FYI.

This story is over 5 years old.

Features

10 mal heißer Scheiß für 2015, beim Eurosonic Festival für euch aufgespürt

Das Eurosonic Festival in Groningen ist die alljährliche Newcomer-Fleischbeschau fürs Folgejahr. Hier sind unsere heißesten Beobachtungen.

Alle Fotos © Ayke Süthoff

Das Groninger Eurosonic Festival zieht vor allem aus einem Grund seine Daseinsberechtigung: Es stellt Europas größte Nachwuchshoffnungen für das folgende Jahr einem größeren Publikum vor, das zudem fast ausschließlich ein Fachpublikum ist. Die 40.000 Besucher, die Mitte Januar durch Groningens Pfützen waten, bestehen hauptsächlich aus Festivalbookern, Künstlermanagern, A&Rs und Journalisten. Zu letzterer Gruppen zählen wir uns, daher berichten wir im Folgenden pflichtbewusst von den Höhepunkten der letzten Tage, in unserem großen ESNS-Newcomer-für-2015-Check.

Anzeige

Shura

Bei mehr als 345 Acts in drei Tagen steht selbst für das Fachpublikum hinter den meisten Bands ein Fragezeichen. Allerdings gibt es jedes Jahr ein paar Musiker, die schon längst auf dem großen Hype-Express Platz genommen haben. Die in Russland geborene und in London lebende Shura ist ein gutes Beispiel dafür. Mit „Touch“ gelang ihr ein ziemlicher Hit. Das Video, in dem sich eine Reihe hipper Menschen unabhängig vom Geschlecht knutscht, hat seinen Anteil daran, dass die junge Frau Anfang 2015 fast schon mehr als ein Geheimtipp ist.

Beim Eurosonic-Gig am Mittwoch, bestätigte sie zum einen den Hype, indem sie ihr Hitpotenzial mehrfach zeigte. Leider entkräftet sie gleichzeitig den Hype auch etwas, weil es ihr insgesamt noch an Präsenz und Kraft fehlt. Da sollte noch mehr kommen.

Kiasmos

Kiasmos dagegen scheinen schon exakt zu wissen, was sie wollen. Der nächste Island-Hype? Man kann davon ausgehen. Kiasmos bespielten Donnerstagnacht als letzte Band eine der größten Bühnen der Stadt und die Schlange vor der Tür reichte bis weit auf den Marktplatz. Musikalisch fällt bei und nach diesem Konzert immer wieder der Name Moderat als Referenz. Damit können Olafur Arnalds und Janus Rasmussen, die Herren hinter Kiasmos mit Sicherheit leben.

Schwedischer Soul

Was ist nur mit Schweden los, frage ich Mapei im Interview ein paar Stunden vor ihrem Konzert, dass diese Musikernation statt Pop inzwischen vor allem R’n’B und Soul exportiert? Um Musikerinnen wie Mapei, Naomi Pilgrim und Seinabo Sey entsteht gerade eine vollkommen neue Generation schwedischer Sängerinnen. Mapei, die teilweise in New York und teilweise in Stockholm aufgewachsen ist und aus dem Rap kommt, erklärt, dass diese neue Generation eben in den Neunzigern musikalisch geprägt wurde, durch HipHop, R’n’B und Soul. Und tatsächlich erinnert ihr Gig später an Janet Jackon, TLC oder Fugees, Mapei rappt und singt sich in der Herzen des Eurosonic. Seinabo Sey hatte dort offenbar schon einen Platz, denn schon ein halbe Stunde vor dem Konzert wird wegen Überfüllung niemand mehr reingelassen. Offenbar zu Recht, wie mir der österreichische Kollege im Nachhinein vorschwärmt.

Anzeige

Lary

Lary hatte es verdammt schwer: Erstens hat es deutschsprachiger R’n’B außerhalb der deutschen Landesgrenzen naturgemäß noch schwerer als innerhalb derer. Zweitens spielte sie in einer Location, die den Charme einer Grundschulaula versprühte. All das hielt sie nicht davon ab, eine äußerst heiße Show zu spielen und daher vollkommen zu Recht in diesem Artikel aufzutauchen.

Die Nerven

Die deutsche Punkband macht sich ja schon länger einen Namen in der Heimat, in Groningen überzeugten sie ein internationales Publikum. Die Location war so voll, dass sich das Haus beim Konzert spürbar bewegte, was Die Nerven natürlich einen Scheiß interessierte. Der Gig war der lebende Gegenbeweis für die These, dass auf dem Eurosonic nur gelangweilte Booker und Musikjournalisten kritisch blickend an ihrem Bier sippen und jegliche Stimmung killen, bevor sie aufkommen kann.

Frikandel

Ich hatte schon in der Überschrift heißen Scheiß angekündigt und mit das Beste am Groninger alkoholgeschwängerten Branchentreff ist, dass du nachts um drei frisch zubereiteten heißen Scheiß namens Frikandel aus einem Automaten ziehen kannst. Frikandel ist ein aus den Fleischresten der vergangenen Tage zusammengerolltes „Bouletten-Würstchen“, das so stark gewürzt ist, dass du glücklicherweise nicht merkst, was du dir da gerade reinpfeifst, und um in diesem Punkt auf Nummer sicher zu gehen, bestellst du am besten die gute alte „Speciaal“-Variante: mit literweise Ketchup, Mayonnaise und rohen Zwiebeln. Davon hast du dann geschmacklich auch den nächsten Tag noch was, aber wenn es um Vermeidung von einem Kater, Stillen von Fressflashs und eines gemeinschaftsbildenden Erlebnisses geht, sind Frikandel unschlagbar.

…oder Eier Ball

Die vegetarische Variante des oben beschriebenen Fleischgelöts nennt sich Eier Ball. Diese Groninger Spezialität, die für Niederländer aus beispielsweise Amsterdam oder Eindhoven genauso fremd ist, wie für einen Deutschen oder Franzosen, ist nichts anderes als ein im Teig frittiertes Ei. Das Geschmackserlebnis Eier Ball ist, vorsichtig gesagt, überschaubar. Aber er erfüllt letztlich den selben Zweck wie die Frikandel, wenn man spätnachts auf der Suche nach Elektrolyten ist. Außerdem: heißer Scheiß.

Anzeige

Bilderbuch

Die vier Boys aus Vienna waren schon heißer Scheiß für 2014, deshalb sind sie aber in 2015 kein bisschen weniger heiß. In ein paar Wochen kommt ihr neues Album Schick Schock und beim Eurosonic-Konzert präsentierten sie erstmals ihr neues Live-Programm für 2015 mit jeder Menge neuer Hits. Maurice brachte nach einiger Anlaufzeit das Fachpublikum zum Schwitzen und Maik stellte deutliche Ansprüche auf den inoffiziellen Titel des besten Gitarristen Groningens an diesem Wochenende.

Young Karin

Eventuell für mich die überraschendste Entdeckung des diesjährigen Festivals. Bis dato hatte ich noch nie von dem jungen Duo aus Island gehört, die Performance mit futuristischen R’n’B/Popsongs, Verweisen auf Drake und großen Melodien hat mich aber auf Anhieb überzeugt.

Appen

Aufgrund dieser Nachricht dachte ich erst, „appen“ wäre essen, aber weit gefehlt: Wenn man jemandem im Holländischen eine Whatsapp-Nachricht schickt, dann „appt“ man ihm. Keine Ahnung, warum sich dieses Wort noch nicht im deutschen Sprachgebrauch niedergeschlagen hat, aber „Ich gehe jetzt zu Kiasmos, wir appen später“, „App mir, wenn du da bist“, usw usf klingt doch super. Das Jugendwort des Jahres 2015, wartet app, ääh, ab.

Sekuoia

Der Däne ist gerade 22 Jahre alt geworden, veröffentlicht aber schon seit mehr als zwei Jahren regelmäßig Musik und hat sich in dieser Zeit zu einem der vielversprechendsten Talente im Kosmos der elektronischen Musik entwickelt. Er nennt Four Tet, Shigeto und so ziemlich alle Warp-Künstler als Vorbilder und untermalt diese Ansage auch musikalisch. Live setzt er bewusst alles mit Band und möglichst frei um, was nicht nur einen interessanten Gegensatz zu seinem im Bedroom produzierten Computersound bildet, sondern auch für Euphoriewellen im Publikum sorgt. In wenigen Wochen erscheint seine neue EP, wir sind schon jetzt heiß drauf.

Folgt Ayke bei Twitter: @suethoff
**

Folgt Noisey bei Twitter und Facebook.