FYI.

This story is over 5 years old.

Features

10 österreichische Musikerinnen über den Weltfrauentag

Ist der Internationale Frauentag noch wichtig? Und zu welchen Musikerinnen lohnt es sich aufzublicken? Wir haben uns mal umgehört.

Screenshot: VICE Media

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Ein Tag, der 1910 von der deutschen Soziologin Clara Zetkin bei der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen vorgeschlagen wurde und am 19. März 1911 zum ersten Mal als solcher in Dänemark, Deutschland, der Schweiz und (zu dieser Zeit noch) Österreich-Ungarn gefeiert wurde. Es ging damals vor allem um die Organisation von Protesten zugunsten des Frauenwahlrechts. Es ging um Grundrechte. Der gesamte geschichtliche Hintergrund kann zum Beispiel hier nachgelesen werden. Seine Einführung war eine gute und wichtige Sache. Das anzuzweifeln, wäre dumm.

Anzeige

Wie aber ist das im Jahr 2016? Was bedeutet dieser Tag heute? Ist er mehr als ein scheinbar willkürliches Datum, das sich unter dem Deckmantel eines politischen Hintergrunds zwischen dem Welttag der Jogginghose und dem Welttag der Katze durch die Timelines der sozialen Medien wurschtelt und auch den auflagenstarken Wochenendausgaben der Boulevard-Zeitungen einen Anlass liefert, doch wieder einmal über Gender Gaps und Feminismus zu berichten? Ist er mehr als bloß einer dieser lukrativen Verkaufstage der Blumenläden und Confiserien zwischen Valentinstag und Muttertag, der Ehemänner durch die Straßen hetzen lässt? Mehr als die 20% Rabatt in diversen Online-Shops und Parfümerien? Ja, natürlich ist er das. Zumindest theoretisch.

Screenshot: VICE Media

Auf der ganzen Welt werden an diesem Tag frauenspezifische Themen diskutiert. Es geht um Frauen in Führungspositionen und politischen Entscheidungsprozessen, um den Ausgleich geschlechterspezifischer Lohnunterschiede, um sexuelle Belästigung, Gewalt gegen Frauen und Mädchen, um Genitalverstümmelung und um Gleichberechtigung dort, wo sie noch eine Utopie ist. Frauen sind in viel zu vielen Bereichen des täglichen Lebens unterrepräsentiert.

Auch in der Musikindustrie. Was bringt der 8. März etwa österreichischen Musikerinnen? Was haben sie von einem Weltfrauentag? So gesehen eigentlich nichts.

Und ist es nicht überhaupt scheinheilig, einen Kalendertag im Jahr alleine den Frauen zu widmen? Die luxemburgische EU-Kommissarin Viviane Reding empfindet das jedenfalls so und stellte fest, dass, solange ein Frauentag gefeiert werden muss, „wir keine Gleichberechtigung haben.“ Deutschlands Parade-Feministin Alice Schwarzer polterte gar: „Schaffen wir ihn endlich ab, diesen gönnerhaften 8. März! Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer.“

Anzeige

Wir haben noch weitere Zitate eingeholt. Und zwar von besagten wunderbaren und großartigen Frauen in Österreichs Popmusik-Szene. Was bedeutet der Weltfrauentag für sie? Und welche Musikerinnen haben für sie diesbezüglich tatsächlich eine Welt bewegt?

Ankathie Koi (Fijuka)

Foto via FB

„Ich bin nicht der Typ, der so auf bestimmte, ganz gewichtige Tage abfährt. Ich finde, es ist sehr wichtig, dass es ihn gibt, da manche Themen, die Frauenrechte betreffen, immer noch nicht in jedermanns Kopf sind. Ich persönlich praktiziere aber eher eine Art ‚Alltags-Feminismus’. Ich denke nicht zu viel darüber nach, ob manche Sachen für mich als Frau okay sind oder nicht. Ich mag es gern, wenn mir ein Mann die Tür aufhält, ebenso möchte ich aber nicht, dass es auch nur ansatzweise komisch ist, wenn ich einem Mann die Tür aufhalte. Ich bin eher für machen und nicht zu viel darüber nachdenken. Deswegen: der Weltfrauentag ist wichtig, aber seine Bedürfnisse und die Kommunikation derer nach Außen in seinen Alltag zu integrieren und das alles im Real Life umzusetzen, ist eigentlich wichtiger. Ich als in Wien lebende Europäerin rede mir da natürlich leicht, das ist mir schon bewusst. Aber irgendwo muss man ja anfangen.“

„Patti Smith, grundsätzlich ja Ikone der Gegenkultur, hat sich stark gegen den Vietnamkrieg eingesetzt, viel für Frauenrechte gekämpft. Miriam Makebas Engagement für Menschen- und speziell für Frauenrechte ist auch wichtig, da gibt es dieses ‚Makeba Rehabilitation Centre for Girls’, das von ihr gegründet wurde. Noch ein paar: Sinead O'Connor – natürlich auch sehr kontrovers, da gibt es auch ein paar Aktionen, die ich nicht so toll fand, Annie Lennox, Tracy Chapman, Joan Baez, Suzanne Vega, (frühe) Madonna – auch kontrovers, mittlerweile finde ich sie ja fast ein bisschen peinlich, aber da gibt es ein gutes Zitat von ihr: ‚Auch wenn ich mich vielleicht wie ein typisches Flittchen anziehe – ich bestimme über mich selbst. Die Leute halten mich nicht für einen Menschen, der nicht über seine Karriere oder sein Leben bestimmt. Und das ist doch der Sinn des Feminismus, oder? Bin ich nicht selbst für mein Leben verantwortlich, für alles, was ich mache, für alle Entscheidungen, die ich treffe?’ Das hat sie in der Sendung ‚Nightlife’ der ABC am 3. Dezember 1990 gesagt. Ich empfehle außerdem jeder Musikerin, einmal das Buch ‚Rebellinnen’ von Gillian G. Gaar zu lesen.“

Anzeige

Marlene Lacherstorfer und Lisi Neuhold (Velojet)

Foto: Julia Grandegger

„Ich habe mit so feministischen Sachen nicht besonders viel am Hut und ich beschäftige mich mit solchen Themen nicht viel. Für mich war es immer selbstverständlich, dieselben Rechte zu haben, wie andere. Aber klar, der Weltfrauentag ist global gesehen natürlich wichtig, um auf massive Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.“ (Marlene)

„Ein großes Thema für ein kurzes Statement. Prinzipiell bleibt ja immer über die Sinnhaftigkeit einzelner (Feier-)Tage zu diskutieren, während Miss- und Umstände trotzdem weiterhin streckenweise ignoriert werden oder manchmal nur breitenwirksam und an Wichtigem vorbeiagiert wird. Ein Zeichen ist es aber allemal, denke ich. Das Thema ist ja sehr komplex und in unterschiedlichen Kontexten zu beleuchten und global wieder eine andere Geschichte als national.“

„Amanda Palmer!“ (Lisi)

Anna Attar (Monsterheart)

Foto: Seayou Records

„An sich fände ich es viel interessanter, wenn man Männerbands dazu befragen würde. Klar ist der Tag für mich als Frau wichtig. Aber in dem Sinn ist ja jeder Tag für mich Weltfrauentag. Wir sind auf dieser Seite der Welt so privilegiert. Wir werden nicht beschnitten, zwangsverheiratet oder nach der Geburt mit Reis erstickt. Juhu! Der lokale Kampf, den man hier austragen muss, ist auch eher einer, der im eigenen Kopf und dann im Verhalten auszutragen ist. Ich persönlich weigere mich einfach, da in eine Opferrolle zu fallen und halte dagegen. Wenn mir wer blöd kommt, komme ich blöd zurück. Ich habe da keine Geduld mit Idioten. Aber da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Ich glaube auch, dass man jeglichen Missständen mit Aufklärung entgegenwirken kann. Dafür sollte ein Weltfrauentag zum Beispiel da sein. Allerdings sind wir (Menschen) hier so gut gestellt, dass die meisten vermutlich einfach ein sinnentleertes Posting auf Facebook machen und damit hat sich's dann mit der Auseinandersetzung für 2015. Insgesamt wäre hier schon alles besser, wenn jeder den anderen so behandeln würde, wie er selbst behandelt werden will. Aber das ist anscheinend leichter gesagt, als getan… Eigentlich nicht.“

Anzeige

„Jede Frau, die sich hinstellt, ihr Ding macht und sich nicht von Macho-Gebärden und ‚Puppal, komm, i zag da wie’s geht’-Attitüden einschüchtern lässt, trägt etwas bei und ist damit ein Vorbild. Es müssen nur einfach mehr davon her. Man muss keine klar definierte feministische Agenda nach außen tragen, um etwas zu bewirken. Ich glaube, dass sogar eher das Gegenteil der Fall ist. Je mehr man sich von diesen politischen Dingen distanziert, desto mehr hat man die Chance, gleichgestellt wahrgenommen zu werden. Aber vielleicht bin ich da naiv. Wenn ich eine PJ Harvey oder St.Vincent sehe, denk ich mir auch einfach nur: ‚Fuck, die ist so cool, wenn ich Gitarre spielen könnte, könnte ich auch so cool sein.’ Und dann gehe ich in ein Geschäft und kaufe mir eine und mache das. Dafür braucht's keine Parolen.“

Anna Kohlweis (Squalloscope)

Foto via FB

„Ich habe mir eigentlich lange gar keine Gedanken um den Weltfrauentag gemacht. Solche Welt-Irgendwas-Tage scheinen mir immer ein bisschen einen bitteren Nebengeschmack zu haben in dem Sinn, dass vielerorts an diesem einen Tag darauf hingewiesen wird, wie wichtig das Thema doch ist, obwohl das restliche Jahr ein Scheiß dafür getan wird. Natürlich sollte eigentlich jeden Tag Weltfrauentag sein, weil man sich jeden Tag bewusst sein sollte, wie diskriminiert wir in dieser Welt noch immer werden und wie gefährlich diese Ungleichheit für Männer und Frauen sein kann. Für mich persönlich ist es wichtig, den Weltfrauentag in einem historischen Kontext zu sehen. Anfang des 20. Jahrhunderts für Frauenrechte auf die Straße zu gehen und hörbar und sichtbar in der Öffentlichkeit dafür zu kämpfen – Wahnsinn, wie viel Mut und Zähheit und Ausdauer das brauchte. Und für diejenigen Frauen, die damals kämpften, damit ich heute hier und jetzt Rechte habe, die mir selbstverständlich scheinen, habe ich unendlich viel Respekt. Mit solchen schwindligen Aktionen wie gratis Cocktails für alle Frauen in der Dorfdisko zum Weltfrauentag hat das nichts zu tun.“

Anzeige

„Mit 17 hab ich zum ersten Mal Ani DiFranco gehört, was mich nachhaltig beeinflusst hat. Damals war das einfach riesig, und auch das erste Mal, dass Feminismus für mich als Wort überhaupt irgendwie präsent wurde. In ‚Grand Canyon’ gibt es diese Zeilen, ‚Why can't all decent men and women call themselves feminists? Out of respect for those who fought for this?’, und dieser Gedanke war und ist noch immer wichtig.“

Ella Zwietnig (UMA)

Foto via FB

„Natürlich, weil ich eine Frau bin, denke ich mir, klar, eigener Tag, aber dann gibt es auch Welttage für Bücher, Radio, einen Tag der männlichen Körperpflege (!) und sogar einen Welttoilettentag. Da finde ich dann einen einzigen Tag für mich als Frau ein bisschen wenig. Gleiches gilt für nur einen Weltmännertag. Ich bin halt schon eher jeden Tag mit meinem Frausein beschäftigt, auf professioneller und privater Ebene und so geht es vermutlich fast allen. Was will mir denn der Weltfrauentag eigentlich sagen, frage ich mich gerade? Ich muss ganz ehrlich gestehen, als ich die Anfrage bekommen habe, war ich kurz so, ‚ach, Weltfrauentag, wann ist der denn überhaupt?’ Da er auf einen Sonntag fällt, kann ich mir zwei Stücke Kuchen genehmigen. Finde ich ziemlich gut.“

„Es gibt da so viele Musikerinnen, was super schön ist. Jede einzelne Frau, die Musik macht, bewegt für mich etwas und wenn es nicht dezidiert feministische Themen sind, dann einfach nur durch den simplen Fakt, das eine Frau mehr Musik macht. Weil es sind eigentlich so viele und trotzdem fühlt es sich oft an, als wären wir so wenige. High Five für Dolly Parton, Beyoncé, Peaches, Björk, Kathleen Hanna.“

Anzeige

Mimu Merz

Foto: Lupi Spuma

„In mich hineinlauschend, kann ich berichten, ich hatte weder etwas für, noch gegen den Frauentag. Darum gab ich diese Frage an meine Freunde weiter und die Reaktionen waren durch die Bank etwas spöttisch. (‚Ich find eh gut, dass Frauen jetzt auch ihre Tage bekommen.’) Vielleicht ist die Bezeichnung etwas outdated. Vielleicht wäre es zielführender, das ganze ‚International Equality Day’ zu nennen. Etwas Vereinendes und nicht Exkludierendes. Etwas, das gleich auf den ersten Blick besser kommuniziert, im gesellschaftlichen und individuellen Denken NOCHMALS verankert, dass die strukturelle Benachteiligung einer Personengruppe eine Menschenrechtsverletzung darstellt.“

„Laurie Anderson. Ihre intelligenten Arbeiten und ihre unantastbare Selbstsicherheit, ihre Eloquenz haben für mich sehr viel bewegt. Weil sie mir ein Vorbild ist und war. Da braucht es gar nicht immer den erhobenen Zeigefinger, der vielen das Grausen lehrt. Es braucht starke Persönlichkeiten, die sich etablieren und erwachsene Persönlichkeiten, die es sich in den Kopf setzen, diesem Weg zu folgen.“

Katie Trenk (Sex Jams)

Foto via FB

„Ja, den Tag sollten wir eigentlich nicht brauchen und auf die Bipa-Angebote kann ich auch verzichten. Wenn aber anlässlich des Frauentags Männer in Afghanistan in Burka auf die Straße gehen, um für die Rechte von Frauen zu demonstrieren oder mich die männlichen Gäste im Dorfwirtshaus darauf ansprechen und wir diskutieren und ich kann ihnen ein bisschen was erzählen, macht das auch wieder Sinn. Leider kommen die halt das ganze restliche Jahr nicht auf dieses Thema, es sei denn, es ist wieder ein ‚Aufreger’ in der Zeitung…“

Anzeige

„Ich will auf Faustine Hudson – Drummerin aus Seattle, habe sie auf Tour mit Chain and the Gang 2010 kennengelernt – aufmerksam machen. Sie unterstützt mit ihrem Projekt "Operation Menstruation" Frauen und junge Mädchen in Uganda. Diese Frauen haben nicht die Möglichkeiten, die wir haben. Sie benutzen Pflanzen und stecken sich mit Krankheiten an, fliegen von der Schule, etc. Sie hat ein "Menstruation Kit" entworfen und spricht und versorgt vor Ort. Hat mich sehr beeindruckt, weil sie mit dieser Aktion darauf aufmerksam macht, dass es in so vielen unterschiedlichen Bereichen noch genug zu tun gibt und noch viel passieren muss.“

Mira Lu Kovacs (Schmieds Puls)

Foto: Appolonia Bitzan

„Naja, der ist wahrscheinlich so sinnvoll wie jeder andere Welt-Dings-Tag… Generell finde ich solche Aktionen, um Aufmerksamkeit auf Rück- und Missstände zu lenken, aber sehr, sehr wichtig. Diese offenen Häuser und Infotage für junge Frauen, gratis und leicht zugänglich, das müsste es ganzjährig geben. So wie beim Muttertag, ist eine Mutter ja nicht nur einmal im Jahr Mama – nicht zu sprechen vom Ursprung dieses Feiertags – und eine Frau nicht nur einmal im Jahr Frau. Ich bin an dem Tag nicht glücklicher oder stolzer als sonst, eine Frau zu sein. Für mich ist es jedes Mal, wenn ich die einzige Frau im Backstage-Raum bin, eine Art Zeichensetzung, aber auch ein Armutszeugnis. Für mich stellt sich bei einem Weltfrauentag außerdem die Frage, wer denn jetzt gemeint ist—dürfen auch die mitfeiern, die sich als Frau fühlen? Ich finde es wichtig, dass das ins Konzept mitaufgenommen wird.“

Anzeige

„Ani DiFranco hat mich da stark beeinflusst, auch wenn ich ihre Texte erst so richtig verstanden habe, als ich etwa 18 war… Die ist inner- und außerhalb ihrer Musik politisch, ohne dass die Musik selbst in den Hintergrund gerät. Mittlerweile geht sie, glaube ich, häufiger auf die Straße, um zu protestieren und hält Reden auf Konferenzen, als zu touren, aber sie macht im Grunde dasselbe wie immer. Es kommt mir immer mehr so vor, als wäre es schon alleine ein großes Ding, wenn einmal eine Frau auf der Bühne steht. Ich denke, die Menschen sind immer noch überrascht, eine Frau performen zu sehen, die es einfach drauf hat, die ihr Ding macht, allein oder mit einer Band, die sie leitet und zusammengestellt hat, für die sie komponiert usw.“

Stephanie Zamagna (Konea Ra)

Foto: Andreas Waldschütz

„Es ist wichtig, dass es diesen Tag gibt, vor allem, wenn man bedenkt, in wie vielen Ländern nach wie vor Chancenungleichheit herrscht. Ich finde es gleichzeitig traurig, dass es den Tag nach wie vor geben muss in unserer heutigen Zeit. Ich kann mich glücklich schätzen, in einem Mikrokosmos zu leben, in dem ich mich als Frau nicht benachteiligt fühle.“

„Erykah Badu – da sie aus meiner Sicht auf jeder Ebene Dinge bewegt.“

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.