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Warum wir keine The-Bands mehr brauchen

In diesem Artikel kommt zirka 69 Mal „The“ vor. Aber nicht nur deshalb brauchen wir keine The-Bands mehr.

Screenshot via YouTube

The Maccabees, The Script, The Fray, The Rolling Stones, The Red Jumpsuit Apparatus, The Walkmen, The Rakes, The Pixies, The Weepies, The Format, The Beatles, The Get Up Kids. Diese Liste könnte man bis ins Unendliche weiterführen. Glaubt man dem sozialen Webradio last.fm, dann sind es 44.136 Seiten voller Bands und Künstler, 20 pro Seite, die ein „The“ in ihrem Namen haben. Ja, irgendwo im Namen. Einen Filter gibt es leider nicht.

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Nichtsdestotrotz scheint es eine gigantische Menge an solchen Bands zu geben. Darüber sind wir uns einig. Heute verorten wir The-Bands zumeist im Indie-Gitarren-Rock-Pop-Bereich, und oft nehmen wir sie gar nicht mehr zur Kenntnis. Wahrscheinlich 08/15-Indie, denken wir uns. Aber warum ist das so? Woher kommt der Zwang, einer Band einen Artikel zu verpassen? Und wann war eigentlich der Zeitpunkt, an dem Musiker hätten aufhören sollen, ihren Bandnamen ein „The“ voranzustellen? Fragen über Fragen, die wir hiermit versuchen, zu beantworten. Fangen wir von vorne an. Oder zumindest da, wo wir den Anfang dieses Pop-Phänomens vermuten. In der aufkommenden Popmusik der 60er Jahren als Weiterentwicklung des Rock’n’Rolls der 50er. Zahlen und Fakten sind bei einem so Google-nichtoptimierten Suchbegriff wie „Bandnamen mit the“ übrigens etwas schwierig zu finden. Sollten überhaupt welche existieren.

Die Großen

Die erste Band, die wir in unserer Chronologie aus The-Bands erwähnen wollen, sind die Beatles, also The Beatles. Sie gehören zu jenen großen Rock-Formationen der 60er und 70er Jahre, die diesen „The“-Wahnsinn losgetreten haben. Dazu gehören gleichwertig auch The Doors, The Rolling Stones, The Velvet Underground, The Kinks und The Beach Boys. Alles großartige, wegweisende Bands, wichtige Revolutionäre und Genre-Macher. Nennen wir sie doch einfach „die Großen“. Dass die Großen ihre Bands damals mit einem Artikel versehen haben, scheint nicht allzu abwegig. Es sollte ihnen wohl Nachdruck verleihen, darauf hinweisen, dass sie jemand sind oder jemand sein werden. Sie wollten in der schnell wachsenden Popmusikszene als markant wahrgenommen werden. Es war zu dieser Zeit auch noch nicht nötig, bei Listen das „The“ hinten anzustellen. Man fand The Beatles und The Doors noch unter dem Buchstaben „T“ und nicht unter „B“ und „D“. Heute wäre das vollkommen undenkbar. Überforderung!

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Ebenfalls zu den Großen zählen wir die (aus heutiger Sicht) Mainstream-Punkbands der 80er Jahre. Das „The“ steht hier vermutlich aus ähnlichen Gründen vor prägnanten Namen wie Clash, Ramones, Sex Pistols, Exploited und ja, auch Cure, Smiths, Pixies und Flaming Lips. Dass die Letzteren keinen Punk machen, wissen wir. Wir wussten nur nicht, wohin mit ihnen.

Die Schlaumeier

In den 80ern sprang schließlich eine weitere Gruppe auf den The-Zug auf. Und zwar so richtig. Um den englischen Singer-Songwriter Matt Johnson formierte sich die New Wave-Band The The. Zum Glück war Google damals noch wurscht. Heute wäre der Name eine Internet-Katastrophe. Jedenfalls dürfte sich Johnson, beziehungsweise sein Kollege Keith Laws, Folgendes gedacht haben: „The The, das klingt doch lustig. Lasst uns damit die ganzen The-Bands persiflieren.“ Wir glauben fest daran, dass sich die Namenwahl so zugetragen hat. Es muss einfach eine Persiflage gewesen sein. Oder eine Hommage. Oder beides.

Die Indiekids

Wir machen einen etwas größeren Zeitsprung bis zum Ende der 90er Jahre. In dieser Zeit ging es nämlich richtig los. So fanden sich beispielsweise 1997 ein paar spindeldürre Lads aus London als The Libertines zusammen, während sich ein Jahr später ein paar gelangweilte Rich Kids aus New York City The Strokes tauften. In Australien wurden zur selben Zeit The Vines gegründet und auch die Schweden The Hives schlüpften erstmals in den 90ern in ihre Maßanzüge. Diese vier Bands sind unsere klassischen Indiekids, die vier Säulen des wachsenden, äh, The-ismus des nachfolgenden Jahrtausends. Die Namen haben eine gewisse phonetische sowie phonologische Ähnlichkeit. Sie sind einfach zu merken, sie schreien quasi Gitarrenrock und sie sind selbstverständlich, wie auch die Musik dahinter, von ihren musikalischen Vorbildern der letzten dreißig Jahre beeinflusst. Welche Indie-Band nennt nicht irgendwann The Beatles als Referenz? Eben. Sie sind quasi die nächste Generation der The-Bands. Sie sind bloß androgyner geworden, haben alltäglichere Sorgen, über die sie schreiben und singen, Merkmale wie Distanz und Arroganz werden zum coolen Image-Ding. Drogen bleiben irgendwie wichtig, werden aber gesellschaftsbedingt nicht mehr so stark glorifiziert. Honorable Mentions gehen in der Kategorie Indiekids außerdem an The Kills und The White Stripes.

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Weil wir nicht so sind, zählen wir noch ein paar andere The-Bands zu dieser Kategorie. Zumindest halb zu dieser, halb zu der nächsten—den Mitläufern. Ganz klar zwischen den Stühlen sitzen zum Beispiel The Killers, die 2002 gegründet wurden. Während ihre erste Single „Mr. Brightside“ berechtigterweise noch immer für kreischende Mädchen und schmusende Pärchen in den Indie-Clubs dieser Welt sorgt, entwickelten sie sich irgendwie ziemlich schnell zu nervigen Stadionpop-Quenglern. Auf last.fm halten sie mit 158.878.395 gespielten Titeln Platz vier bei den meistgehörten Künstlern in den Jahren 2002 bis 2012. Aktuell sind es bereits fast 190 Millionen Titel. (The Rolling Stones sind in diesem Ranking übrigens auf Platz 15, The Beatles auf Platz 18.) In ihren Anfängen ebenfalls nicht so einfach zu kategorisieren sind The Kooks, The Wombats und The Pigeon Detectives. Wobei, nein. Wir befinden uns eigentlich schon mitten in der nächsten Kategorie.

Die Mitläufer

Wir wissen, diese Kategorie ist hart. Wir werden viele von euch verärgern, denn eure liebsten Indie-Bands werden darunter sein: The Fratellis, The Rifles, The Holloways, The Enemy, The Courteneers, The Cribs, The Futureheads, The Datsuns, The Subways, The Von Blondies, The Duke Spirit, The Greenhornes, The Mooney Suzuki, The Ettes, The Virgins, The Orwells, etc. Aber im Ernst, seht ihr es nicht? Einheitsbrei! Der The-Wahnsinn muss endlich aufhören. Das, was Alexis Petridis vom britischen Guardian 2008 bereits über Bands gesagt hat, die „Fuck“ in ihrem Namen haben, könnte man auch ganz gut auf The-Bands ummünzen. „It’s not big, it’s not clever and it’s no longer original“, betitelte der Pop-Chef damals seinen grantigen Kommentar. Er schreibt darin, dass das Wort „Fuck“, ob nun im Bandnamen oder auch bloß in den Lyrics, vor langer Zeit einmal so etwas wie Verachtung gegenüber dem herdenartigen Mainstream in Pop und Gesellschaft ausdrücken sollte, dass es vielleicht irgendwann einmal ein Symbol für Rebellion war. Heute sei es nichts als ein alltägliches Wort (siehe Hip Hop) – nicht mehr groß, nicht mehr clever, nicht mehr originell eben.

So wie „The“. Das war zwar niemals ein rebellisches Symbol, aber es hat doch eine ähnliche Laufbahn hinter sich. Es war einmal groß, clever und originell, heute ist es das nicht mehr. Man kann das als Band auch einfach akzeptieren und sich irgendeinen anderen Namen ausdenken. Wenn einem nichts einfällt, dann kann man einen der vielen Bandname-Generatoren im Internet konsultieren. Man kann auch, wenn man wirklich super Indie sein möchte natürlich, „Crystal“, „Beach“, „Bear“, Dreiecke und x-e in seinen Namen einbauen. Wobei man das eigentlich auch schon längst nicht mehr macht.

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