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You Need to Hear This

Barbarossa ist manchmal zu entspannt

So entspannt, dass er auf der Bühne schon mal einschläft. Aber auf dem neuen elektronischeren Album Bloodlines gibt's dafür auf jeden Fall keinen Grund mehr!

Wenn man Musiker danach fragt, was ihre unangenehmsten Momente auf der Bühne waren, dann kommt meistens heraus, dass sie mal irgendwo vor fünf Leuten gespielt haben, oder dass die Technik auf irgendeiner Bühne vollkommen versagt hat. James Mathé, besser bekannt unter dem Namen Barbarossa, kann da jedoch eine lustigere Geschichte erzählen. So tiefenentspannt, wie er im Interview auf mich wirkte, erschien er vor ein paar Jahren auch auf der Bühne und nickte mitten im Konzert einfach weg.

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Glücklicherweise hat sich der Londoner von seinem Singer-Songwriter-Debüt etwas abgewandt und schlägt nun auf seinem neuen Album Bloodlines düsterere, elektronische Wege ein und verwebt diese mit seiner musikalischen Sozialisierung durch Soul und R&B. Ab sofort wird keiner mehr vor oder auf der Bühne ein Nickerchen machen, denn das Ergebnis klingt mitreißend und lässt einen so schnell nicht mehr los. Grund genug, uns mit ihm zu treffen.

YNTHT: Ok, die Frage muss ich gleich als erstes klären. Woher stammt dein Name? Barbarossa war ja ein Kaiser des römisch-deutschen Reiches, der aufgrund seiner Haar- und Bartfarbe diesen Namen verliehen bekommen hat. Ist das die Verbindung?
Barbarossa: Nein, als ich auf den Namen gestoßen bin, wusste ich darüber ehrlich gesagt noch nichts. Ich war damals in Italien und auf Italienisch bedeutet das ja roter Bart. Mir wurden zu dem Zeitpunkt gerade so Wein-Basics beigebracht. Auf meinem Weg nach Hause fand ich dann eine Flasche auf der „Il Barbarossa“ drauf stand und ein Mann mit rotem Rauschebart und langem Haar abgebildet war, der aussah wie mein Großvater. Ich habe mich sofort in den Namen verliebt und dann fand ich auch noch heraus, dass es roter Bart bedeutet—ich habe ja augenscheinlich auch einen roten Bart. Ein paar Monate später entdeckte ich dann, dass Barbarossa eine historische Figur war, die soweit ich weiß nicht besonders beliebt war.

Ja, das kann man so sagen. Er machte, sagen wir mal, eine recht aggressive Italien-Tournee.
Ja, genau. Aber damit soll das natürlich nichts zu tun haben.

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Wann hast du denn mit der Musik angefangen?
Mit neun oder zehn habe ich angefangen, Klavier zu spielen. Ich habe seither immer probiert, meine eigene Musik zu schreiben, wurde dann aber immer wieder von irgendwelchen Sachen abgelenkt. Erst in meinen späten Teen-Jahren dachte ich ernsthaft über das Songwriting nach, aber die ersten Ergebnisse, auf die ich wirklich stolz war, konnte ich erst mit 20 oder 21 abliefern.

Hast du studiert?
Ja, ich habe einen Abschluss in Film & Fernsehen von der Brunel University in London. Ich habe auch ein bisschen beim Fernsehen gearbeitet, aber das hat alles nicht so richtig gepasst, genauso wenig wie im Marketing- und PR-Bereich. Ich habe fünf Tage die Woche gearbeitet und abends und am Wochenende meine Musik gemacht. Dann habe ich den Entschluss gefasst, es einfach zu probieren. Ich habe angefangen, Teilzeit in einem Klamottenladen zu jobben und seitdem versuche ich die beiden Tätigkeiten auszubalancieren.

Ich habe gelesen, dass du deine Inspiration auch unter anderem aus Filmen wie Buffalo 66 von Vincent Gallo ziehst. Kommt das durch dein Studium?
Ja, ich stehe total auf amerikanische Indie-Filme. Da habe ich vielleicht einen leicht romantisierten Blick, aber ich liebe diesen Old School-Look, den Stil und die Musik und die Schauspieler, die sie nutzen. Es gibt da diese Dokumentation namens Searching for the Wrong-Eyed Jesus, die ist einfach überragend, allein der Look! Und gute Musik kommt auch drin vor.

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Nutzt du dieses Wissen auch für deinen eigenen visuellen Auftritt, also für deine Musikvideos?
Meine Frau hat bei den Musikvideos für dieses Album die Regie geführt. Sie ist auch Schauspielerin und hat mir so einiges über Filme beigebracht. Wir beide lieben Vincent Gallo für Buffalo 66 oder Paris, Texas und als wir das Video für „The Load“ gedreht haben, war das auf jeden Fall tief in unseren Köpfen verankert.

Ich habe ein Video von dir gefunden, bei dem du auf einer Pressekonferenz für das Festival Les Nuits Botanique 2013 in Brüssel gespielt hast. Das sah ziemlich ulkig aus—ein Haufen alte Leute in einem grell beleuchtetet Raum. Was war das denn?
(lacht) Das war komisch, stimmt. Das Festival ist aber echt großartig. Ich sollte an dem Tag mit Poliça spielen und da hat mich die Plattenfirma gefragt, ob ich diese kleine Pressekonferenz mitmachen würde. Das war in so einem Konferenzsaal um 10.30 Uhr am Morgen und die Atmosphäre war ziemlich fad. Aber wenn ich es machen soll, dann mach ich’s. Ob es nun so eine Unternehmenssache ist oder die coolste Venue, ich gehe einfach auf die Bühne und ziehe meine Sache durch. Aber lustig, dass du das gefunden hast.

Ja, es hatte auch nur so 50 Klicks.
Hoffentlich werden es auch nicht mehr. (lacht)

Warum heißt das Album Bloodlines? Ich habe eine kleine Spekulation angestellt. Rührt es daher, dass du das Album in den komplett analogen Analogue-Catalogue-Studios aufgenommen hast und das ja letztlich der Ursprung der Aufnahmetechnologie ist?
Die Idee gefällt mir.

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Vielleicht habe ich mich da auch ein bisschen zu weit aus dem Fenster gehängt.
Also im Song „Bloodlines“ und im Albumtitel geht es um die Idee, sich keine schlechten Gewohnheiten anzueignen, beispielsweise von deinen Vorfahren. Man ist von dem Tag an, an dem man geboren wird, sofort total konditioniert. Man sollte mal einen Schritt zurückgehen und diese schlechten Angewohnheiten identifizieren, um dann eine neue Blutlinie zu starten und diese zu verwerfen.

Ich will nochmal auf die Analogue Catalogue-Studios zurückkommen. Bist du so ein Fetischist alten Equipments?
Ja, ich bin ein riesiger Fan. Eine alte Tape-Maschine oder ein alter Analog-Synthesizer oder -Drum-Computer inspirieren mich total. Allein wenn ich darüber rede, werde ich schon aufgeregt. Ich habe so viel Zeit vor Ableton oder Logic verbracht und auf Audioblöcke gestarrt, dass ich die Entscheidung getroffen habe, mich einfach komplett davon abzuwenden. Es war eine total intensive Zeit. Wir haben die Aufnahmen in acht Tagen gemacht mit ein paar Live-Musikern, und Live-Schlagzeug, sowie einer Roland TR-808 Drum-Maschine. Es gibt wenige Alben da draußen, die nicht korrigiert, aufgemotzt und quantisiert wurden. Ich bin wirklich stolz drauf.

Dein Zweitwerk ist im Vergleich deinem deutlich akustischeren Debütalbum Chemical Campfires ein ziemlicher Kontrast. Du hast dich nun zum Beispiel vom Banjo verabschiedet und nutzt mehr Synthesizer-Sounds oder Sampler. Wie kam es dazu?
Als Chemical Campfires veröffentlicht wurde, fühlte sich das für mich so an, als wäre das nicht alles. Zu der Zeit hörte ich viel Sufjan Stevens oder Iron and Wine. Aber der Kram, mit dem ich aufgewachsen bin—Stevie Wonder, Prince, HipHop und R&B—der ist und bleibt in meinem Blut. Es fühlte sich also nicht wie eine abgerundete Repräsentation meiner selbst an. Also habe ich all meine alten Keyboards und Drum-Maschinen rausgeholt. Dieses Album fühlt sich für mich wie der richtige Start an.

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Das kann man auch ganz gut bei „Saviour Self“ raushören. Der Song klingt wie eine kaputte Version einer 60/70er Sechs-Achtel-Ballade.
Ich höre ein Haufen Al Green, Otis Redding und diese ganzen alten Soul-Balladen. Das ist vielleicht der Song, der am meisten vom Retro beeinflusst wurde, aber ich bin froh, dass er drauf ist, weil es einfach ein essentieller Bestandteil der Musik ist, mit der ich aufgewachsen bin.

Das Album Bloodlines fängt direkt mit einer Akkordfolge einer Orgel an. Ich finde das sehr sympathisch. Ich fand es total super, als Arcade Fire oder Wu Lyf dieses Instrument wieder in den Mittelpunkt der Popmusik rückten. Dennoch ist es kein besonders typisches Instrument. Hast du ein besonderes Verhältnis zur Orgel?
Ja, auf jeden Fall. Ich liebe Orgeln und verschiedene Orgel-Sounds—dieser leicht verzerrte, irgendwie knusprige Sound. Ich stellte mir genau so etwas vor, als ich mich von Chemical Campfires löste. Ich liebe es einfach, diese fetten Orgel-Akkorde zu spielen und dann einen HipHop-Beat drunter zu packen, das ist einfach ein großartiger Sound.

Hast du schon mal eine richtige Kirchenorgel gespielt?
Nein, noch nicht.

Und würdest du das gerne?
Ja, natürlich. Das ist natürlich eine komplett andere Welt, aber es würde sicherlich richtig Spaß machen.

Was nutzt du eigentlich für Equipment? Auf den Videos sahen deine Synthesizer aus, wie das alte billige Keyboard, das meine Schwester damals hatte, als ich acht war.
Ich nutze live ein Casio MT-70, von dem auch Alexis von Hot Chip ein riesiger Fan ist. Die bekommt man für 50-60€ hinterhergeworfen, aber sie haben einen richtig fetten Orgel-Sound. Dann habe ich ein kleines Casio SA-20, das ich durch ein Echogerät jage und mit dem ich die Leadmelodien spiele. Das gibt einen ziemlich dreckigen, hässlichen aber auch schönen Sound—so nach dem Motto: ist das noch gut oder ist das einfach nur verdammt schrecklich? Dann habe ich noch einen Omnichord. All die Sachen sind aus den späten 70ern, frühen 80ern, die so mein goldenes Zeitalter waren. Und dann noch ein Roland SH-101, der den Bass macht.

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Ist das alles so billiges Equipment wie das Casio?
Also manche von denen sind günstig, aber nicht alle. Es ist ganz cool die etwas billigeren Casio-Geräte mit High-Tech-Instrumenten zu vereinen. Die Kombination der einzelnen Teile, manches Hifi manches Lofi, lässt es alles etwas Vintage klingen, das passt ganz gut zusammen.

Du spielst in José González‘ Tour-Band Junip. Wie hast du ihn kennengelernt?
Als er das erste Mal mit seinem Solo-Projekt nach Großbritannien kam, machte ich gerade ähnliche Musik mit Fingerpicking auf der Akustikgitarre. Ich habe für ihn dann auf seiner ersten Show auf der Insel im Vorprogramm gespielt und danach noch ein paar weitere Konzerte mit ihm zusammen. Dann kam Junip das erste Mal nach England und da habe ich wieder als Support gespielt. Zu diesem Zeiptunkt hat er mich gefragt, ob ich mitspielen will. Er ist zu einem meiner engsten Freunde geworden, wir haben echt viel gemeinsam.

Wirst du dann weiterhin mit Junip spielen?
Ja, das ist der Plan.

Ok, letzte Frage. Was war bisher dein schlimmster Moment auf der Bühne?
Also da gab’s mal was mit Fence Records, die meine ersten Alben rausgebracht haben, das jetzt nicht wirklich peinlich war, aber zumindest ziemlich lustig. Ich war unglaublich müde, das Festival lief schon das ganze Wochenende und ich musste am Sonntag spielen. Ich spielte gerade einen sehr fragilen Akustiksong und mitten drin bin ich weggenickt. Ich bin einfach eingeschlafen, während meines eigenen Songs, mitten im Vers. Das war ziemlich lustig.

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Barbarossas Bloodlines erscheint am 9. August bei Memphis Industries, kauft es bei Amazon oder iTunes.

Barbarossa auf Tour:
24.09.2013 - Studio 672 (Köln) | live
25.09.2013 - Schocken ( Stuttgart) | live
26.09.2013 - Zoom (Frankfurt) | live
27.09.2013 - Reeperbahnfestival (Hamburg) | live
28.09.2013 - Berlin Independent Night (Berlin) | live

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