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Gründe, warum meine Generation musikalisch im Arsch ist

Wer in den Nullerjahren in der Pubertät war, ist eigentlich wirklich arm.

Das ist LaFee mit schwarzen Flügeln auf einem schwarzen Einhorn. Willkommen in meiner Jugend. Screenshot via dailymotion.

Musik ist Gottes Geschenk an seine Kinder. Sie beflügelt uns, sie trägt uns in die Tagträume, sie pusht uns. Sie schafft es, Stimmungen, Gedanken und in Extremfällen sogar Meinungen und Weltansichten zu ändern. Ein Medium, das mehr berührt und bewirkt als jeder Artikel, jede Sendung und jeder Film. Forschungen haben ergeben, dass Schwangere, die ihr ungeborenes Kind mit klassischer Musik beschallen lassen, später ein klügeres Kind werfen. Auch das kann Musik. Ich bin fest davon überzeugt, dass es Musik gibt, die das Hirn schrumpfen lässt. Weiters bin ich davon überzeugt, dass besonders in den 00er Jahren diese Musik durch die Medien gefördert worden ist.

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Ich bin ein früher Twenty-Something und habe meine Jugend und Pubertät in den 00er Jahren verbracht. Wer das Glück hatte, in den 00er Jahren bereits erwachsen zu sein, wird sich hoffentlich nicht mal mehr erinnern können. Alle anderen: Ich nehme euch jetzt auf einen Trip der Scham mit, steigt ruhig mit ein. Gratulation an alle ehemaligen Jugendlichen, die sich den Viva-Charts entziehen konnten (keine Ironie). Viele konnten es nicht. Jedenfalls bin ich so aufgewachsen und ich weiß es von meiner Unterstufenklasse und den Nebenklassen, dass sie auch so aufgewachsen sind. Und das macht 60 Individuen, die eigentlich musikalisch und charakterlich nur im Arsch sein können, weil Viva uns laufend scheiße vorgesetzt hat. Ich mein, klar, ein paar Songs aus meiner Jugend machen mir ein wohliges Nostalgie-Gefühl und ich höre sie bis heute gerne. Aber es gibt Songs, für die ich die Verantwortlichen gerne zur Rechenschaft ziehen würde und mich sofort aus Scham im Boden eingraben möchte. Vielleicht werde ich alt und bekomme Muttergefühle—oder ich habe endlich so etwas wie Hirnmasse aufgebaut. Eventuell. Die Message der Lieder aus den 00er Jahren ist ungefähr auf dem Level der Musikvideos: richtig scheiße. Schnallt euch an, das wird wehtun.

LaFee—„Virus"

Lektion: Slutshaming und trashige Videos sind okay.

LaFee, die Sängerin, die durch Bravo Girl ganz groß geworden ist, hat es genau mit zwei Hits auf Viva geschafft. Oder drei. In allen Songs geht es darum, wie scheiße ein anderes 16-jähriges Mädchen ist. Der Inhalt von „Virus“ ist die BFF von LaFee die mit LaFees Freund rumschmust. So weit, so gut. LaFee ist richtig sauer und möchte, dass es beiden Parteien gesundheitlich richtig schlecht geht. Die erste Strophe widmet sie dem Mädchen. In der zweiten Stophe klagt sie zwar auch den Freund an, jedoch nicht mit so einer Passion. „Und sie nimmt dich mir weg, das kleine Stückchen Dreck, die Schlampe ist so link, dass es bis zur Hölle stinkt“ ist der Abschluss der zweiten Strophe und der Anfang des Refrains. Anstatt also ihren Freund zumindest in der zweiten Strophe zum Hassgegenstand zu machen, konzentriert sich LaFee lieber noch einmal darauf, wie scheiße ihre beste Freundin ist. Als wäre ihr armer Ex-Freund ein Opfer der weiblichen Macht, nicht in der Lage Entscheidungen zu treffen und im Endeffekt halt nicht ganz so schuldig an der Situation. Unfaire Beschimpfungsverteilung und ein ur peinliches Video. Gute Nacht.

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B-Tight—„Der Neger“

Lektion: Rassismus ist okay.

Ich kann den Song bis heute auswendig mitrappen und das ist ur, ur, ur traurig. Früher war es cool in der Klasse, dieses absolut rassistisches Ding zu singen, die Lehrer damit zu schockieren und es auf sein cooles Klapphandy runterzuladen. Ich maße mir jetzt nicht an, über B-Tights Schwarzsein zu philosophieren. Ich weiß auch, dass Rap mit Überzeichnungen arbeitet und man das einfach nicht ernst nehmen kann. Aber so viele Klischees, die durch den Song bestärkt wurden in einem Alter, in dem man mit so etwas nicht umgehen kann, weil man einfach in der hirnverbrannten Pubertät ist—schwierig. Ich weiß noch, dass bei uns in der Parallelklasse ein schwarzer Junge war und die Jungs aus meiner Klasse es lustig fanden, es ihm vorzurappen. Die Vorstellung, dass ich das nicht schlimm fand, bringt mich bis heute zum Speiben und Wimmern. Wäh. Und die Indizierung des Albums hat nur bewirkt, dass es noch cooler war, es zu haben.

Sido—„Arschficksong“

Lektion: Gewalt ist okay und Analsex ist ein Machtinstrument, das eben wehtut.

Den 14-Jährigen wird erklärt, dass es der begatteten Partei wehtut, diese blutet und es einfach widerlich und erniedrigend ist, Analsex zu haben. Natürlich war es damals ein lustiger Song, den man irgendwie kannte und mitgerappt hat, weil es voll cool war in einer Minute so viele Schimpfwörter wie möglich zu benutzen. Er ist ja heute eh auch lustig. Ich weiß noch, dass meine männlichen Schulkollegen deren einzige penetrierende Erfahrung bis dato eine Socke war, plötzlich angefangen haben, sich nach Analsex zu sehnen. Und Mädels mit ihrem Bravo-Sexwissen plötzlich Analsex als ein großes „Igitt“ wahrgenommen haben. Sich über Rap-Texte zu beschweren ist halt irgendwie sinnlos, aber dass dieses Lied wegen wachsender Beliebtheit eine Single-Auskopplung und ein Video bekommen hat, ist halt schon auch irgendwie hart. Vor allem weil sich ja schon seit immer nur kleine Pubertiernde sich für Charts und CD-Käufe interessieren.

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Sha—„Verdammt ich lieb dich“

Lektion: Wenn du ihn vermisst, solltest du dich besaufen.

Der nächste Star, den Mädchen und Bravo Girl geschaffen haben. Es ist ein Cover von einem Song, der um Gottes willen, wirklich kein Cover gebraucht hat. Vor allem kein Sha-Pseudo-R'n'B-Cover. Der Song beschreibt den Herzschmerz einer Frau und ist auf der Stufe einer emanzipierten Frau ungefähr auf dem Adele-Level. Das alles hier ist ein einziges Fiasko an Text, Video und Melodie und wurde damals von vielen Mädchen gefeiert. Ich gehe weinen, ich habe dazugehört. Vor allem habe ich mir so Steinchen auf meine Wimpern kleben wollen, weil das wirklich super-trendy war. Gott sei Dank habe ich mir beim ersten Versuch fast das Auge ausgestochen und es dann nie wieder probiert. Übrigens ist es die einzige Lektion, die ich mir bis heute nicht austreiben konnte, aber vielleicht ist das einfach in uns Menschen. Also das Besaufen, wenn die neue Liebe des Lebens scheiße ist.

Las Ketchup—„The Ketchup Song (Aserje)“

Lektion: Es muss keinen Sinn ergeben, um cool zu sein.

Hey, ihr fragt euch, warum Moneyboy mit seinem denglisch auch von manchen über 20-Jährigen gefeiert wird? Weil erfundene Wörter, die nach einer anderen Sprache klingen, tief in unserer Sozialisation verankert sind. Damals, als Teen, habe ich ganz lange gedacht, dass es ein spanischer Song über—nein, ich habe mir nichts gedacht, weil ich eine wirklich nicht besonders schlaue oder reflektierte Jugendliche war. Jedenfalls hat man die Gesellschaft irgendwann darüber aufgeklärt, dass das Wort Asereje absolut nichts zu bedeuten hat und bloß spanisch klingt. Doch es war bereits zu spät—die Industrie hat gemerkt, dass die Menschheit tatsächlich so blöd ist, Lieder zu feiern, die keinen Sinn ergeben.

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Schnappi—„Schnappi das kleine Krokodil"

Lektion: Lieder ohne Sinn, die rein zum Geldmachen produziert worden sind, sind auch cool, solange eine hohe oder kindliche Stimme sie singt.

Oida. Endlich kann ich stolz behaupten, dass ein Song in der Liste ist, den ich damals nicht gemocht habe. Der infantile Song über ein Krokodil namens Schnappi, war so lange in den Charts, dass damals erwachsene Menschen, sich tatsächlich in den Schlaf weinen mussten. Ich gebe Jamba die Schuld für den Erfolg dieses Songs, haben sie doch angefangen mit den blöden Weihnachtstassen, die in Baby-Sprache miteinander reden. Und den blöden Küken. Könnt ihr euch erinnern, wie Akon groß geworden ist? Mit „Lonely“ und dem Jamba-Küken? Oder könnt ihr euch an „Kleiner Hai“ erinnern? Oder „Durch den Monsun"? Kindersongs haben zu der Zeit viel Zuspruch bekommen und keiner weiß, wie das passieren konnte. Jamba sag ich euch.

Alex C ft. Y-Ass—„Du hast den schönsten Arsch der Welt“

Lektion: Sexismus ist okay, wenn er im romantischen Kontext stattfindet.

Oh mein Gott. In diesem Song ist eine weibliche Stimme zu hören, die sich verliebt hat und dann den „schönsten Arsch der Welt“ besingt. Einen männlichen Arsch? Sind männliche Ärsche schön? Wieso sehen wir dann lauter leicht bekleidete Frauen und deren Ärsche? Oder einen weiblichen? Wieso sehen wir ein Heteropärchen beim kopulieren? Und einen Mann in echt kurzen Badehosen ? Der Beat ist auch noch richtig trashig-schlecht und offensichtlich von Gigi inspiriert. Aber das ist ja „Boten Anna“ von Basshunter auch. Jedenfalls macht das ganze einfach keinen Sinn und Kopfweh. Auf den ersten Blick trifft hier der Sexismus beide Geschlechter. Schaut man genau hin, merkt man, dass die Verteilung von Männerärschen und Frauenärschen äußerst unausgeglichen ist. Hilfe.

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Fredi schämt sich auch auf Twitter: @schla_wienerin

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