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You Need to Hear This

Die DNA von Kanye Wests „The College Dropout“

In unserer neuen Serie DNA erforschen wir Alben, die zu Meilensteinen geworden sind. Folge 1: Das Album, das Kanye zu Louis Vuitton Don machte.
Ryan Bassil
London, GB

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit Kanye Wests Debütalbum The College Dropout in die Läden (und über Kazaa auf unsere Rechner) kam. Das ist lang genug her, um guten Gewissens die Bedeutung dieses Albums in Stein meißeln zu können—nicht nur als echten HipHop-Klassiker, sondern auch als Meilenstein des modernen Raps.

Ich werde jetzt nicht so tun, als ob ich The College Dropout gehört hätte, als es rauskam, weil ich das nicht getan habe. Ich war zwölf und zu sehr damit beschäftigt, in der Nase zu bohren und mit meiner Playstation Liebe zu machen. Aber für die Mehrheit, die es getan hat, war The College Dropout eine sensationell produzierte Brise frischer Luft, frei von den Zwängen des Gangstaraps und bereit, die Probleme des echten Lebens anzugreifen, so wie Collegeabschlüsse und Familiengeschichten.

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Jetzt springt in die Gegenwart: Kanye ist nicht nur so nah an einer physischen Gottheit dran, wie es im HipHop nur geht, er ist auch ein 10,0 Punkte-Künstler bei Pitchfork, der—wenn Schwarz-Weiß-Fotografie noch existieren würde—als Poster über den Betten von zukünftigen Generationen als ikonische Popkultur-Figur aus vergangenen Tagen hängen würde.

Als Teil einer neuen Serie von You Need To Hear This werden wir die DNA lebensverändernder Platten von Künstlern unter die Lupe nehmen, die die Grenzen der modernen Musik erweitert haben. Also, lasst uns in das Album eintauchen, dass die Rakete des Erfolgs von Louis Vuitton Don anzündete.

Die DNA von The College Dropout

Der Anfang…

Es ist fast absurd, sich vorzustellen, dass Yeezys Debütalbum von den meisten Musikverantwortlichen abgelehnt wurde, bis Roc-A-Fella sein Gütesiegel darauf gab. Aber, obwohl er Hits für Talib Kweli, Cam’Ron oder Jays Opus The Blueprint produzierte, ist das schlicht und ergreifend die Wahrheit. Während er die Schecks für seine Produktionen eincashte, ist er in die Def Jam-Büros gegangen, hat die Demos seines HipHop-Materials dem A&R Chris Anotuke vorgespielt, ihn angefleht, dass er ihn doch signen möge und die Tatsache beklagt, dass ihn als Rapper keiner Ernst nimmt. Unglücklicherweise wurde er zuerst immer als Produzent gesehen, und wirklich, als nichts anderes. Dummerweise haben es manche Leute nicht gerafft, Kanye zu signen, als er ihnen einen der besten Songs aller Zeiten vorspielte.

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So, I’ll play them these post-Blueprint beats or whatever and then I’ll play my shit. I’ll be like, “Yo, but I rap too.”… I played them “Jesus Walks” and they didn’t sign me.”

Seht ihr, Kinder? Wenn Kanye keinen Deal bekommen hat, nachdem er „Jesus Walks“ vorgespielt hat, dürft ihr auch nicht zu sehr weinen, dass euer Kinderzimmer-Pop-Projekt auf Tumblr nicht von euren Freunden gerebloggt wurde. Vielleicht ist eure Zeit einfach noch nicht gekommen.

Kanye sicherte sich dann doch einen Vertrag bei Capitol Records. Letztendlich aber fiel das Album durch. Wenn man sich die Lyrics zu „Last Call“ anhört, ist das ziemlich traurig. Kanye hatte doch schon alles geplant.

Man, I had picked out clothes, I already started booking studio sessions, I started arranging my album, thinking of marketing schemes. Man, I was ready to go.”

Am Ende hat Damon Dash, selbstsüchtig wie er ist, Kanye widerwillig bei Def Jam unter Vertrag genommen, damit er bei anderen Labels nicht gesignt werden kann.

Die Lyrics

Viele wollten Kanye nicht unter Vertrag nehmen, weil er nicht Straße genug war, oder in seinen eigenen Worten: „I guess they was lookin’ at me crazy ‘cause you know, ‘cause I ain’t have a jersey on or whatever”. Diese Leute wurden von den Auffassungen geblendet, die man damals im HipHop vertrat. The College Dropout war keine Straßenmusik. Es war keine Kampfmusik. Es war Lebensmusik. In Kanyes eigenen Worten handelte The College Dropout davon, „was du in der letzten Woche durchgemacht hast“. Das ist eine Aussage, die sich im Vergleich zu Yeezys Rest, den er verzapft („I have, like, a nuclear power, like a superhero, like Cyclops when he puts his glasses on”) aufrichtig und wahr anhört. Ich schätze, er ist wirklich eines Tages mit einer bestimmten Gefühlslage aufgewacht und einer kreativen Art zu rhymen, ohne dabei Messer und andere Waffen zu benutzen. Denn The College Dropout behandelt Themen, die sich von Religion („Jesus Walks“), Amerikas kaputtes Bildungssystem („School Spirit“), über unangebrachten Materialismus im schwarzen Amerika („All Falls Down“) bis zur modernen Familie („Family Business“) und Aussehen („New Workout Plan“) erstreckten. Es hörte sich anders an und großartig.

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Die Produktion

Während die Themen hinter The College Dropout an seinen Erfolg angeheftet werden können, würde die Platte sich nicht mal halb so brillant ohne seine herrliche Produktion anhören. In Eigenverantwortung von Kanye produziert—mit der Technik, die er in den Jahren davor für den Jigga perfektioniert hat—hat sich The College Dropout nicht nur lyrisch anders angehört, sondern auch akustisch.

Kanye hat minutiös alte Samples miteinander verwoben—Chaka Khan auf „Through The Wire“ und Jamie Foxx auf „Slow Jamz“—mit Ablegern in Richtung Gospel („I’ll Fly Away“).

Ich bin mir sicher, dass so einige Rapper vor Kanye Gospel- und Soul-Platten gesampelt haben, aber das ist irrelevant. Es ist ein extrem mutiger Schritt, als HipHop-Künstler auf seinem Debütalbum, die formalen Strukturen des HipHops für etwas sehr organisches umzuwerfen. Und es hat sich ausgezahlt. Für jemanden wie mich, der damals nur eine andere HipHop-Platte besaß—Nellyville—hat sich das extrem erfrischend angehört. Jetzt, fast zehn Jahre später mit einer Plattensammlung, die weit in die Tausende reicht, ist The College Dropout immer noch eine der frischesten Platten, die ich besitze. Irgendwie hat es Kanye geschafft, dass sich Musik religiös anhört. Wenn ihr mir nicht glaubt, hört euch „Never Let Me Down“ an, nachdem ihr eine schlechte Woche mit billigem Wodka begossen habt, und es wird wahrscheinlich die kathartischste Erfahrung sein, die ihr je gemacht habt.

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Der Mesh von Underground und HipHop-Schwergewichten

Weil sich Kanye selbst in die Welt des HipHops zwängen musste, gab er einigen anderen Rappern eine Räuberleiter. Auf „Never Let Me Down“ lässt er neben All-Illuminati-Everything-Elite Jay-Z den Untergrundkünstler J.Ivy auflaufen. Andere Tracks ließen Conscious Rap-Partner wie Talib Kweli und Common gemeinsam kämpfen („Get ‘Em High“), während „Spaceship“ GLC und Consequence featurete.

Im Gegensatz zu anderen Alben aus der Vergangenheit haben die Feature auf The College Dropout zu der Exzellenz der Platte beigetragen, statt sie zu beeinträchtigen. Sie wurden präzise geplant, statt in letzter Minute noch organisiert, um noch ein paar Einheiten mehr zu verkaufen.

Die Skits

Das ist wahrscheinlich der beste Skit, der jemals aufgenommen wurde. Wenn es jemals zu viel wird und ihr anfangt zu glauben, dass Kanye eine Puppe ist, die von den Freimaurern gefangen genommen wurde, dann hört euch das hier an. Es zeigt Yeezys Scharfsinnigkeit und Verstand für das echte Leben. Beste Zeile: „You ain't got to get heated at every house warmin' / Sittin' here, grillin' people like George Foreman" Intensivste Produktion: „The New Workout Plan” Lebensverändernder Track: „School Spirit” Am meisten unterschätzter Gastpart: Twista auf „Slow Jamz” Folgt Ryan auf Twitter: @RyanBassil


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