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Popkultur

Fiebertraum im Wald: Wir haben Bibis Schwangerschafts-Ankündigung analysiert

Deutschlands erfolgreichste YouTuberin Bianca Heinicke und ihr Freund erwarten ein Kind. Das Video zur Offenbarung ist … interessant.
Alle Screenshots aus dem YouTube-Video "changes... <3" von BibisBeautyPalace

Bianca Heinicke hat alles erreicht, was man mit 25 Jahren überhaupt nur erreichen kann: Sie vertreibt eigenen Duschschaum, betreibt mit Bibis Beauty Palace einen von Deutschlands erfolgreichsten YouTube-Kanälen, hat bereits ziemlich spektakulär eine Musikkarriere in den Sand gesetzt – und erwartet jetzt auch noch ein Kind. Zusammen mit ihrem Langzeitpartner Julian Claßen (aka Julienco) hat sie nach mehreren mysteriösen Anspielungen ein Video veröffentlicht, in dem sie die frohe Nachricht an ihre fünf Millionen YouTube-Abonnenten verkündet.

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Was die Beziehung von Bibi und Julian angeht, haben wir schon einiges erleben dürfen. Wir haben die Beiden lachen und weinen sehen, es wurde gestritten, geküsst und Regenbogenschleim über Bibis Gesicht ausgekippt. Doch "changes… <3" verändert alles. Und das Internet wird womöglich nie wieder dasselbe sein.

Das Video beginnt wie viele Horrorfilme. Zwei junge, glückliche Menschen, die für einen Waldspaziergang extrem unpraktische Klamotten tragen, stolpern glücklich durchs Unterholz. Tau tropft von Blättern, Sonnenstrahlen brechen durchs Geäst und klimpernde Musik aus dem Off stimmt uns schon mal auf das ein, was gleich kommen wird: so viel zwischenmenschliches Glück, dass man seine vor Neid zerfressene Gallenblase hochwürgen und für ein DIY-YouTube-Tutorial eine freche Clutch daraus nähen möchte.

Mit breitem Strahlen schlendern die jungen Liebenden auf einen Baumstumpf zu, auf dem Herzschläge zu sehen sind. Was soll das bedeuten? Der Wald lebt? Baumfällen ist Mord? Handelt es sich um eine besonders atmosphärisch inszenierte Medien-Kooperation mit dem Naturschutzbund Deutschland? Oder steht der Stumpf für Bibis Unterleib, in dem gerade neues Leben heranwächst? Wenige Sekunden später reißt Julian Bärlauch aus und die Influencerin riecht verträumt daran. Wie Bärlauch riecht, fragt ihr? Ein bisschen wie Knoblauch. So romantisch.

Wahnsinnig süß und verspielt geht es auch weiter. Bibi balanciert in offenen Sandalen über einen Baumstumpf und schafft es faszinierenderweise, nicht abzurutschen. Macht das nicht zu Hause nach, Kinder! Nicht jeder hat jemanden wie Julian, der am Ende des Stammes steht, euch in die Arme nimmt und herumwirbelt.

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Fröhlich tobt das junge Paar weiter, Julian springt sogar ausgelassen über einen Baumstumpf, umklammert dabei aber weiterhin die Hand seiner Liebsten. Ja, hier geht es um Liebe, irgendwie, schließlich gibt es keine andere Entschuldigung, zu zweit, entrückt grinsend und in aufeinander abgestimmten Outfits über Waldwege zu hüpfen. Außer man ist Teil der Gummibärenbande. (Wenn ihr euch selbst einen Gefallen tun wollt: Guckt das Bibi-Video ohne Ton und lasst im Hintergrund diesen Song laufen.)

Nach rund einer Minute Laufzeit bekommt die Zeitlupe, in der in diesem Video absolut alles passiert, etwas Passiv-Aggressives. Die klimpernde Musik wirkt beinahe bedrohlich. Wohin wollen die YouTube-Stars? Und: Folgt ihnen jemand, oder warum wird immer wieder grundlos Geäst eingeblendet? Bibi und Julian sind mittlerweile auf einem befestigten Weg angekommen, im Video, wie auch wahrscheinlich im Leben. Trotzdem haben sie sich etwas Nonkonformität bewahrt. Als die Kamera ganz nah an das Paar heranfährt, um anschließend in den Himmel abzuschwenken, sieht man: Ihre Outfits sind nicht gebügelt.

Die Bildsprache wird zunehmend kryptischer und erreicht beinahe Westworld-Dimensionen. Befinden wir uns in einer alternativen Timeline? Sind das hier noch echte Menschen oder Androiden? Mit Spinnenweben überzogene Äste beschwören erneut das Gefühl herauf, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Zu schön sind die Szenen zwischen Bibi und Julian. Ihr güldnes Haar sieht im Sonnenschein beinahe aus wie gesponnenes Gold. Es ist unklar, wofür das stehen soll. Doch Märchenmetaphern scheinen in Anbetracht dieses übermenschlichen Glücks nur angemessen.

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In einem Horrorfilm käme jetzt der Moment, in dem es in einer der majestätischen Baumkronen plötzlich verdächtig kracht. Zweige rieseln auf den Boden und Julian hält seine schmalen Arme schützend über Bibis Haupt, während sie beide mit angstvoll aufgerissenen Augen zur Seite springen. Als ihr Blick zurück auf die Lichtung fällt, die ihnen eben noch so einladend und friedlich erschien, entdecken sie einen grausam verdrehten, nackten Männerkörper. Statt in ein menschliches Gesicht blicken sie auf einen knochigen Hirschschädel. Die klimpernde Musik wird intensiver. Die Zeitlupe ist plötzlich kein Werkzeug mehr, um ihr Glück nie enden zu lassen, sie ist ein psychologisches Folterinstrument, welches das Paar wie Treibsand an Ort und Stelle hält.

Aber wir sind nicht in einem Horrorfilm, sondern in einem dreiminütigen YouTube-Video, in dem eine 25-jährige Unternehmerin ihr Leben einmal mehr als sphärischen Fiebertraum inszeniert. Sanft streicheln sich Bibi und ihr Freund deswegen gegenseitig die Hände, scheinbar zutiefst fasziniert von einer kleinen Raupe, die über perfekt gebräunte Finger krabbelt. Wie lange die unglückselige Person, die für dieses Video die Kamera macht, wohl nach dem Tier suchen musste? Egal. Viel wichtiger ist: Trägt Bibi einen Verlobungsring?

Nach rund zwei Minuten haben die beiden den Wald endlich hinter sich gelassen und jagen wie sorglose Rehkitze über eine weite Wiese. Die strahlend weißen Outfits flattern im Wind und erinnern an die Waschmittel-Werbespot-Parallelwelt, in der Menschen weiße Wäsche separat waschen und nicht nach wenigen Wochen mit grauen Lumpen enden. Eine bessere Welt, aber eben auch eine fernab jeder Realität.

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Atemlos, aber immer noch glücklich und kein bisschen verschwitzt, lassen sich Bibi und Julian schließlich auf eine Decke mit jeder Menge Zierkissen fallen. Gedankenverloren starren sie in den Himmel, der selbstverständlich für ihre Zukunft steht, die noch nicht geschrieben ist. Wozu eigene Metaphern finden, wenn es Bilder gibt, die so ausgelutscht sind, dass sie auch ganz ohne schnelle Schnitte und Off-Text von wirklich jedem verstanden werden?

Bibi pflückt eine weitere Pflanze, dieses Mal eine Pusteblume. Sanft bläst sie die Samen in den Himmel, wie ein Penis das Sperma in die Vagina – und damit sind wir dann auch direkt beim Thema, denn endlich, endlich, wird das offenbart, was wir tief in uns schon die ganze Zeit vermutet haben: Bibi ist schwanger.

Einmal mehr taucht der Herzschlag auf, dieses Mal allerdings nicht auf einem Baumstamm, sondern auf Bibis Bauch. Der klimpernde Soundteppich weicht lauten Herzgeräuschen, dann wird der Bildschirm schwarz. Und bleibt es für die letzten Sekunden des Videos auch. Eine interessante, überraschend düstere Design-Entscheidung.

Vielleicht hatten die beiden damit aber auch schon antizipiert, wie gehässig die Ankündigung bei den Leuten aufgenommen werden würde, für die Influencer – insbesondere weibliche – nicht mehr als hirntote Barbiepuppen sind, denen der Erfolg in den Schoß gefallen ist. Sowohl bei Twitter als auch in den Kommentaren auf YouTube wechselten sich Fehlgeburt-Wünsche mit "Dumme Menschen sollten keine Kinder kriegen"-Kommentaren ab.

Man muss Bianca Heinickes Content nicht feiern, Fakt aber bleibt: Beleidigungen und Drohungen hat keine werdende Mutter verdient. Auch dann nicht, wenn sie ihr Kind in einem Video ankündigt, das aussieht, als würde sie eigentlich die saugkräftigste Binde der Welt verkaufen wollen.

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