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das erste date mit

Das erste Date mit…Torsun von Egotronic

Torsun von Egotronic erzählt auf unserem ersten Date im Hofbräuhaus eine lustige Geschichte nach der anderen und erläutert die Vorteile älterer Männer.

In unserer Reihe „Das erste Date mit …“ gehen wir mit Musikern auf ein erstes Date, um ihnen möglichst unangenehme Fragen zu stellen, die man bei einem ersten Date so abfrühstückt, und ihnen eine Chance zu geben, sich möglichst von der besten Seite zu zeigen—genau wie bei einem ersten Date.

Es gibt Orte, die sind für den einen eine Qual und für den anderen der Himmel auf Erden. Das Hofbräuhaus zum Beispiel, das ist der hellblaue Himmel für Exil-Münchner, die auf der Suche nach Brezn und Weißwürsten manchmal verzweifeln müssen. Das ist aber auch die Hölle für jeden Nicht-Münchner, der weder die Blaskapelle genießen kann, noch den bayrischen Akzent besonders anregend findet. Torsun Burkhardt, der mit seiner Band Egotronic seit Jahren die Hauptstadt mit Punk und Elektronik zerfeiert, gehört eher zur zweiten Gruppe, ich dagegen zur ersten, womit die Bedingungen für ein erstes Date in ein angenehmes Ungleichgewicht gebracht sind. Allerdings bringt das den lieben Torsun kein Stück aus dem Konzept. Ganz im Gegenteil, er erzählt auf diesem ersten Date eine lustige Geschichte nach der anderen, erklärt die Vorteile älterer Männer und rührt den Tisch voller bayrischem Essen Gentleman-like nicht an. Er hatte ja auch einiges zu erzählen.

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Egotronic bringen heute ein Sammelsurium ihrer größten Hits namens Egotronic, c’est moi! heraus.

Sollen wir uns nebeneinander setzen?
Torsun: Das ist mir egal, wie du möchtest.

(Die Blaskapelle fängt an zu spielen.)

Ich war hier schon einmal. Da sollte ich für die Jungle World über die Trachtenmodenschau berichten. Das Ende vom Lied war, dass ich vor den Laden gekotzt habe (lacht).

Was ist passiert?
Ich war mit einem Fotografen hier und wir haben uns bis zum Anschlag zugekokst und besoffen, anders war das überhaupt nicht zu ertragen. Irgendwann meinte ich, ich muss hier sofort raus. Dann habe ich es gerade noch bis hier vorne geschafft und da hingekotzt. Es war sehr hässlich. Aber mittlerweile bin ich ja brav geworden.

Seit wann das?
Irgendwann war es nicht mehr so spannend. Lass es 1000 Afterhours gewesen sein und die 1001. Ist eben nicht mehr spannend. Heute musste ich erst an eine Geschichte denken. Als ich das letzte Mal im About Blank aufgelegt habe, bin ich währenddessen in ein Wachkoma gefallen und hing so über dem DJ-Pult, habe nur noch die Lautstärke an und aus gemacht. Es kam wohl sehr verstörend auf der Tanzfläche an. Irgendwann kam ich zu mir, mittags in irgendeiner Küche sitzend, zum Glück saß neben mir ein Kumpel. Ich habe nur gefragt: „Wie sind wir hierher gekommen?“ Und er meinte nur: „Willst du mich verarschen, du hast das doch klargemacht?“ (lacht)

Woher kommst du eigentlich?
In der Nähe von Frankfurt am Main.

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Ich dachte kurz, du bist Berliner, aber dann habe ich mich an „Berlin Calling“ erinnert.
Ja, es gibt keine echte Berliner. Es sind alles Zugezogene, das ist meine feste Überzeugung. Es ist immer so eine Sache hier. Die, die zehn Jahre hier wohnen, regen sich über die auf, die neun Jahre hier sind.

(Der Kellner kommt.)

Ich hätte gern ein Spezi.
Ein Spezi?

Ja, das ist meine Mittagspause. Trinkst du Alkohol?
Ja. Ich hätte gern ein Bierchen.

Eine Maß?
Nein, nein.

Und ein Obatzda und eine Brezn, bitte.
Oh geil, Obatzda. Ich mag ja die bayrische Küche. Das ist tatsächlich auch das einzige, wo ich lokalpatriotisch bin: Ich mag die südhessische Küche. Kochkäse und Apfelwein. Das gibt es hier leider nicht. Eigentlich hasse ich ja Kochen, aber ich habe mir jetzt angewöhnt, Kochkäse selber zu machen. Im Supermarkt gibt es zwar Kochkäse, aber das ist totaler Scheiß, der hat eigentlich nichts damit zu tun. Das war der einzige Grund, dass ich dachte, ich muss jetzt doch mal was in der Küche machen.

Und sonst lässt du dich bekochen?
Nein, ich gehe einfach total oft essen. Das ist ein absolutes Faulheits-Ding.

(Die Getränke kommen.)

Prost!
Prost!

Warst du schon mal auf dem Oktoberfest?
Nein und das habe ich auch immer verweigert. Ich kann mit so Volksfesten sowieso nichts anfangen, das ist für mich ein Rotes Tuch.

Wegen der Sache an sich?
Ja, ich komme vom Dorf und war Punker und wenn ich auf diese Dorffeste gegangen bin, habe ich immer Ärger gekriegt. Da habe ich so eine extrem tiefsitzende, unfassbare Abneigung gegen sowas entwickelt. Deswegen gehe ich da nicht hin. Das Oktoberfest ist all das, nur in groß. Und diese Musik hier ist auch grenzwertig, oder?

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Ich finde das ja ganz schön.
Echt jetzt?

Ja, weil ich damit aufgewachsen bin. Da werde ich nostalgisch. Hast du nicht so absurde Dinge, die du offensichtlich nur schön findest, weil du damit aufgewachsen bist?
Eigentlich nur kulinarisch. Ich wollte schon sehr jung vom Dorf weg. Mit 16 war ich das erste Mal in Berlin und das erste, was ich gesagt habe, war „Hier werde ich irgendwann wohnen“. Sofort weg vom Dorf. Mich verbindet damit nichts außer Abneigung.

Wie alt bist du denn jetzt?
40. Auch so ein Ding, das hätte ich mir nicht träumen lassen.

Dass du 40 Jahre alt wirst?
Ja, dachtest du als Teenager, du wirst mal… du bist doch höchstens Mitte 20!

Ja. Ich glaube aber daran, mal 40 Jahre alt zu werden.
Aber ich fand immer, dass das so weit weg ist. 40-Jährige waren für mich alt. Ist ja auch so, ich habe eine 18-jährige Tochter. Da bin ich auch der alte Sack (lacht).

Aber es ist okay für dich?
Total, mittlerweile finde ich das voll gut aus einem einfachen Grund: Ich bin mit den Jahren wesentlich entspannter geworden. Ich bin nicht mehr so verbissen, ich kann auch mal Sachen gut sein lassen, ich bin nicht mehr so aufbrausend. Die innere Ruhe ist mit dem Alter gekommen.

Das sind also Vorteile, die ältere Männer haben?
Ja, aber bei Frauen auch, glaube ich.

Wärst du gern nochmal 25?
Nein, ich glaube nicht. Das ist ja nicht möglich, deswegen habe ich mir darüber auch noch nie den Kopf zerbrochen (lacht). Ich glaube, ich würde es nochmal wollen, weil ich dann älter werden kann. Wenn ich darüber nachdenke, was sich technisch für Möglichkeiten ergeben haben, in der Zeit, in der ich lebe, würde mich interessieren, wie die Welt in 100 Jahren aussieht. Das ist spannend. Aber es wäre eine Horrorvorstellung, nochmal Teenager zu sein. Boah, das war anstrengend.

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Ich glaube, niemand will nochmal ein Teenager sein.
Horror. Auch ein Vorteil am Älterwerden ist, dass keiner von mir erwartet, dass ich mit den neuesten Techniken umgehen kann.

In Estland lernen die Schulkinder inzwischen in der Grundschule schon Programmieren.
Ja, das ist super. Ich kann auch Programme bedienen, aber ich kann selber nichts schreiben. Aber eigentlich ist das ja dank der Programme alles simpel. Ich habe ja jetzt ein Kindle und kaufe mir viel zu viele Bücher.

Sehr löblich, dass du sie kaufst.
Ja, ich finde, das sollte man auch machen.

Ich kaufe mir auch immer Alben, aber nie auf Platte.
Ich bin auch kein Plattensammler.

Das hätte ich jetzt schon als Musiker und Musikfan erwartet. Bist du eigentlich ein Musiknerd?
Ich höre schon gern Musik, aber ich sammel nicht. Ich habe sogar solche Leute immer gehasst. Ich habe viele von denen im Freundeskreis und bin mit ihnen schon viermal umgezogen. Das ist wirklich der Horror, wenn du mal 4000 Platten in den 5. Stock getragen hast. Ich kann diese Platten schon gar nicht mehr hören, weil ich weiß, wie viel sie wiegen.

Das finde ich sehr sympathisch.
Ich habe vielleicht zehn Platten.

Ich habe sechs, alphabetisch sortiert.
Na immerhin.

(Das Essen kommt.)

Was sind Themen, die du bei einem ersten Date vermeidest?
Eigentlich vermeide ich nicht viel. Man muss ja versuchen, sich von der Schokoladenseite zu zeigen.

Eigentlich muss man auch versuchen, halbwegs neutral rüberzukommen, oder?
Nein, das würde ja meiner Natur vollkommen widersprechen. Das wäre ja gleich die erste Lüge. Ich bin alles andere als neutral. Mir fällt auch nichts ein, was ich vor dir geheim halten würde (lacht). Allerdings ist alles schon so lange her. Mit meiner letzten Freundin hatte ich nicht mal ein richtiges erstes Date.

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Aber als Teenager hattest du doch Dates?
Klar, aber schau mal, ich bin doch schon so alt (lacht). Ich kann mich nicht erinnern. Ein schlimmes erstes Date hatte ich vor ein paar Jahren mal, das war echt kacke. Nach fünf Minuten dachte ich mir „Wie kann man das jetzt einigermaßen okay beenden?“ (lacht)

(Der Fotograf erzählt eine Geschichte von einem ersten Date, auf dem ein Mädchen zwei Stunden geheult hat und sein Kumpel sie im Arm halten musste.)

Torsun: Verflucht, ojemine, das klingt ja dramatisch.

Sowas würde ich ja beim ersten Date vermeiden: weinen.
Absolut. Neulich auf meinem ersten Date mit Staiger lief es gut. Am Schlimmsten ist auch unangenehme Stille. Staiger und ich kannten uns gar nicht, aber mit uns passte das sofort.

Gibt sich deine Tochter eigentlich viel Mühe, dir nicht zu gefallen?
Erstaunlicherweise nicht.

Hast du das früher versucht?
Nein, meine Eltern waren ziemlich cool. Das habe ich auch realtiv schnell kapiert. Mit 14, 15 haben meine Eltern mir mal Hausarrest gegeben, dann bin ich abgehauen und drei Tage später heimgekommen. Dann war das Thema Hausarrest vom Tisch. Aber meine Tochter ist zum Glück überhaupt nicht so. Die ist in allen Bereich saucool.

Liest du Facebook-Kommentare?
Ja schon, eine Zeit lang habe ich mich auch immer mitgestritten. Was ich aber nicht mache und was der absolute Bodensatz ist, sind YouTube-Kommentare. Das ist das Niederste, was es gibt. Ich habe noch nie einen verfasst.

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Aber bei Facebook diskutierst du mit?
Kommt auf das Thema an. Antisemitismus ist ein Thema, das mich sehr stark beschäftigt und interessiert, dann streite ich auch gern mit den beschissenen Scheiß-Antisemiten. Deswegen bin ich auch schon zweimal bei Facebook gesperrt worden für einen Monat. Dann durfte ich nicht mehr mitschreiben.

Wie bist du eigentlich, wenn dein Gesprächspartner eine andere politische Einstellung als du hast?
Wenn es zu scheiße ist, dann gehe ich.

Wie auf Dates.
Naja, ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass VICE jemanden vorbeischickt, der ein Rassist ist. Von daher stimmt das von Grund auf schon mal. Aber natürlich gab es schon Situationen, in denen ich einfach gegangen bin. Wenn Leute eine Scheißmeinung haben, bin ich nicht gut im Neutralsein. Das liegt mir nicht, dann gehe ich lieber.

Welche Themen schneidest du an, wenn unangenehme Stille kommt?
Ich weiß nicht.

Gehst du dann auch einfach?
(lacht) Okay, tschüss! Nein, ich weiß es nicht, weil ich in der Regel gegenüber Leuten offen bin. Das passiert dann eher selten. Aber wenn die Stille unangenehm ist, dann gehe ich, glaube ich. Das ist nicht gut für’s Nervenkostüm.

Bist du bei deinem unangenehmen Date einfach gegangen?
Nein, wir mussten zum Glück sowieso irgendwann gehen. Aber danach war Funkstille.

Welchen deiner Songs würdest du einer Frau vorspielen, um sie zu beeindrucken?
Ojemine. Ich glaube, von der letzten Platte Natur ist dein Feind würde ich „Glücksversprechen“ wählen.

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Warum?
Weil ich selber den Text noch gut finde und der ein bisschen schlau klingt (lacht).

Und die alten nicht?
Doch, natürlich. Dann sowas wie „Möllewahn“, weil das auch solche Themen wie Antisemitismus anspricht und eine deutsche Projektionsleistung zum Thema Israel hat. Da finde ich auch interessant, die Reaktionen zu sehen. Da kritisiere ich das Ding sehr, dass die Deutschen immer meinen, sie müssten Israel kritisieren und das dumme Gelaber, man dürfe es nicht.

Wann ist das Feiern eigentlich langweilig geworden?
Eine Weile habe ich das wirklich richtig zelebriert, also Donnerstag los und Montag nach Hause. 2007 war es am extremsten, aber seit ein bis zwei Jahren hat das nachgelassen, auch wenn das Nachtleben zum Beruf geworden ist, weißt du. Wenn man sowieso nachts sein Lebensunterhalt verdient, ist es irgendwann nicht mehr spannend. Mir machen Drogen immer noch Spaß, aber ich habe trotzdem nicht mehr das Bedürfnis so viele zu nehmen.

War das in der Jugend auch schon so?
Ja, absolut. Ich habe auch immer so Phasen, entweder ich übertreibe es oder ich lasse es ganz. Jetzt kann ich das aber plötzlich. Ich musste 40 werden, um sagen zu können „Ich rauche jetzt zwei Joints und es reicht“ oder „Ich ziehe zwei Nasen und es reicht“, früher war das undenkbar…Trinken wir noch was?

Ich muss leider wieder ins Büro.
Ja, okay.

Egotronic, c'est moi! erscheint heute bei Audiolith. Holt es euch im Label-Shop, bei Amazon oder bei iTunes.

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