Leute wie Chris Lakatos irgendwann einmal die Lust an dem teuren Vergnügen verloren, das am Ende die Reichen noch reicher macht und die anderen fünf Jahre ihres Lebens verlieren lässt? Wen wundert es da, dass er sagt, er wolle mit dem Wahnsinn nichts mehr zu tun haben, der da lautet: Größenwahn?

Wie schon oft hier und anderswo prophezeit: Österreich verschwindet (fast) gänzlich von der Landkarte der ernst zu nehmenden Festivals. Es bleiben kleine, feine Drum'n'Bass-Events, wo noch mit Freude gefeiert wird, wo sich im Netz die Kommentare überschlagen ob dem Line Up, das sich—selbst für Nicht-Auskenner—liest wie das Who is Who. Das Ganze hat natürlich auch einige klare Gründe:

Die Drum'n'Bass-Community ist sehr gut organisiert. Sie spricht sich auch viel besser ab als die Techno- und House-Szene und sorgt somit dafür, dass ihre Events quasi von allen besucht werden—egal, ob sie nun in der Arena, im Flex oder in der Forelle stattfinden. Damit steigt auch die Begeisterung, diese Acts auf Festivals sehen zu wollen. Auch dürften die Leute durch die Opinion Leader in der Szene besser abgeholt werden.

Die Leute sind jung und viele Clubs (außer dem Flex) wollen Besucher erst ab 21 Jahren. Das ist kurioserweise das Alter, in dem sich die Drum'n'Bass-Fans oft neue musikalische Herausforderungen suchen. Früher hieß es, bis 20 höre man Drum'n'Bass, dann wechselt man. Das ist nun längst nicht mehr so. Und ganz ehrlich, wohin sollen denn die jüngeren Leute gehen, wenn sie nirgendwo rein dürfen?

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Foto via Flickr | Sandra Rybicki | CC BY-ND 2.0

In diesem Musiksegment gibt es weit weniger Nischendenken. Da wird noch viel mehr toleriert und die Stimmung ist ohnehin immer viel besser—egal, ob es die mellow oder härtere Schiene spielt. Klar, vielleicht lässt Drum'n'Bass weniger Spielarten zu, aber zuletzt haben auch hier wieder einige UK-Acts wie Sigma kommerzielle Hits mit Drum'n'Bass-Beats produziert und somit geholfen, dem Ganzen einen zusätzlichen Auftrieb zu verleihen. Bei House und Techno herrscht momentan Stillstand, je analoger desto besser. Ist OK, doch neu ist das auch nicht.

Im Drum'n'Bass-Segment ist Österreich tatsächlich eine Weltmacht, siehe Camo & Krooked. Es gibt in kaum einem anderen europäischen Land (außer natürlich UK) eine homogenere und begeisterungsfähigere Szene als hierzulande. Selbst „am Land“ funktionieren Drum'n'Bass-Partys und gibt es dafür Communitys—selbst in Kufstein, Klagenfurt oder im tiefsten Burgenland sind Drum'n'Bass-Events der Knaller. Mag auch sein, dass die jungen Leute es einfach gerne wilder und schneller mögen. Gut, man könnte als Manöverkritik anmerken, dass es nicht immer um das tiefgreifende Musikverständnis auf einer Drum'n'Bass-Party geht, sondern mehr um den Mitmacheffekt—aber das gilt für vieles andere auch.

Die Gagen sind natürlich allesamt leistbarer und nachdem sich Dubstep teilweise mit EDM vermischt hat, sind auch die Konturen wieder viel klarer. Ein internationales Spitzen-Line Up wie beim Nu Forms wäre umgelegt auf ein Technofestival eine Millionen-Euro-Angelegenheit, die unleistbar ist.

Dies könnten ein paar Antworten darauf sein, weshalb sich hierzulande die elektronischen Festivals auf dieses Genre reduzieren, aufgepeppt mit ein bisschen HipHop, der auch gerade einen Boom erlebt. Die Gefahr, dass man die Kuh hier zu Tode melkt, besteht natürlich auch—vor allem, wenn jetzt alle auf den Zug aufspringen wollen—aber gemolken wird sowieso immer irgendjemand. Solange es nicht immer nur die Besucher sind, die geschröpft werden (und am Ende wenig dafür bekommen), ist das in Ordnung und auch aus der Sicht des Veranstalters, der, wie Lakatos meint, nun endlich wieder Dinge auf die Beine stellen kann, die „ihm Spaß machen“. Mir macht diese Entwicklung nicht ganz so viel Spaß, da das Zurückbesinnen auf sehr junges Publikum auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, aber wenn es eben seine Zeit braucht, um sich neu zu orientieren … 2017 soll es ja auch wieder ein richtiges elektronisches Festival geben, dann soll es so sein. Ich harre hoffnungsfroh der Dinge..und ja, es gibt ja noch das Spring.

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