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Noisey Blog

Warum ich mich als Raucherin auf das Rauchverbot in der Gastro gefreut habe

Österreich hätte ab Mai 2018 eine rauchfreie Gastronomie haben sollen. Unsere Autorin, die leidenschaftliche Raucherin ist, hätte sich darauf gefreut.

Es war eigentlich beschlossen: Raucher hätten eigentlich nur noch noch wenig Zeit gehabt, sich einer schwarzen Lunge zu nähern. Zumindest in Lokalen. Ehrlich, wer hätte es für möglich gehalten, dass im nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Österreich ein totales Rauchverbot in der Gastronomie Realität werden würde? Als es beschlossen wurde, haben es viele für möglich gehalten, aber dann kam Schwarz-Blau reloaded.

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Es hat ja auch nur 26 Jahre gedauert, bis wir es fast geschafft hätten. 1992 wurde das – heute sehr leidige – Thema das erste Mal von der Politik aufgegriffen. In diesen 26 Jahren ist passiert, was hierzulande zum guten Ton gehört: Weil man sich nicht einigen konnte, hat man drauf geschissen und der Rest Europas hat sich in seiner Vorreiterrolle auf die Schultern geklopft. Sogar Länder, die man mit Rauchschwaden konnotiert hat – ich sehe euch an, Frankreich und Italien – haben es geschafft, den Qualm zu verbannen. Das ist ein wahres Armutszeugnis für unser Land.

Mit Juni 2010 endete die Umbaufrist, die den Lokalen vorgegeben wurde, wenn sie in ihrem Betrieb weiterhin Raucher als Gäste haben wollten. Ihr kennt die Story: Viele Betriebe haben aus Angst, Gäste zu verlieren, viel Geld in Umbauarbeiten gesteckt. Lokale haben sogar die Quadratmeterzahl auf 50 qm reduziert, indem sie die Wände nach vorne versetzten. Nun, diese Übergangslösung hat kaum jemanden zu Jubelrufen veranlasst. Allerdings passte man sich so gut es ging an und man hat jammernd mit der Situation gelebt. Mit dem Tod des Journalisten Kurt Kuch, der Anfang des Jahres seinem Lungenkrebsleiden erlag, wurden auch die Stimmen um ein neues, endgültiges Rauchergesetz wieder lauter.

Drei Monate später wurde der Gesetzesentwurf heute in einer Pressekonferenz vorgestellt und als „(…)historischer Beitrag zur Steigerung der Gesundheit der Menschen" kommentiert. Oida, Österreich. Die Rhetorik der Politiker wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben und mich amüsieren. Also gut. Fakt ist: Ab Mai 2018 hätten gastronomische Betriebe in Österreich rauchfrei sein sollen. Fakt ist: Ich bin Raucherin. Fakt ist: Ich habe mich auf Mai gefreut und jetzt hat die Regierung alles wieder kaputt gemacht. Ich bin kein Fangirl von Verboten, aber ich bin ein sehr großes Fangirl davon, gesundheitsschädigende Dinge zur Privatsache zu machen.

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Damit ihr versteht, wie sich "Raucherin" in meinem Fall definiert (keine Sorge, ich versuche mich kurz zu halten): Bis zu meinem 16. Lebensjahr war ich sowas wie ein Raucherhof Pooper. Ich habe nie verstanden, warum die gesamte Klasse die zehn Minuten Pause dazu verwendet, sich in Nikotinschwaden zu räuchern. Rauchen interessierte mich nicht – und dann schlagartig doch. Wie es zu diesem dummen Umdenken kam, kann ich nur genau so dämlich erklären, wie es tatsächlich war: Jugendliche haben einen Hang dazu, ständig die Möbel in ihren Zimmern zu verschieben und sie beschissen zu dekorieren. Eine dieser beschissenen Dekorations-Ideen bestand daraus, die Zigaretten meiner "nichtrauchenden" Mutter ("Nein Isabella, das sind die Zigaretten meiner Freundin") auf einer Etagere zu drappieren. Nachdem diese Zigaretten einen Monat vor sich hin dekoriert haben, kam eines Sommertages – vermutlich aus Langeweile – die Lust auf, mich auf das Fensterbrett zu setzen und mir eine Tschik anzuzünden. Eine Marlboro Light.

Foto: Gersin Livia Paya

Von einer Zigarette in der Woche hat sich meine Sucht mittlerweile auf eineinhalb Schachteln am Tag gesteigert. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich einmal bei meiner Stiefmutter über Raucher aufgeregt habe und sie mit einem "Irgendwann wirst auch du rauchen" geantwortet hat. Es gibt Sätze, die vergisst man nicht und diesen habe ich besonders in meiner Zeit auf der Intensivstation nicht vergessen, auf der ich wegen einer Lungenentzündung war. Nachdem ich das Krankenhaus nach einem Monat wieder verlassen habe, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder eine verdammte Zigarette anzufassen.

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Das habe ich auch für einige Monate nicht, aber erstens vergisst der Mensch zu schnell und zweitens war ich jung und – man muss das so sagen – unglaublich fucking dumm. Heute bin ich bei den erwähnten eineinhalb bis zwei Schachteln am Tag und lasse mich selbst von den Bildern schwarzer Lungen, die mir meine Mutter in regelmäßigen Abständen via Mail schickt, nicht wirklich abschrecken. Wahrscheinlich ist das diese typische "Mir passiert sowas nicht"-Denke. Zu sagen, dass ich einfach aufhören soll, ist im Falle einer Sucht einfach nie hilfreich. Dazu braucht man Willenskraft und die habe ich nicht. Ich liebe es zu rauchen. Ich liebe es, mir zu Musik eine Zigarette anzuzünden und den Moment zu genießen. Und ich hasse es, das Rauchen zu lieben.

Aber nun zum Wesentlichen: Warum ich mich als Mensch, der sich in Wien Raucherlokale zum Fortgehen aussucht, der ohne Zigaretten keinen Club betritt auf ein endgültiges Rauchverbot freut? Weil ich gesehen habe, dass es auch anders geht. In meiner Zeit als Zigaretten-Junkie war ich in einigen Städten, die es geschafft haben dieses Gesetz von Anfang an radikal umzusetzen. London: Kein Problem. Man geht eben raus um sich die Lungen zu vernichten. Soho glich jeden Abend einem Straßenfest, weil alle draußen waren. Eine zwischenmenschliche Win-Situation.

Paris: Ich hab gar nicht geraucht, weil ich mich vor den Franzosen angeschissen habe. Berlin: Seid ihr schon einmal im Winter in einem dieser ganz raren Raucher-Séparées gesessen? Bei der Kälte und dem stehenden Rauch vergeht einem die Lust aufs Bier und aufs Ausgehen ganz allgemein. Und nun zu Kopenhagen, der Stadt, die für mich ein Raucherparadies ist, obwohl man drinnen kaum rauchen darf (ich habe damals zwei Lokale gefunden. Eines, in dem man für ein Bier 15 Euro gezahlt hat und ein anderes, von dem ich nicht weiß ob es tatsächlich ein Lokal war.). Die Dänen sind zuckersüß. Vor jedem Lokal haben sie eine Art Gastgarten, der mit einer Liebe hergerichtet ist, dass Grumpy Cat davon schlecht werden würde. Und ich meine nicht „auch im Winter" sondern „besonders" im Winter. Wir haben uns in Decken gekuschelt, dem dumpfen Elektro von drinnen zugehört und uns genüsslich angesoffen.

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Gut, man kann jetzt natürlich das Argument bringen, dass ich das Rauchverbot einfach umgangen bin. Aber das war nur bedingt so. Viele Abende habe ich in diesen Städten, deren Clubs und Lokalen auch drinnen verbracht. Im Epizentrum der rauchfreien Luft. Es wäre falsch zu behaupten, ich hätte die „Time of my life" gehabt, aber ich hatte auf jeden Fall etwas, das "Close to the time of my life" war. Nach einer halben Stunde habe ich oft gar nicht mehr gemerkt, dass ich in einem Nichtraucherlokal bin. Die Zigarette wurde egal. Sie wurde mit dem Moment ausgetauscht. Jedes Mal, wenn ich die Städte wieder verlassen habe und ins Raucherparadies nach Österreich zurückgekehrt bin, habe ich mich geärgert die Möglichkeit zu haben, in ein verdammtes Raucherlokal zu gehen. Auch hier: Zu sagen "Geh halt nicht hin" ist Blödsinn. Und wenn du gerne in Lokale wie das Rhiz gehst, hast du auch keine andere Wahl.

Um das Thema, das keiner mehr hören kann, auch von meiner Seite zu Ende zu bringen, möchte ich abschließend sagen, dass das Rauchverbot eine gute Sache ist. Wir Raucher verbringen eh viel zu viel Zeit damit, uns eine Tschik nach der anderen anzuheizen und unsere nichtrauchenden Mitmenschen zu penetrieren. Jeder, der zumindest für eine Zeit lange nicht geraucht hat weiß, wie verdammt ekelhaft dieses scheiß Zeug riecht. Und ehrlich, mir ist der Schweiß tanzender Leute lieber, als an Sauerstoffarmut und brennenden Augen zu verzweifeln. Es geht hier auch um Rücksicht. Klar können Raucher jetzt jammern und sagen "Mimimi, aber wer nimmt auf uns Rücksicht?", aber ehrlich: Das ist nicht die Frage die sich stellt. Die wäre nämlich: Wann fängt ihr an, auf euch selbst Rücksicht zu nehmen.

Isabella geht jetzt eine rauchen und danach schaut sie auf Twitter: @isaykah

Dieser Artikel wurde am 22.2.2018 upgedatet.

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