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Interviews

Die Wooden Shjips sind deutscher, als du denkst

Das hört man auch auf dem neuen Album. Doch in Zukunft könnten wir richtige Popnummern von ihnen erwarten, aber nur vielleicht.

Fotos: Max Thesseling

Es ist jetzt eineinhalb Jahre her, dass wir zum letzten Mal mit Ripley Johnson geredet haben. Damals lebte das Mastermind der Band Wooden Shjips noch in Berlin und es gibt drei eindeutige Anzeichen dafür, dass diese Zeit nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist, sondern ihn sogar ein bisschen in einen Deutschen verwandelt hat. Erstens: er trinkt im Interview stilecht die Berliner Hipster-Muttermilch Club Mate. Zweitens: er verrät uns, er sei—typisch durchschnittsdeutsch—sehr pedantisch. Drittens: er steht auf deutschen Krautrock.

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Dieser Einfluss ist auch dem am 15. November erscheinenden Back To Land seines Hauptprojekts noch immer deutlich zu entnehmen. Doch es verändert sich etwas, wie mir der sympathisch in sich hineinglucksende, entspannt wirkende Neu-Portlander erklärt. Vielleicht können wir in Zukunft sogar richtige Popnummern von ihm erwarten—aber nur vielleicht.

Noisey: Mensch, du bist ja ein richtiger Berliner mit deiner Mate hier. Bist du glücklich, wieder hier zu sein und endlich wieder Mate trinken zu können?
Ripley: Ja, es ist echt immer wieder nett hierher zu kommen, vor allem im Sommer. Im Winter, in der Mitte der Dunkelheit, war ich noch nie hier, ich bin schon gespannt und dieses Getränk sollten sie auch mal woanders einführen.

Es scheint so, als wärst du ganz dick mit den Leuten vom ehemaligen Festsaal Kreuzberg hier. In einem Video von deinem Seitenprojekt Moon Duo sieht man den Booker Simon Wojan und den Paradiesvogel King Khan tanzen. Ihr solltet eigentlich eine Woche, nachdem der Festsaal abgebrannt ist, dort spielen. Wann habt ihr davon gehört?
Wir haben davon gehört, als er gerade buchstäblich brannte. Unserer Manager Paul hat uns angeschrieben und gleich noch ein paar Fotos mitgeschickt. Wir haben da vier, fünf Mal gespielt und ich war auf vielen Konzerten dort und kenne auch die Leute, die da arbeiten. Das ist echt tragisch.

Du bist vor kurzem nach Portland gezogen und hast auch in zwei anderen musikalisch sehr produktiven Städten— San Francisco und Berlin—gewohnt. In welcher Stadt lebt es sich als Musiker am besten?
Ich glaube, ich muss jetzt Portland sagen, weil ich da ja gerade lebe (lacht). In Berlin gibt es ein Haufen Möglichkeiten, Dinge zu machen. Es ist ziemlich einfach, hier zu leben, und außerdem herrscht eine energiegeladene Stimmung. San Francisco ist cool, aber teuer. Ich musste immer daran denken, wie ich die Miete aufbringen kann. So ist das auch in New York oder London, da muss man arbeiten. Und in Berlin (lacht)… da muss man nicht so viel arbeiten. Naja, zumindest ist das nicht dein ganzes Leben, es definiert dich nicht. In Portland ist das so ähnlich.

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Hier in Deutschland hört man immer wieder, dass Portland gerade die musikalisch lebendigste Stadt in den USA ist. Kannst du das spüren?
Nicht wirklich. Es ist interessant, das zu hören. Die Leute haben gerade angefangen, über Portland zu reden, aber ich habe keine Ahnung weshalb. Klar, es gibt da sicherlich gute Bands und auch eine gute Szene. Die Stadt ist auf jeden Fall anders, als die meisten amerikanischen Städte. Es gibt viele Häuser dort, es ist fast wie ein Vorort mit all den kleinen Bungalows und Häuschen. Die Bands proben in ihren Kellern und es gibt viele Hauspartys.

Vor einem Jahr hast du uns im Interview verraten, dass du für die Aufnahmen zum nächsten Album gerne wieder zurück in den Keller gehen würdest, um die Songs selbst aufzunehmen. Letztendlich habt ihr Back To Land aber in den Jackpot Studios in Portland aufgenommen. Warum habt ihr euch dann doch für's Studio entschieden?
Weil ich die Wahl verloren habe (lacht). In einer Band muss man immer irgendwie einen Konsens finden. Eine Hälfte der Band wollte zurück in den Keller und die andere Hälfte nicht. Außerdem waren wir ja gerade erst in dieser neuen Stadt angekommen und wir haben uns gedacht, es lohnt sich vielleicht, ihr mal eine Chance zu geben. In diesen ganzen Studios liegt immer ein Magazin namens Tape Op rum und Larry, der die Jackpot Studios betreibt, hat in dieser Zeitung eine Seite, auf der steht: „Lass mich deine Aufnahmen abmischen!“ Der Typ steht da mit seinem Schnäuzer und dann haben wir uns gedacht, das wird bestimmt lustig.

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In eurem letzten Pressetext heißt es, dass die Thematik eures letzten Albums West der amerikanische Westen mit all seinen Mythen und Legenden war. Gab es dieses Mal wieder so eine zugrundeliegende Idee?
Wenn man Alben macht, dann denkt man an solche Sachen eigentlich kaum—zumindest ist das bei mir so. Aber es gibt immer wieder Muster, die hervortreten, wenn man sich das in der Retrospektive noch einmal ansieht. Blickt man auf den Titel, Back To Land, dann geht es dieses Mal eher darum, dass wir zurück zu unseren Wurzeln gehen. Ich denke, es trägt eher so eine Classic Rock-Atmosphäre, was letztlich die Musik ist, mit der wir alle aufgewachsen sind.

Der Name Crazy Horse fällt da häufig in diesem Zusammenhang.
Ja, aber wenn man in einer Band spielt, dann will man natürlich nicht als retro betitelt werden. Darüber haben wir uns von Anfang an Gedanken gemacht. Wenn man eine Rockband ist, dann ist man laut Definition an sich schon irgendwie retro. Aber dieses Mal habe ich einfach entschieden, dass mir das egal sein soll. Früher haben wir ab und zu Dinge vermieden, die uns nach Classic Rock haben klingen lassen, aber jetzt kommt auch mal eine Akustikgitarre zum Einsatz.

Ich hatte auch gedacht, dass es darum geht, dass ihr euch wieder an der heimatlichen US-Ostküste angesiedelt habt, bis ich gelesen habe, dass du nach Portland an die Westküste gezogen bist.
Ja, es geht auch irgendwie darum, wieder zurück nach Hause zu kehren. Es ist jetzt das erste Mal seit einer langen Zeit, dass ich wieder in ein richtiges Zuhause gezogen bin. Ich fühlte mich geborgen, als ich die Songs geschrieben habe.

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Auf euren Alben gibt es immer wieder einen Song, der besonders durch sein Tempo auffällt, das etwas schneller angesiedelt ist, als der Durchschnitt des Albums. Dieses Mal ist es „In The Roses“—ist dieser Song der neue „Lazy Bones“?
Ja, ich glaube, du meinst den Groove. Ich höre ab und an mal klassische Country-Musik, wie Waylon Jennings oder so und das gefällt mir. Es gibt da diese typischen, schnellen Trucker-Songs, zu denen man am besten auf dem Highway entlang cruist. Warum auch immer, aber irgendwie fühle ich mich dazu hingezogen und so kam der Song einfach aus mir heraus.

Auf dem Debütalbum Dos gab es nur fünf Songs, auf West dann sieben. Jetzt hat es noch ein Song mehr auf Back To Land geschafft. Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund dafür, dass ihr immer nur so wenig Songs auf ein Album packt?
Wir denken im Endeffekt immer an die Vinyl. Wir machen nur so viele Songs, wie sie auch auf Platte Platz haben—also 40 Minuten, vielleicht 42. Es ist einfach dieser begrenzende Faktor. Dieses Mal haben die Songs auch eher so einen richtigen Song-Charakter im klassischen Sinne, anstatt langer Jams, obwohl es die natürlich auch immer noch gibt.

Und macht ihr jetzt demnächst richtige Popsongs?
Ähm, keine Ahnung. Ich finde es auch schwierig einen Popsong zu definieren.

Also ich meine jetzt Intro, Verse, Refrain…
Bridge…

Ja, genau.
Tja, vielleicht. Vielleicht machen wir so was mal.

Das nächste Mal höre ich euch dann also auf den ganzen Top 20-Radiostationen.
Genau, im Taxi, nach Lady Gaga.

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Euer nächster Deutschland-Termin steht im Dezember an und ihr werdet im Berghain spielen. Warst du schon mal dort? Man sagt ja, es sei der beste Club der Welt.
Ja, in der Tat. Ich war da mal, so ganz regulär zum Tanzen. Das war schon ziemlich cool, es ist echt ein verrückter Ort. Am Morgen sieht man dann die Leute dort herauskommen und sie sehen aus wie Zombies, total verbraucht, können kaum noch laufen—wie in Night of the Living Dead.

Ihr hattet vor einer Weile auf eurer Facebook-Wand mal einen Song von der deutschen Band Camera gepostet. Wo habt ihr die denn kennengelernt?
Ein Kumpel hat uns davon erzählt, dass es hier eine Band gibt, die Krautrock in den Berliner U-Bahn-Stationen spielt. Wir haben mit Moon Duo letztes Jahr ein paar Shows zusammen mit ihnen gespielt. Das sind echt nette Typen, ein bisschen verrückt. Es ist schon interessant, denn diese Musik ist in den Staaten und in England ziemlich hip und man denkt, dass es hier 20 Bands oder so von diesem Kaliber gibt, aber scheinbar nicht.

Stimmt wohl. Diese Krautrock-Schiene kreuzte in Deutschland gegen Ende der 60er auf, verschwand dann ziemlich schnell wieder und blieb hier immer wortwörtlich im Untergrund. Kannst du dir erklären, wie diese Musik dann den Sprung über den großen Teich geschafft hat?
Es gibt da dieses Buch, Krautrocksampler, das von einem Briten namens Julian Cope geschrieben wurde. Aber wenn ich das jetzt aus meiner Perspektive heraus sagen müsste, dann liegt das vielleicht einfach nur an solchen Leuten, die komplett verrückt nach neuer Musik sind und immer nach dem nächsten Album suchen, dass ihnen das Hirn komplett wegbläst. So ist das irgendwie in dieser Psychedelic-Musikszene.

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Als ihr damals angefangen habt, wart ihr der Gegenentwurf zu all den jungen Bands, die heutzutage ADHS-artig fünf Bilder am Tag auf ihren Facebook-, Twitter- und Instagram-Accounts posten. Denkst du, dass aufstrebende Bands sich mal ein Stück von euch abschneiden sollten? Ihr habt damals eure Platten einfach verschenkt und nicht krampfhaft versucht, berühmt zu werden.
Also, erst mal denke ich, dass jeder das machen sollte, was er will (lacht). Aber wenn ich Bands beraten sollte, dann gäbe es da ein paar Dinge, die ich ihnen mit auf den Weg geben würde. Erstens: Ihr solltet aufhören Sticker zu machen und sie überall auf den Klos zu verteilen, macht es einfach nicht. Zweitens: Ihr solltet eure URLs oder Facebook-Adressen nicht auf solche Sticker packen. Drittens: Bandfotos sind schrecklich. Ich denke da sind wir uns alle einig, auch die meisten unserer Bandfotos sind scheußlich. Es ist besser, keine zu haben, denn einerseits siehst du meist nicht so cool aus, wie du denkst und andererseits ist besser, ein gewisses Geheimnis zu bewahren, so dass sich die Leute vorstellen müssen, wer du bist, oder sie einfach nur deiner Musik zuhören.

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