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Wie konnte es zum Great Gatsby-Soundtrack kommen?

Bringen Fergie, Nero und Jay-Z wirklich den Sound der Goldenen Zwanziger auf den Punkt?
Ryan Bassil
London, GB

Baz Luhrmanns The Great Gatsby kam letzte Woche in den USA raus und er hat mal eben lockere 51,1 Millionen Dollar am ersten Wochenende eingespielt. Damit ist es nach Inception der zweitbeste Start für einen Film mit Leonardo DiCaprio und hoffentlich auch der Grund dafür, dass sich Luhrmann mit den Taschen voller Geld für ein paar Jahre in einen Rosen umranktes Boudoir zurückziehen wird, unfähig sich mit anderen Dingen zu beschäftigen außer dem Sonnen im eigenen Ruhm.

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Gestern lief der Film auch bei uns an und ich bin mir sicher, dass er ein Smash Hit wird. Warum? Weil neben Teeniestar-zu-Menopausen-Traumtyp DiCaprio auch noch das passiv-aggressive kleine Löffelchen Toby Maguire und die unaufhaltsam durchstartende britische Sexbombe Carey Mulligan mitspielen und er in 3D gefilmt wurde –für Leute mit mehr Geld als Verstand immer ein Grund mehr ins Kino zu gehen.

Falls du nicht zufällig klassische amerikanische Literatur studiert haben solltest oder lieber Micky Maus-Hefte liest, Der große Gatsby erzählt die Geschichte des Millionärs Jay Gatsby und seines Nachbarn Nick Carraway, der seine überaus turbulente Begegnung mit Gatsby auf der Höhe der Goldenen Zwanziger zum besten gibt. Die ganze Sache spielt in einem Metropolis zur Zeit der Prohibition, zu einer Zeit, in der Jazz keinesfalls der Soundtrack eines billigen Dates im Pizza Express war, sondern eine kulturelle Bewegung, die besonders prägend war für diesen Klassiker der Literatur. Und genau das ist der Grund, warum die Tatsache, dass der offizielle Soundtrack mit dem plumpen EDM von Nero und der brutalen Belanglosigkeit von Gotye bestückt ist, akute Verwirrung in mir auslöste.

An der Platte, die von Jay-Z produziert wurde, ist Berichten zufolge zwei Jahre lang gearbeitet worden und sie sollte „das Empfinden des Jazz-Zeitalters aus F. Scott Fitzgeralds Novelle in ein musikalisches Äquivalent unserer Zeit übertragen, und das mit Hilfe von Hip Hop, traditionellem Jazz und anderen zeitgenössischen Musikstilen.“ Dieser Plan ist ja schön und gut und hätte auch funktionieren können, wenn sie beispielsweise die summenden Emotionen eines Frank Ocean mit Jazz gepaart hätten oder den wummernden Power House von Jay Electronica mit Loungemusik gemischt hätten—beides Musiker, die problemlos in eine Soundumgebung der ersten Klasse gehievt werden könnten. Aber wenn du dir überlegst, dass auf dem Soundtrack der symmetrisch frisierte, song-klauende Will.i.am und seine Black Eyed Peas-Kollegin Fergie zu hören sind, wird die Ästhetik von The Great Gatsby schon ruiniert, bevor man überhaupt gesehen hat, wie Leonardo Di Caprio seinen Kopf ins Waschbecken wirft, um wieder klar zu werden.

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Wenn man einen Blockbuster dreht, ist der Soundtrack unglaublich wichtig. Er ist der Grund dafür, dass ich meine bevorstehende Midlife-Crisis damit verbringen möchte, mit Kevin Spacey einen durchzuziehen, während wir zu unseren Drive-Through-Jobs fahren und „All Right Now“ anhören, dass ich mit dem Fahrrad durch die Berge cruisen möchte, an einem Golfplatz vorbei, auf dem Echo and The Bunnymen gespielt werden oder in ein Becken voller schillernder Spiegelungen einer traumhaften Thai-Insel eintauchen möchte, während „Pure Shores“ in meinem Kopf auf Dauerschleife läuft. Tatsächlich wäre ich absolut glücklich, wenn ich plötzlich einen psychotischen Nervenzusammenbruch hätte—solange die Pixies spielen, während die Welt um mich herum herunterbrennt.

All diese Soundtracks funktionieren, weil die Ära, in der besagte Filme spielen (American Beauty, Donnie Darko, The Beach und Fight Club), nicht essenziell für die Handlung ist. Aber es ist etwas anderes mit Gatsby Bourbon zu trinken, während man Jay-Z's Audio-Blasphemie zuhört—und das nicht nur, weil Gatsby niemals einen Schwarzen in sein Haus gelassen hätte—sondern weil es in etwa so ist, als würde man ein Remake von The Great Espcape drehen und als Soundtrack Atombomben werfenden Dubstep verwenden, nur weil Amerika gerade erst herausgefunden hat, was EDM bedeutet und wie man damit Geld scheffelt.

Erinnert ihr euch noch daran, als der Trailer zu dem Film rauskam? Ich schon. Ich saß monatelang sabbernd vor meinem Computer, starrte auf das DiCaprio Hintergrundbild auf meinem Handy und wartete darauf, in eine Soundwelt gebracht zu werden, die ich mir nur in meinen wildesten Fantasien ausmalen konnte.

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Stattdessen aber wurde ich mit einem Track von Kanye Wests und Jay-Zs aufgeblasenen Watch The Throne begrüßt, das nicht weiter von West Egg entfernt sein könnte als ein Sozialhilfeempfänger, der versucht auf eine von Gatsbys schicken Partys zu kommen. Es macht ein klein wenig Sinn, Jay-Z mit auf den Soundtrack zu nehmen, nicht nur, weil er ihn produziert hat, sondern auch weil er vom Abschaum der Gesellschaft an die Spitze kam, wie ein moderner, mental stabiler Gatsby. Aber leider geht sein „$100 Bill“ Track nicht in Richtung Fitzgeralds Jazz-Empfinden, sondern ist eher ein enttäuschender Diss, der klingt, als hätte jemand aus seiner Brooklyn Nets angerufen. Wenn die Textzeilen schon klingen, als hätte Jay sich nicht die Mühe gemacht, sie fertig zu schreiben, dann klingt das finale Produkt, als hätte er sich nicht die Mühe gemacht, es nochmal anzuhören, weil er stattdessen in seinem Range Rover saß und Beyonces Hintern lachend mit ein paar Scheinen versohlte.

Allerdings ist es nicht der Track von Jay-Z, der so versagt. Beyoncé und Andre 3000 kämpfen sich durch „Back To Black“, was die Frage aufwirft, warum nicht einfach das Original von Amy genommen wurde? Mit all dem grandiosen und dennoch verzweifelten Jazz-Charme wäre die Version von Winehouse mit Sicherheit passender für die steile Treppe der bürgerlichen Society-Partys gewesen als die Lieblings-Pop-Diva deiner kleinen Schwester, die ihre Stimmakkorde über einen Track erstreckt, der klingt, als würde er durch die Lautsprecher eines Opel Corsas gespielt werden.

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Die Antwort auf die Frage, wie es dazu kommen konnte, ist aber ganz einfach: Geld. Niemand hat je im Sinne künstlerischer Anerkennung über diesen Soundtrack gesprochen, so wie sie es über den Soundtrack von O Brother, Where Art Thou? getan haben oder wie sie es über OutKasts Idlewild hätten tun sollen. Die Namen der Künstler standen immer im Vordergrund. Luhrmann und Jay wissen beide, dass eine Platte auf der Lana Del Rey, Emeli Sande und Jack White drauf sind, mehr Geld bringen wird als ein authentischer, durchdachter und kreativer Jazz-Soundtrack. Wenn ihr Ziel gewesen wäre, die Person des Jay Gatsby in eine Platte zu pressen, dann haben sie es dadurch erreicht, dass sie eine 190 Euro teure Vinylplatte geschaffen haben—eine leere Persönlichkeit, die voller Geld ist. Doch wenn es darum geht, den Geist und die Ernsthaftigkeit von Gatsbys Hauspartys in West Egg einzufangen, dann hat Luhrmann versagt. Stattdessen werden wir mit einer aufgeblasenen Platte sitzen gelassen, die mehr mit einer Multi-Millionen-Euro-Kampagne für einen Twilight-Film zu tun hat oder einer Werbung für einen High Definition-Kopfhörer, als mit einem Drama, das in den 20er Jahren spielt.

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