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Interviews

Spitzer wünschen der Musikwelt den Tod

Na gut, nicht der ganzen, aber die Brüder Matthieu und Damien wünschen sich, dass der Sensenmann Coldplay holt und Skrillex kann er auch gleich mitnehmen.

Matthieu und Damien bilden zusammen das französische Dj-Duo Spitzer. Die beiden Brüder wurden hörbar von ihrer Punkjugend beeinflusst und setzen diese Einflüsse nun in elektronische Musik um. Letztes Wochenende haben die zwei auf der von uns kuratierten Bühne auf dem c/o-pop-Festival gespielt, was wir uns zum Anlass genommen haben, mit ihnen über Punkmusik und House zu reden und deren angeblichen Tod. Die beiden fanden andere Todesfälle der Musikbranche aber viel überfälliger und wünschten sich (bzw. prophezeiten) so den Tod von Chris Martin und Skrillex. Falls du ein großer Fan von einem der beiden sein solltest, rate ich dir, jetzt lieber mit dem Lesen aufzuhören. Denn was sie sagen, wird dir nicht gefallen.

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Man sagt ja, Housemusik ist tot.
Damien: Ja, Housemusik ist tot.

Du stimmst also zu?
Matthieu: Für uns ist House tot, weil wir die Musik absolut nicht hören.
Damien: Aber eigentlich ist sie nicht tot, sie wird ja noch überall gespielt. Vielleicht ist House ja gerade am Sterben.
Matthieu: Die gleichen Leute, die das sagen, haben damals auch gesagt, dass Rockmusik tot wäre, nachdem Jimi Hendrix gestorben ist. Am Ende hatten sie aber Unrecht. Das ist die gleiche Art zu denken. Aber Rock wird niemals tot sein. Aber auch diese Denkweise, dass etwas tot ist, sobald es bekannt wird, ist eine sehr französische Art zu denken.
Damien: Wenn in Frankreich etwas bekannt wird, ist es nicht mehr cool.

Aber House ist in Frankreich doch recht groß, oder?
Ich glaube, es ist gerade an der Spitze angekommen. Wenn Musik in Werbung gespielt wird, dann bedeutet es immer, dass sie an der Spitze angekommen ist. Ich glaube, jetzt geht es bergab, aber sie ist noch nicht tot.
Matthieu: Die eigentliche Frage ist doch, was eigentlich House ist. Aber tatsächlich glaube ich nicht, dass House tot ist. Vielleicht in fünf Jahren.

Man sagt auch, dass Punk tot ist.
Damien: Ja, es wird mehr Marketing. Die Bedeutung des Wortes hat sich verändert. Es geht nur noch um die Musik und nicht um eine Lebens- oder Denkweise. In dem Sinne ist Punk tot. Im musikalischen Sinne ist es aber nicht tot, da es noch viele Punkbands gibt.

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Ihr seid auch zu Punkmusik aufgewachsen, oder?
Ja, zu Rockmusik generell. Aber auch Pop und Techno, nicht nur Punk.
Matthieu: Aber schon damals war es eigentlich kein Punk mehr, sondern nur Punkmusik. Ich glaube, Punk war es nur in einem Jahr und zwar 1977.
Damien: Das sagen jedenfalls die Journalisten. Und wenn die nicht recht haben, wer dann? (lachen)

Welches Musikgenre würdet ihr euch denn tot wünschen?
Matthieu: Gute Frage. (denkt lange nach)
Damien: House. (beide lachen)
Matthieu: Ich weiß nicht, ob es dafür einen Begriff gibt, aber so was wie die Black Eyed Peas. Also Scheißmusik.
Damien: Ja, ich hätte auch gern, dass Scheißmusik ausstirbt.
Matthieu: Ich glaube, es gibt kein bestimmtes Genre, das sterben muss, aber eine Band muss sterben.

Welche denn?
Coldplay.
Damien: Ja, Coldplay.
Matthieu: Naja, wenigstens der Sänger, bei einem Flugzeugabsturz im Atlantik.

Was machst du, wenn das jetzt wirklich passiert?
Dann werde ich mich bei seiner Mutter entschuldigen. Denn das ist ja dann meine Schuld, weil ich es gesagt habe. Alles was ich sage, passiert auch wirklich.
Damien: Ja, er ist ein Prophet.
Matthieu: Fast, noch nicht ganz.

Gucken wir mal, ob Chris Martin morgen noch lebt.
Damien: Wir sehen das ja dann morgen in der Zeitung.
Matthieu: Coldplay sind uns egal. Und was noch wichtiger ist, wir sind ihnen auch egal, deswegen ist es okay.
Damien: Aber um mal wieder ernst zu sein, ich finde, Junglemusik sollte sterben. Es ist wirklich schwer zu sagen, dass etwas sterben soll.
Matthieu: Hard-Tech sollte sterben. Und Trance.

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Trance ist schon längst tot.
Nein, nein. In Australien ist es noch total angesagt. Vielleicht hat sich das auch schon geändert. Aber weißt du, die Australier… die sind nicht wie du oder ich, das sind Australier. Sie wohnen so weit weg vom Rest der Welt, gefangen im Meer. (lacht)

Ich würde gern noch Skrillex mit einwerfen.
(lacht) Ja, das ist ein guter Punkt.
Damien: Skrillex muss sterben.
Matthieu: Seine Musik ist noch mal was anderes. Aber der Typ muss auf jeden Fall sterben. Guck dir nur sein Gesicht an. Wenn ich Skrillex wäre und mich jeden Tag im Spiegel sehen müsste, würde ich mir selbst sagen: Ich muss sterben.
Damien: Und seine Haare.
Matthieu: Oh mein Gott, seine Haare. Ich habe dazu ja eine Theorie.
Damien: Die ist sehr interessant.

Und die lautet?
Matthieu: Bei Skrillex geht es um die Zelebration des Hässlichsten, die Zelebration der Hässlichkeit. Und in diesem Fall bezieht sich das sowohl auf die Musik, als auch auf den Typen. Jeder weiß, was schön ist. Wir sind uns einig, was Schönheit bedeutet. Aber was kommt als Nächstes? Warum bezeichnet man nicht etwas als schön, das nicht schön ist. Das ist das Gegenteil von Schönheit, so wie Skrillex.
Damien: Ich glaube, das war schon immer so.
Matthieu: Nein, jetzt ist es anderes. Dieses Mal geht es um den Typen an sich. Früher hat jemand ein schönes Bild gemalt und das Bild war schön, aber der Typ nicht. Jetzt wird auch der Typ gefeiert. Guck dir den Typen mal an. Jeder stimmt zu, dass er hässlich ist.
Damien: Ich finde das sehr subjektiv.
Matthieu: Nein, nein. In diesem Falle ist das sehr objektiv. Das tut mir Leid.
Damien: Aber Serge Gainsbourg war auch nicht besonders hübsch.

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Aber der hatte Charme.
Matthieu: Ganz genau.
Damien: Vielleicht hat Skrillex den ja auch.
Matthieu: Nein, nein, nein, bestimmt nicht.

Ich habe allerdings gehört, dass er ein richtig cooler Typ sein soll.
Damien: Das ist doch auch charmant.

Ich würde sagen, seine Musik soll sterben, er kann bleiben.
Na gut, das ist okay.
Matthieu: Ja, einigen wir uns darauf.

Ich glaube, dass viele Leute mit der französischen Elektroszene vor allem Ed Banger und Co. verbinden. Wie findet ihr das?
Matthieu: Ich glaube, es gibt zwei Seiten. Einerseits ist das gut für Frankreich, denn so wird die Aufmerksamkeit auf das Land und die Musik gelenkt: Daft Punk, Justice, Ed Banger. Aber andererseits sollen die Leute wissen, dass es nicht nur Ed Banger und so ein Zeug gibt.
Damien: Ich finde es nicht schlimm. Eigentlich ist es egal. Wir haben auch schon mit ein paar Leuten von Ed Banger gespielt und das sind wirklich nette Typen. Sie als Personen sind wirklich okay. Und wenn sie erfolgreich sind, ist das auch okay. Sie öffnen Türen für uns. Vorher hat niemand in der Welt französische Musik gehört und jedes Mal, wenn ein Land für eine Musikrichtung bekannt wird, ist das gut für die Zukunft. Die Leute werden neugierig und hören genauer hin.
Matthieu: Aber ich glaube, am Schlimmsten ist es für sie selbst. So schnell so groß und bekannt zu werden, ist schwer. Das siehst du auch an Justice. Denk mal drüber nach, nach dem ersten Album geht es nur noch bergab, wie bei Uffie. Niemand spricht mehr über das neue Uffie-Album, es gab nichts zu sagen, weil es richtig schlecht war. Das SebastiAn-Album ist nicht wirklich ein Album, weil er einfach nur alle Tracks von den EPs genommen hat. Aber du musst eben schnell Tracks veröffentlichen, weil die Leute ungeduldig sind. Und wenn du so schnell bekannt wirst, musst du die Leute ständig mit neuem Zeug füttern. Aber am Ende siehst du die richtige Musik, wenn du die ganze Promoscheiße wegnimmst, in zehn oder zwanzig Jahren wird das alles vergessen sein.

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Ihr habt vorher gesagt, dass die Franzosen konsequent alles scheiße finden, was bekannt wird. Heißt das auch, dass diese Musik in Frankreich nicht mehr cool ist, obwohl sie international als cool angesehen wird?
Damien: Nein, die Leute hören das inzwischen eigentlich nicht mehr. Sie hören inzwischen Housemusik.
Matthieu: Wirklich, Deep House.
Damien: Gesaffelstein und so weiter. Aber ich denke, er wird gerade vor allem international nur so bekannt, weil ihm die Türen von Ed Banger und Co. geöffnet wurden. Ohne Ed Banger wäre Gesaffelstein nicht da, wo er jetzt ist.

Was haltet ihr denn von der französischen HipHop-Szene?
Das hören wir nicht.
Matthieu: Wir selbst hören es nicht, aber all unsere Freunde. In Frankreich hat die HipHop-Szene die besten Verkaufszahlen. Damit müssen wir klarkommen. Im HipHop geht es vor allem um die Texte, aber wenn du die nicht verstehst, dann macht das ja keinen Sinn. Amerikanischer HipHop fokussiert sich nicht nur auf die Texte, sondern auch auf die Beats. In Frankreich geht es viel mehr um die Texte als um die Musik an sich.
Damien: Und um die Einstellung.
Matthieu: Ich mag HipHop, wenn es gegen etwas geht und nicht wenn es geschaffen wurde, um verkauft zu werden. Das ist wie bei Punkrock. Ich verstehe die Rapper nicht, die sagen, sie möchten bekannt werden und viele Alben verkaufen. Das ist keine HipHop-Art zu denken.

Woran arbeitet ihr gerade?
Wir arbeiten gerade an einem neuen Video und einer EP. Wir arbeiten eigentlich immer. Wir sind nicht die Typen, die nichts tun, nur weil wir im September ein Album veröffentlich haben. Als das Album fertig war, haben wir schon über das neue nachgedacht. Wir hören nie auf.
Damien: Ein Album kommt in einem Jahr oder so. Wir haben aber keinen genauen Plan.

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