FYI.

This story is over 5 years old.

Interviews

Crazy Town sind zurück und töten jeden, der sie als „Butterfly Boys“ beschimpft

Nach 13 Jahren melden sich Crazy Town mit einem neuen Album zurück, um zu beweisen, dass weder Drogen, Reality TV, noch Kritiker sie zerstören können.

Wie sehr sich manche Bands auch dagegen wehren, sie werden von der breiten Öffentlichkeit doch immer nur auf ihre größten Hits reduziert. Rage Against The Machine sind die „Killing In The Name Of“-Band, Papa Roach müssen bis in alle Ewigkeit „Last Resort“ spielen, P.O.D. sind die „Alive“-Typen und Crazy Town eben die „Butterfly“-Boys. Ein einzelner Song kann die Karriere einer Band in Sphären katapultieren, doch um sich dort auch wohnlich einzurichten, muss die Qualität wenigstens annähernd gehalten werden. Oder dein Hit war nur Resultat glücklicher Umstände und egal, wie sehr du dich auch bemühst, deine weiteren Releases werden niemals an den alten Verkaufszahlen anknüpfen. Im Falle von Crazy Town war das bereits mit ihrem zweiten Album Darkhorse der Fall. Zu Nu Metal, zu Linkin Park, zu wenig Butterfly—musikalischer Höhepunkt, aber finanzieller Epic Fail.

Anzeige

Es war auch nicht besonders hilfreich, dass die Frontsau Setz Binzer aka Shifty in eine schlimme Alkohol- und Drogensucht abrutschte und eher irritierenden Stoff für verschiedene US-Reality Serien, wie Celebrity Rehab oder Sober House lieferte, anstatt im Studio an einem Comeback-Album zu werkeln. Ja, Bret Mazur aka Epic, das Mastermind hinter Crazy Town, hatte es mit seinem Kollegen die letzten Jahre nicht leicht gehabt. Umso beeindruckender die Tatsache, dass sich die Beiden schließlich doch wieder im Studio wiederfanden und mit The Brimstone Sluggers ein Album aufnahmen, das nostalgisch mit der Vergangenheit spielt und gleichzeitig einen festen Platz in der Gegenwart beanspruchen möchte. Wir haben mit Bret über den langen Leidensweg nach Darkhorse, das Gefühl, seinen alten Freund Shifty im TV leiden zu sehen und das Erbe einen Welthits gesprochen.

Noisey: Ich habe mir eben nochmal alte Crazy Town-Songs wie „Drowning“ angehört. Euer neues Album ist aber offensichtlich kein Rock-Album mehr, wo sind die schweren Gitarren hin?
Bret: Es gibt noch ein paar Guitar-Parts, aber wie jeder andere auch machen wir Musik in erster Linie für uns. Auf The Gift of Game hatten wir zwar Gitarren, aber es gab viel mehr HipHop-Elemente. Das neue Album heißt The Brimstone Sluggers, weil wir wieder zu unseren Wurzeln zurückwollten. Die Punkrock-Attitüde existiert immer noch, aber es ist kein Heavy-Metal-Record, es ist eher Alternative-HipHop. Ich verstehe ja, dass es Fans gibt, die mehr Gitarren wollen, aber ehrlich gesagt geht mir das total am Arsch vorbei. Egal, ob dir das gefällt oder nicht.

Anzeige

Das Albumcover eurer neuen Platte zeigt wieder das Mädchen von eurem Debüt The Gift of Game. Wolltet ihr die Leute daran erinnern, wer ihr mal wart?
Gewissermaßen, ja. Auf Darkhorse war sie ja auch, nur viel kleiner. Ehrlich gesagt, hasse ich es, wie sie da aussieht. Wir waren damals auf Tour und ich konnte mich nicht genug darum kümmern. Sie ist eben unser Mädchen. Wie ich schon sagte, back to the roots, deswegen ist auch das Artwork so ähnlich. Also ist das jetzt eigentlich unser zweites Album, das wir nie machen konnten.

Als ich sie wiedergesehen habe, habe ich mich echt gefragt, was sie in all den Jahren alles durchgemacht hat.
Ja, sie hat immer noch ihren Heiligenschein, aber ein neues LA-Tattoo unter dem Auge. Sie scheint sich mehr zu verstecken, schließlich ist sie einmal durch die Hölle gegangen. Sie hat viele Geschichten zu erzählen.

Das Album selbst habt ihr nach eurem ersten gemeinsamen Band-Projekt The Brimstone Sluggers benannt. Warum die Nostalgie?
Als wir angefangen hatten, miteinander zu arbeiten, hatten sich Shifty, DJ AM und ich einfach im Studio getroffen und HipHop-Tracks gemacht. Wir haben uns dann gedacht, dass wir—wenn wir wieder zurückkommen werden—das Gebäude von Grund auf neu aufbauen müssen, Stein für Stein. Deswegen.

Es sollte 2008 doch auch schon ein anderes Album kommen, Crazy Town is Back.
Ah, ja. Folgendes ist passiert. Es war 2006 und Shifty hatte schlimme Probleme mit Drogen und Alkohol. Damals war einfach nicht die richtige Zeit. Und ganz ehrlich, deswegen hat das alles auch so lange gedauert, wegen ihm (lacht).

Anzeige

Ja, seine Drogensucht wurde in verschiedenen TV-Shows dokumentiert.
Ganz genau. Wir hätten einfach ins Studio gehen können, und weitermachen sollen… ich konnte nicht nachvollziehen, warum er ins TV gehen musste. Er hätte eigentlich sein Leben auf die Reihe bekommen müssen und dann macht er sowas. Das habe ich nicht verstanden. Deswegen war es damals für uns nicht der richtige Zeitpunkt. So sehr ich es auch wollte, wäre es nicht richtig gewesen.

Wie war das für dich, deinen alten Freund im Fernsehen derart straucheln zu sehen?
Ich glaube nicht an das ganze Konzept, dass du jemandem mit seiner Drogensucht helfen kannst, wenn du ihn in eine TV-Show steckst. Der ganze Sinn einer solchen Show besteht doch darin, dass die Leute den ganzen Kaputten beim Scheitern zusehen. Es ist gut für die Show, dass da niemand von seinen Drogen loskommt. Ich würde niemals einen meiner Freunde in so eine Show stecken, auch wenn die Produzenten noch so beteuern, dass er danach clean ist. Klar, weil es in erster Linie immer noch unterhaltend sein soll.
Ganz genau.

Euer letztes Album Darkhorse war kein großer Erfolg, obwohl ich es echt mochte. Aber damals schien es, als ob die Leute mehr damit beschäftigt waren, euch als Linkin-Park-Kopie abzustempeln. Wie habt ihr das damals wahrgenommen?
Bevor Linkin Park bekannt wurden, gerade als Chester [Sänger von Linkin Park] dazu kam, hatte ich ein Meeting mit ihnen. Es ging darum, ob ich ein paar Songs produzieren sollte. Damals hießen sie noch Hybrid Theory. Ich war immer ein Fan von ihnen und mochte sie. Und sie mochten uns auch. Ich hätte also wirklich gerne mit ihnen gearbeitet, aber mein Manager hat mir gesagt, dass das gerade nicht gehen würde. Wir waren nämlich dabei, mit den Red Hot Chili Peppers auf eine lange Tour zu gehen.

Anzeige

Damals haben viele Bands diesen Sound gehabt und die gleichen Stile miteinander gemischt. Darkhorse war im Vergleich zu The Gift Of Game kein so großer Erfolg, weil unser Debüt einfach so unglaublich erfolgreich war. Es war schwer, da anzuknüpfen. Ich wünsche mir nicht, dass wir mit „Butterfly“ nicht so einen riesigen Erfolg gehabt hätten, aber dadurch konnten wir uns nicht in einem natürlichen Tempo entwickeln.

Nach Darkhorse dachte ich: „Wir waren jetzt fünf Jahre auf Tour, ich kann euch alle langsam nicht mehr sehen (lacht), vielleicht machen wir eine kleine Pause. Keine große Sache.“ Dann verlief sich das ein bisschen. Aber wir sind stolz auf Darkhorse, egal ob es die Leute mochten oder nicht. Und darauf kommt es an.

Unten geht's weiter.

Wie sehr kämpft ihr heute noch mit dem Erbe, die „Butterfly“-Band zu sein?
Wir haben das ja nicht geplant, dass der Song so erfolgreich sein würde. Das hätte niemand voraussagen können. Es ist witzig, wir sind definitiv HipHop-Heads, mögen aber auch härtere Songs. Unsere Musik hat sehr viele Einflüsse. Wenn also ein Metal-Head mich verurteilen will und sagt, ich sei nicht hart, dann soll er doch mal ins Studio kommen und das nachmachen, was ich kann. Ich würde ihn innerhalb einer verdammten Sekunde töten. So fühle ich, wenn ich irgendwelche Leute sehe, die uns kritisieren und dabei Scheiße reden, nur weil wir die „Butterfly-Boys“ sind. Auf der anderen Seite, ist es mir eigentlich egal. Während der Zeit, als wir mit der Band nichts gemacht haben, habe ich auch mit anderen Musiker gearbeitet und produziert.

Anzeige

Wann kam dann der Punkt, an dem Shiftys Sucht nicht länger ein Problem war und ihr das neue Album aufnehmen konntet?
Vor drei Jahren habe ich Shifty angerufen, und ihm gesagt, dass ich da ein paar unveröffentlichte Songs hätte, die wir der Welt zeigen sollten, weil die Fans sie vielleicht hören wollen. Egal ob kostenlos oder für Geld. Ich wollte einfach nicht, dass sie auf meinem Computer verenden. Er stimmte zu und schlug vor, doch gleich noch ein, zwei Songs aufzunehmen. Wir gingen also ins Studio und die neuen Songs klangen so gut, dass wir beschlossen, gleich ein ganzes Album aufzunehmen. Und das haben wir.

Ihr 2014 beim Rock am Ring gespielt. Wie war es, nach all der Zeit wieder einem europäischen Publikum neue Songs vorzuspielen?
Es hat meine wildesten Erwartungen übertroffen. Niemand wusste, was passieren würde. Die erste Show dieser Europa-Tour war in einem echt coolen Club in der Schweiz. Da waren 400 Leute. Am nächsten Tag spielten wir auf einem Festival, wo wir auf die drittgrößten Bühne spielen sollten. Die Veranstalter hatten mit 4000 bis 5000 Zuschauern gerechnet. Als wir die Bühne betreten haben, standen da über 40.000 Leute! Das war unglaublich. Egal ob Download-Festival in Großbritannien, Nova Rock in Österreich oder Rock am Ring in Deutschland, die Reaktion auf die neuen Songs war immer unglaublich.

Hast du Sorge, dass auch das neue Album kein großer Erfolg werden wird?
Ich liebe das Album und hoffentlich werden es die Leute auch tun. Aber ich habe absolut kein Vertrauen in die Plattenfirma. Denn wir haben ein Problem mit der Aufmerksamkeit. Solange die Welt weiß, dass wir ein neues Album rausbringen, stehen wir gut da. Deswegen braucht es Leute wie dich, Musik-Blogs, Reviewer und natürlich auch die Fans, damit diese Platte die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Wenn das Album ein Erfolg wird, wird es ein Erfolg trotz der Sachen, die die Plattenfirma tut.

The Brimstone Sluggers ist bei Sony erschienen. Du kannst es bei Amazon und iTunes kaufen.

Folge Julius bei Twitter: @Bedtime_Paradox

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.