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You Need to Hear This

Y'akoto will nichts toppen, Y'akoto will einfach nur Musik machen

Nach dem erfolgreichen Debüt war der Hype groß, doch Y'akoto ließ sich bei den Arbeiten zum Nachfolger nicht reinreden. Sie sieht das eben alles immer ein wenig anders.

Foto: Gergana Petrova Als Teenager dröhnte System Of A Down und Rage Against The Machine aus ihrem Zimmer, jetzt veröffentlicht die Soul-Sängerin Jennifer Yaa Akoto Kieck aka Y'akoto bereits ihr zweites Album Moody Blues. Ohne sich vom Erwartungsdruck ihres Umfelds anstecken zu lassen, der sich nach ihrem Debüt aufgebaut hatte, reiste sie nach Los Angeles, London, Paris und Berlin, um neue Songs aufzunehmen. Natürlich hatten bei einigen Songs wieder Max Herre und Kaheedi ihre Finger am Mischpult, um den Sound der deutsch-ghanaischen Wahl-Hamburgerin zu definieren.

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Wir haben Y'akoto in einem Berliner Hotel getroffen und mit ihr über ihr neues Album, den „Cool'n'Easy“-Flair von LA und den Kampf gesprochen, den Menschen eingehen, um zu uns nach Europa zu kommen.

YNTHT: Du wurdest in Hamburg geboren und bist in Ghana, Kamerun, Togo und dem Tschad aufgewachsen. Warum bist du in deiner Jugend eigentlich soviel umhergezogen?
Y'akoto: Ganz einfach wegen dem Beruf meiner Eltern. Mein Vater ist Musiker und meine Mutter Entwicklungspolitologin. Natürlich war der Drang groß, auf beiden Kontinenten zu leben, denn mein Vater ist Ghanae und meine Mutter Deutsche. In Ghana habe ich meine Kindheit verbracht, aber jetzt bin ich in Hamburg gemeldet. Meine absolute Lieblingsstadt in Deutschland. Aber ich reise so viel rum, dass ich sehr wenig von meiner geliebten Wohnung sehe.

Du reist oft nach Westafrika, was hat sich dort seit deiner Jugend verändert?
Westafrika ist zurzeit total im Umbruch und das macht Spaß. Die Städte sind jung, es wird viel investiert. Kunst und Kultur werden höher gestellt, als vor zwanzig Jahren. Es herrscht eine Aufbruchsatmosphäre.

Ist die Musikszene dort sehr aktiv?
Komplett. In der ghanaischen Hiplife -und Azonto-Szene geht einiges. Mittlerweile macht jeder Musik. Kannst du nicht mit Deutschland vergleichen, ist wirklich ein komplett eigener Stil.

Beim letzten Album Babyblues wurdest du als Stimmwunder gelobt und als Newcomer gehypt. Hast du bei den Arbeiten zum neuen Erfolgsdruck verspürt?
Nee, voll nicht. Den Druck hatten eher die Leute, die um mich herum gearbeitet haben. Die Plattenfirma und Produzenten meinten, dass wir jetzt noch was machen müssen, was viel besser ist, als das Debüt. Die Hälfte meiner Energie ist drauf gegangen, um dagegenzuhalten und zu sagen: „Ey, mal ganz ruhig. Ich mache jetzt einfach das, was ich beim ersten Album auch gemacht habe, nämlich Songs. Ganz ohne Hintergedanken, irgendetwas toppen zu wollen.“ Zum Glück war ich da ziemlich stur und habe das auch vertreten. Egal ob das im Studio, auf dem Sofa meines R&As oder vor meinem Manager war, ich war vehement. „Klar, ihr kümmert euch um die kommerzielle Abteilung, aber ich kümmere mich gerade nur um die Kunst.“ Deswegen hatte ich zum Glück nicht diesen Druck. Ich habe ihn aber auf jeden Fall wahrgenommen.

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Sicher nicht leicht, sich da durchzusetzen.
Für mich war es leichter, als ich gemerkt habe, dass mein Leben nicht davon abhängt. Ich bin ausgebildete Tanzpädagogin/Choreografin und engagiere mich sehr für Tanzprojekte in die ich mehr Geld reinstecke, als ich dafür bekomme (lacht). Wahrscheinlich habe ich deswegen eine gewisse innere Ruhe, für die ich sehr dankbar bin. Ich habe noch ein richtiges Handwerk und Pläne. Meine Musik gehört einfach zu mir. Ob ich mit ihr Erfolg habe, hängt ja von so vielen verschiedenen Faktoren ab. Es zählt ja nicht nur, ob die Leute das gut finden, sondern auch, dass die Medien, die Radiostationen das auch gut finden und ich in den Zeitgeist passe. Das kann ich ja nur minimal beeinflussen, deswegen bin ich da ganz locker.

Du hast in Berlin, Hamburg, Paris und London aufgenommen. Haben sich die unterschiedlichen Städte und ihre Auren auch auf die jeweiligen Songs ausgewirkt?
Das ist voll die gute Frage, auf jeden Fall hat es das gemacht! Ich habe in LA mit Mocky in einem alten umgebauten Studio in den Beverly Hills aufgenommen, in dem wohl auch Michael Jackson Sachen aufgenommen hat—wurde mir jedenfalls gesagt. Ich lief dann durch LA, es war immer sonnig, alle sind auf den ersten Blick megapositiv, du wirst ständig begrüßt. Der Lifestyle dort ist „everything's cool and easy.“ Das hat mich schon ziemlich angesteckt, ich war monsterproduktiv. Wir haben fünf oder sechs Songs innerhalb von drei Tagen aufgenommen. Ich habe gemerkt, dass mich dieses Sorglose voll angesteckt hat und wollte den klassischen Soulsound haben, deswegen habe ich mich zusammen mit einer superentspannten Band in einen Raum gesetzt und wir haben alles gemeinsam aufgenommen. Um diesen alten Soul-Spirit einzufangen.

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Das hat dann ja auch eine ganz andere Dynamik oder?
Voll, deswegen hat die Stadt mich sehr beeinflusst. Diese positive Herangehensweise hat sehr zu meiner eigenen gepasst. In Berlin war das anders, die Deutschen sind ja eher verkopfter. Wobei mich das Aufnehmen mit meinem Homebase-Team Kaheedi, Max Herre und Roberto di Gioia ja auch wieder positiv beeinflusst hat. Die Jungs sind viel detaillierter und gucken, was es noch gibt, sind sehr innovativ und ehrgeizig dabei, einen Sound zu erfinden. Was ich ihnen hoch anrechne. Haze hatte in Köln vorgearbeitet und ist dann nach Hamburg gekommen. Hamburgs Lässigkeit beeinflusste mich auch. Wir haben im Studio nicht viel rumexperimentiert, sondern solide das durchgezogen, was wir machen. Da hat mich meine Mutter sehr mit der Hanseatischen Mentalität geprägt.

Dein neues Album hört auf den Namen Moody Blues. Woher kommt die düstere Stimmung?
Weil meine Lowpoints meine Highpoints definieren. Wenn ich mich zurückziehe, komme ich schon ziemlich ins Grübeln. Ich nehme mir dann Zeit und versuche dieses Grübeln nicht zu verplempern, sondern nutze es, um Kunst zu machen, mich kreativ auszupowern. Ich bin schon eine Künstlerin, die sich die Freiheit nimmt, Sachen anders zu sehen, also auch mit mir selber unangenehm zu werden. Wenn ich Dinge beleuchte, sehe ich Licht, aber auch den Schatten, das ist mein Thema. Je länger ich Leute kenne, umso mehr Facetten sehe ich. Ich habe Babyblues mit 22 geschrieben und meine Sicht ist jetzt eine ganz andere.

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„Off The Boat“ handelt von einem Flüchtling, der beim Übersetzen mit dem Boot stirbt. Woher hast du das benutzte Sprachsample? Welche Geschichte steckt dahinter?

Ich wollte den Song komplett a capella machen, also haben wir mit Kochlöffeln gegen die Bettkante getrommelt. Dann hatte ich also die Geschichte von diesem Mann, der über Bord geworfen wurde und mit seinen letzten Gedanken bei seiner Frau ist, aber ich wollte noch eine Stimme, einen O-Ton. Dann haben wir wirklich im Internet gegraben, nach den Videos, die sich keiner anguckt, authentische Aufnahmen von Flüchtlingen. Da war ein Typ, der genau wie ich 26 Jahre alt war und der sich darüber ärgert, wie er an der Grenze behandelt wird. Er regt sich übertrieben auf und genau diese Energie wollte ich. Ich wollte nicht, dass irgendein Schauspieler das einspricht, ich habe mich unglaublich eingesetzt, weil ich nicht wusste, wie sich das mit den Urheberrechten verhält. Aber wenn da kein Name steht, ist es frei verfügbar. Der Schrei, der auch zu hören ist, ist übrigens von mir (

lacht

).

Nutzt du viele Medien, um dich zu informieren oder lieber persönlichen Austausch?
Nee, überhaupt nicht über die Medien, sondern über Menschen. Da ich ja viel rumreise, ist es für mich leichter, mit fremden Menschen zu reden, weil das natürlich nicht so nah an mir dran ist. Manchmal gehen mir meine Freunde auf die Nerven und sagen: „Mensch, jetzt erzähl doch mal was von dir!“ Ich kann unglaublich gut mit Leuten Kontakt aufnehmen. Auf den Reisen habe ich so viele Storys von Menschen mit unterschiedlichen Backgrounds gehört. Ein roter Faden ist immer, das eigene Land verlassen zu müssen. Selbst in Deutschland packen Menschen ihre Sachen, weil es für sie hier nicht möglich ist, eine Existenz aufzubauen. Das Thema fasziniert mich schon, seit ich 18 bin. Ich finde diesen Kampf enorm, den Leute auf sich nehmen, um z.B. nach Europa zu gelangen. Ich stelle mir immer vor, dass die Situation auch andersherum sein könnte. Wer weiß, vielleicht ändert sich hier irgendwann auch das Klima und wir müssen weg.

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Fehlen dir in den heutigen Radiocharts Musiker, die wirklich etwas zu erzählen haben?
Ist halt gerade der Zeitgeist, den kann ich nicht beeinflussen. Ich bin in den Neunzigern aufgewachsen und habe mich mit der damaligen Musik beschäftigt. Da hatte ich oft das Gefühl, das gerade im Deutschrap einiges ging. Freundeskreis zum Beispiel hatten Mal etwas anderes thematisiert. Es gab schon Radiohits, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie mehr Gehalt hatten. Aber alles hat seine Zeit, es kann sich immer wieder komplett drehen, wenn die Leute etwas anderes wollen. Ich bin kein Radioredakteur, aber hätte ich es in der Hand, würde ich das Game auf jeden Fall ändern. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja es fehlt mir. Ich will ja, dass mit mir gesprochen wird und das ich berührt werde. Ich kann vielleicht zwei, drei Lieder hören, die mich dazu auffordern, den Kopf zu verlieren und meinen Hangover zu zelebrieren, aber das war es dann auch.

In einem Interview habe ich gelesen, dass du als Teenager gerne System of a Down gehört hast. Jemals Lust gehabt, in einer Metalband zu singen?
Ich liebe System of a Down! Der Sänger ist krass und die musikalischen Arrangements sind großartig. Ich habe auch viel Rage Against The Machine, Sublime und Hed PE gehört. That was my shit. Auch jetzt in LA habe ich gerne bei den Proben meines engen Freundes Tosin Abasi, der spielt bei Animals As Leaders, zugehört, weil die Musik sehr meditativ ist.

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Wie bist du dann zu deiner jetzigen Musik gekommen?
Weil ich ein ziemliches Spielkind bin und mich schon immer für vieles interessiert habe. Ich habe Punkrock und Reggae gemacht, war immer in Bandkellern und habe bei Proben zugeschaut. Später habe ich Elektro gemacht und mich so richtig ausgelebt. Es gibt ja leider mehr Jungs als Mädchen, die Musik machen. Irgendwann kam das Bedürfnis danach, mal ganz losgelöst von den ganzen Boys, Ladysongs zu machen. Ich wollte persönliche Songs schreiben, die nur meine Perspektive beleuchten, die ganz simpel sind und viele Menschen erreichen. So kam das, durch den Drang, Musik für mich und die Welt zu machen.

Glücklicher Zufall, dass deine Stimme genau zu dieser Musik passt.
Genau, ich war total glücklich. Ich hatte schon immer eine sehr kräftige, dunkle Stimme, die eigentlich null zu meiner Sprechstimme passt. Das ging so weit, dass Leute vor mir saßen und fragten: „Hast du schon von der Sängerin gehört?“ und ich so: „Ja, das bin ich.“ Ich komme vom Jazz, habe auch in einer Bigband gesungen und dadurch viel gelernt. Deswegen war ich natürlich froh, als Mädels wie Amy Winehouse und Adele kamen, die auch mit so einer Kraft gesungen haben. Da habe ich mich viel selbstsicherer gefühlt, das auch so zu machen.

Moody Blues ist bei Warner Music erschienen Du kannst es bei Amazon und iTunes kaufen.

Tour Dates
01.12. Freiburg - Jazzhaus
02.12. München - Muffathalle
03.12. Zürich - Kaufleuten
05.12. Konstanz - Stadttheater Konstanz
06.12. Stuttgart - Wagenhallen
07.12. Frankfurt - Zoom
09.12. Köln - Club Bahnhof Ehrenfeld
10.12. Osnabrück - Rosenhof
11.12. Hannover - Capitol
12.12. Berlin - Bi Nuu
14.12. Hamburg - Fabrik

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