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Interviews

Gold Panda findet diese Welt wirklich schön

Gold Panda ist kürzlich nach Berlin gezogen, weil er die Menschen im Londoner Hipness-Viertel Shoreditch nicht mehr ertragen konnte. Nun sitzt er in Kreuzberg in der Traufe.

Foto: Jessica López

Gold Panda war uns bisher ein Begriff als jemand, der auf dem für höchste Qualität bekannten Label Ghostly International ein Debütalbum veröffentlicht hat, das zu gleichen Teilen genial und nervig war. Songs wie „Marriage“ oder „You“ machen das Paradoxe am frühen Gold Panda deutlich—für sich genommen fantastisch, aber ein ganzes Album damit? Puh.

Vor ein zwei Wochen veröffentlichte Gold Panda dann sein zweites Werk Half Of Where You Live und überraschte—denn das neue ist ein klassisch unaufgeregtes und zugleich eingängiges House-Album, das die Genialität von Lucky Shiner bewahrt hat, aber auch nach zwei Tagen auf Repeat kein bisschen nervig wird. Als wir dann noch erfuhren, dass Gold Panda einen seiner raren Gigs in Berlin spielt, mussten wir ihn natürlich treffen und ihn darauf ansprechen, was bei seinem zweiten Album anders lief als beim Vorgänger.

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Noisey: Wenn man sich die Titel deines neuen Albums so ansieht, könnte man meinen, dass dich die Orte, an denen du getourt hast, stark beeinflusst haben.
Gold Panda: Die meisten Menschen haben nicht die Möglichkeit oft zu reisen. Es ist teuer und entweder machst du es einmal im Leben, wenn du Glück hast und musst dafür sparen oder einen Kredit aufnehmen oder du musst irgendwohin fahren und dort dann arbeiten. Ich denke, dass ich nicht so viel reisen würde, wenn ich nicht das machen würde, was ich jetzt mache: Gigs spielen und Musik produzieren. Ich kann mich also sehr glücklich schätzen. Und ich wurde inspiriert von so vielen Orten und Dingen, von denen ich glaubte, dass ich sie niemals sehen würde. Die Welt ist wirklich schön und oft realisiert man das gar nicht, bis man raus geht und sie sich ansieht. Und in den letzten drei Jahren war das alles, was ich gemacht habe: Reisen und Shows spielen.

Ich habe irgendwo gelesen, dass dein Song Brazil auf deiner ersten Autofahrt vom Flughafen Sao Paulo in die Innenstadt basiert.
Naja, also ich benutze viele Samples und kaufe alle möglichen Platten und finde dann viele merkwürdige Sounds, die ich benutzen will und dann packe ich die in meinen Sampler und tausche die Sounds aus. So mache ich meine Musik. Also ich habe ein Sample von jemandem gefunden, der „Brazil“ sagt, es war Teil eines längeren Satzes, aber ich habe nur das Wort genommen. Also passieren auch Sachen zufällig. Ich plane nicht alles komplett durch. Ich wusste nicht, was ich mit dem Track machen sollte. Ich hatte die Basics und habe die Geräusche immer lauter werden lassen bis zum Ende, wo du dann ankommst. Es basierte schon auf der Fahrt in die Innenstadt, wo sich alles langsam vor dir aufbaut, abstrakt gesehen. Nicht wie ein Soundtrack einer Fahrt nach Sao Paulo.

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Also beginnst du die Arbeit an einem Track immer nachdem du etwas erlebt hast, nachdem du es verarbeitet hast? Oder gehst du direkt ins Hotelzimmer und fängst an?
Ich kann nicht in Hotelzimmern oder wenn ich auf Tour bin schreiben, weil ich keinen Computer benutze. Dazu benötige ich mein ganzes Equipment, das zu Hause ist. Also warte ich bis ich zurück nach Hause komme und dann freue ich mich darauf an einem Track zu arbeiten. Ich glaube, es ist gut, wenn sich das Gefühl anstaut, dass du wirklich an Tracks arbeiten willst, weil es dich auch nerven kann, in einem Raum zu sitzen und auf Ideen zu warten.

Als ich mir deinen Track My Father in Hong Kong 1961 angehört habe, dachte ich, dass busy Hong Kong so klingen könnte.
Das ist gut!

Aber ich war noch nie in Hong Kong.
Ich auch nicht!

Ok, haha. Also wie wichtig ist es, die richtigen Samples für deine Tracks zu finden?
Es ist das Wichtigste, denke ich. Ich kaufe mir zufällig irgendeine alte Platte, weil ich das Cover mag oder weil ich einige der Künstler kenne, weil ich so viele Platten kaufe. Dann spiele ich sie ab und finde einen Sound, den ich mag. Und wenn ich dann das Gefühl habe, dass ich ungeschoren damit davonkomme, den Sound zu samplen, sodass Leute es nicht merken—und meistens bemerken sie es nicht, weil der Sound nur eine halbe Sekunde lang ist—dann sample ich sie. Die Sounds, die ich finde—die Samples—leiten mich.

Und wie findest du sie? Hast du eine bestimmte Routine?
Ich spiele ziemlich viele Platten zu Hause ab und mache nebenbei andere Sachen. Also wenn du da sitzt und Tee trinkst und frühstückst, dann hörst du eine Menge Sounds. Die höre ich dann durch einen Echo-Sampler. So einen benutze ich auch auf der Bühne, aber in einer moderneren Version. Ich kann also auf Record drücken, sobald ich etwas höre. Dann spule ich zurück, nehme den Sound auf und habe ihn. Und dann kann ich sofort damit anfangen mit ihm herumzuspielen. Die meisten meiner Tracks entstehen tagsüber.

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Also arbeitest du von zu Hause aus?
Ja, von meinem Schlafzimmer aus. Naja, einem Raum, der ein Schlafzimmer sein sollte.

Was sind die Vor- und Nachteile davon zu Hause zu arbeiten?
Ein Vorteil ist, dass du es jederzeit machen kannst. Du kannst mitten in der Nacht aufwachen oder früh morgens. Ich kann einfach für eine Stunde in den Raum gehen. Meine Freundin kann arbeiten und ich kann gleichzeitig einen Track machen. Sie schaut Sex and the City und dann komme ich zurück und wir schauen gemeinsam einen Film. Ich kann da also jederzeit reingehen und muss nicht irgendwohin fahren und das mag ich. Ich mag, dass es einfach ein Teil deines Lebens sein kann. Du kannst da direkt eintauchen und genauso gut kannst du auch wieder aufhören und etwas anderes machen.

Ein Nachteil ist, dass man ziemlich viel Zeit zu Hause verbringt. Du siehst keine anderen Leute mehr und vergisst rauszugehen und dann entfremdest du dich immer mehr von der Gesellschaft und du vergisst zu socializen und wie man überhaupt socialized. Und wie wichtig es ist rauszugehen, Sport zu machen usw. Und dann finde ich es echt schwer rauszugehen, ich bekomme Angst. (lacht)

Du hast dann aber keine festen Arbeitszeiten oder? Sowas wie: „Ich gehe jetzt in diesen Raum und bleibe da von 9 bis 17 Uhr?
Doch. Also ich habe keine festen Arbeitszeiten, aber ich versuche so viel Zeit wie möglich tagsüber in meinem Studio zu verbringen, wenn ich dazu in der Laune bin. Manchmal ist man auch einfach nicht in Stimmung, Musik zu machen und dann sollte man lieber was anderes machen als es zu erzwingen. Ich habe gemerkt, dass ich besonders gut morgens bin und um 16 Uhr. Aber ich habe keine festen Arbeitszeiten. Manchmal mache ich es tagsüber und manchmal spätnachts. Das ist der Vorteil davon zu Hause zu arbeiten.

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Du hast in London gelebt und bist nach Berlin gezogen.
Ja, ich habe in Shoreditch gelebt, wo ich nie wieder wohnen möchte.

Warum?
Es ist einfach zu cool dort. Ich weiß nicht, es ist großartig, aber du siehst die ganze Zeit die gleichen Leute und dann wird's irgendwie komisch. Leute, die ich nicht mag (lacht).

Ich möchte wieder in London wohnen, aber es ist echt zu teuer. Ich bin zuerst nach Hamburg gezogen, da habe ich meine Freundin kennengelernt und dann sind wir nach Berlin gezogen. Und ich mag es, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich hier für immer bleiben möchte. Im Moment mag ich es aber.

Kann man London und Berlin von der Atmosphäre für Musiker her vergleichen?
Nichts geht über London! Aber für Musiker ist Berlin auf jeden Fall besser, weil es günstiger ist. Es kommt drauf an. Ich bin Musiker und mag Berlin, aber ich gehe nicht aus und socialize auch nicht mit anderen Musikern und spiele eigentlich so gut wie nie hier. Also nur ein oder zwei Mal im Jahr. Aber ich könnte wahrscheinlich an jedem Wochenende spielen, herumexperimentieren, auflegen, aber ich will es einfach nicht. Ich mache lieber weiterhin Musik zu Hause.

Aber dadurch, dass es günstiger ist, kannst du hier kreative Sachen machen, was wichtig ist für Künstler und es ist nicht so stressig wie in London. Die Qualität des Lebens ist hier etwas besser. Andererseits bin ich in London immer sehr motiviert an Sachen zu arbeiten, gerade weil die Stadt so stressig ist. Du musst einfach an Sachen arbeiten, du kannst nicht einfach nur rumhängen. Du musst Geld verdienen und Sachen abliefern. Jeder ist in Eile und hetzt sich ab, das ist eine ganz gute Energie.

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Du gehst also nicht aus in Berlin, aber trotzdem klingt deine neue Platte dreckiger und danciger als deine letzte. Hat die Stadt da einen Einfluss drauf gehabt?
Ja, Berlin ist eine große Elektro- und Techno-Stadt. Ich lebe zwischen zwei wirklich guten Plattenläden, die größtenteils House und Techno im Sortiment haben. Also habe ich damit begonnen, mir diese Platten anzuhören und viele zu kaufen, die ich mir vor zwei oder drei Jahren nicht gekauft hätte. Und diese Platten klingen so frei, nicht so als hätte jemand sie gemacht, während er auf einen Bildschirm starrt. Sie klingen so, als hätte jemand sie nebenbei aufgenommen, während er etwas anderes in seinem Zimmer macht, jammt. Und das habe ich mit diesem Album auch versucht. Also denke ich schon, dass Berlin einen Einfluss darauf hatte. Ich mache nicht mehr dieselben Sachen. Ich bin zwar dieselbe Person, aber mein Leben hat sich komplett verändert seit dem letzten Album. Also hätte ich nicht nochmal dasselbe machen können.

Wie hat sich dein Leben denn verändert?
Alles hat sich verändert. Ich habe mein Hobby zu meinem Beruf gemacht und kann die Miete davon zahlen. Ich habe eine Freundin und bin einfach viel glücklicher als damals. Also es ist alles komplett anders.

Was bedeutet denn dann der Name deiner neuen Platte Half of where you live jetzt für dich?
Ich hatte den Namen der Platte schon seit einer Ewigkeit und ich mochte, wie er klang. Ehrlich gesagt hatte ich den schon, bevor ich das letzte Album gemacht habe. Ich mag es, Sachen durchzuplanen. Ich weiß wie die Platte aussehen und heißen soll, bevor ich mit der eigentlichen Musik beginne. Ich weiß also jetzt schon, wie das nächste Album aussehen soll.

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„Half of where you live“ hat einfach gut dazu gepasst, Songs zu machen über Orte und das Reisen an sich, darüber in einer Stadt aufzutauchen, etwas zu erleben und dann einen kleinen Teil dieser Erinnerung wieder mitzunehmen. Weil du immer so etwas denkst wie: was machen diese Leute? Du spielst also in einem kleinen Ort in Italien vor 200 Leuten und fährst durch die Landschaft und fragst dich, was diese Leute machen, was sie für Jobs haben und was sie gerne in ihrer Freizeit machen oder an einem verregneten Sonntag. Sowas halt.

Aber bist du dann nicht megagestresst, wenn du jetzt schon weißt, wie deine nächste Platte werden soll? Hast du dann nicht den Drang sofort daran arbeiten zu wollen?
Doch. Ich würde am liebsten sofort daran arbeiten, aber ich kann es nicht, weil ich jetzt andere Sachen machen muss. Also ist es schon Stress, aber ein positiver Stress. Das Gute daran ist, dass sich das dann alles so anstaut und dann passiert etwas und du kannst es schnell machen, es ist fertig und du kannst entspannen. Ich habe das Gefühl, dass ich nach dem zweiten Album jetzt mit Gold Panda neu starten kann, dass ich frei von Erwartungen bin. Das zweite Album ist ja das, mit dem viele Leute Schwierigkeiten haben. Also ziemlich viele. Findest du nicht?

Ich denke schon.
Also ich hatte welche. (lacht)

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