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Inbegriff der Romantik oder billiges Folk-Klischee? Mighty Oaks stehen vor ihrem Debüt

Treffen sich ein Ami, ein Engländer und ein Italiener in Berlin und entscheiden, die Erben von Mumford & Sons zu werden. Ohoh.

Foto: Bowen Ames / Universal

Treffen sich ein Ami, ein Engländer und ein Italiener in Berlin. Ein klassischer Witz könnte so anfangen. Doch die Mighty Oaks machen keine Witze. Sie wollen die neuen Mumford & Sons werden, zumindest klingen sie so. Diesen Freitag veröffentlichen sie ihr Debütalbum Howl. Der Hype kommt gerade richtig in Schwung, daher fühle ich mich genötigt, den drei Möchtegern-Folkern auf den Zahn zu fühlen.

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Die Mighty Oaks sind Ian Hooper, Craig Saunders und Claudio Donzelli. „Brother“, die erste Single des Debütalbums Howl, soll mich der Band näher bringen, soll mir Lust auf mehr machen. Bedeutungsschwanger setzt das Video ein: Von hinten sieht man einen blonden Knaben, der es sich auf einem Mini-Felsvorsprung gemütlich gemacht hat. Vor ihm die Weite, unter ihm der Wald. Kommt einem irgendwie bekannt vor, so eine Rückenfigur, oder? Richtig! Der Wanderer über dem Nebelmeer von Caspar David Friedrich. Inbegriff der Romantik, Sinnbild der Metaphysik und Transzendenz der Natur.

Der Gesang Hoopers setzt ein, musikalisch und visuell sind in Windeseile alle Folk-Klischees präsent: Wohlige Mehrstimmigkeit macht den Anfang, eine weiche Naturburschenstimme zieht nach, ein gefälliges Midtempo sagt rhythmisch an, wo es lang geht. Für die Augen Wald, Sommer, Lagerfeuer, Freiheit, Freundschaft. Immer schön bei Gegenlicht gefilmt, damit alles aussieht wie durch den Instagramfilter.

In mir regt sich jedoch recht schnell ein nagender Zweifel. Irgendetwas stimmt nicht. Die Musik und die Bilder sind durchaus schön, zugegeben. Aber etwas stimmt da nicht. Die Mighty Oaks machen Radio-Folk. Billige Radiomusik, die sich neuerdings gerne und gefällig in Akustikgitarren, Banjos und Mandolinen als Folk verkleidet. Folk, der nichts von Storytelling, erst recht nichts von einer Jahrzehnte währenden Musiktradition wissen will. Folk als Marke, als Label, als Plakat, als Hülle eben. Folk als Klischee, wie die Bärte der Band, das Video und das Albumcover.

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Gegenlicht, Vollbart, Holzfällerhemden und Schnurri—so müssen moderne Folker aussehen.

Parallel zu dieser Erkenntnis verflacht in „Brother“ mit jeder weiteren Sekunde musikalisch alles zum Radiokonsens. Selbst der Refrain—und der sollte es eigentlich besser wissen—schafft keine Abhilfe. So eine Musik hat ganz gewiss eine breite Hörerschaft, aber die hat das Wörtchen Folk vermutlich noch nie gehört. Weiß also nicht, was hier für eine miese Maskerade abgezogen wird. Metaphysik und Transzendenz—und die weiß der echte Folk ohne Frage zu besitzen—weit gefehlt.

Ich gebe den Mighty Oaks eine zweite Chance und höre mir weitere Stücke vom Debütalbum Howl an. In „Just one day“ wagen die drei—wohlgemerkt mit haargenau der gleichen musikalischen Rezeptur wie in „Brother“—den Spagat zwischen The Tallest Man On Earth und den Shins, tun sich aber hörbar schwer damit. Der fürs Radio gemachte Schönklang gibt einfach zu wenig her. Und Musik sollte bitteschön nie nur schön im Sinne von gefällig sein, auch nicht die im Radio. „Back to you“ hat zumindest mal einen musikalischen Spannungsbogen, kommt im Ganzen aber auch blutleer und uninspiriert daher. Das an Mumford & Sons erinnernde Trommeln vermiest zudem ordentlich die Hörgenuss.

In puncto Mehrstimmigkeit enttäuschen die Mighty Oaks am allermeisten. Denn wenn Sauders und Donzelli hier und da Mal eine Terz oder eine Quinte auf die Gesangsmelodie Hoopers packen ist damit bei weitem noch keine musikalische Folk-Meisterschaft gewonnen. Pubertäre Jungs lernen das bereits in den ersten Wochen vom Schulchor—ob es ihnen gefällt oder nicht. Hätten die Jungs mal lieber fleißig die Mehrstimmigkeit der Beach Boys studiert. Hätte ihrer Musik weiß God only knows nicht schlecht zu Gesicht gestanden.

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Es hätte alles so schön, so frisch, so aufregend sein können. Was aber nach der Enttäuschung von Howl bleibt, ist ein nerdiges Tippspiel: Schaffen es die Mighty Oaks dieses Jahr ins Line-up des Haldern Pop-Festivals? Radio-Folk ist dort regelrecht beheimatet, hier wird der musikalische Fake gerne unreflektiert gefeiert. (Man denke nur daran, wie Mumford & Sons 2010 bei ihrem bereits zweiten Besuch am Niederrhein stürmisch bejubelt wurden.) Nach Mighty Oaks' Gig beim Apple Tree Garden im letzten Sommer, dem kleinen Festival-Bruder des Haldern Pop, und dem Besuch des Eurosonic Anfang diesen Jahres—wo sich auch die Haldern-Booker gerne rumtreiben—scheint die Sache geritzt zu sein. Was nach dem Haldern kommen mag, ist allerdings ungewiss. Denkbar wäre eine Kollaboration mit dem Duo Boy. Musikalisch müsste man sich zumindest schnell einig werden.

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