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Noisey Blog

Ich hatte mehr Bands als Beziehungen

Warum mit Leuten Musik zu machen, wie eine wahnsinnige Freundin sein kann, und man ähnlich schlimme Beziehungserfahrungen machen muss.

Mein Name ist Josef. Ich bin männlich, Oberösterreicher und irgendwie auch immer schon Musiker.

Ich habe nicht viele lang andauernde Beziehungen mit Frauen auf dem sogenannten Kerbholz, Bettpfosten oder auf sonstigen unorthodoxen Stricherllisten, aber wenn es darum geht, überstürzte Bandprojekte zu gründen und diese teils durch alle Genres gehenden Liebschaften auf die Bühne und in Studios zu bringen, bin ich der reinste Casanova.

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Abgesehen davon, dass man bei einer Trennung vom Lebenspartner nicht gleich mit mehreren Personen Schluss machen muss, sind Musikbeziehungen einfacher, unterhaltsamer und in meinem Fall auch die dauerhafteren. Hier ein kleiner Führer durch musische Beziehungsmuster voller polygamer Proberäume, verschwitzter Genre-Bierrülpser und herrlich nach Zigaretten stinkenden Bandkollegen.

Jugendliebe

Plötzlich ist da diese Person und mit ihr entsteht eine ganz besondere Chemie, bestehend aus für Oberösterreich typischen Metal-Fanatismus, falsch krächzendem Gesang und schlecht besuchten Garagenauftritten. In dieser Fundamentbeziehung lernt man alles, auf dem man später aufbauen wird, wie beispielsweise Schlagzeug, Gitarre und Zigarettenrauch beim Singen cool durch die Nasenlöcher strömen zu lassen.

Die Band formt in unschuldiger Euphorie eigenartige Arbeitstitelprojekte wie Destroyberries, Hiatus oder Panty Tuff und die Welt scheint einem plötzlich sperrangelweit offen zu stehen. Die großen Fantasien von Punk und Exzess sind zum Greifen nahe—auch wenn man glaubt Cola Rot und Kiffen sind die Höhe des möglichen Exzesses. Das erste Mal wird man nie wieder los und obwohl man in verschiedenen Städten wohnt, werden heute noch verliebte Nachrichten in Form von Power-Ballads und Song-Lyrics über „Revenge Sex“ ausgetauscht.

Die beste Freundin von der ersten

Foto: Martin Baumgartner

Man hat Blut geleckt und will nun der dominante Part der Beziehung werden und drängelt sich zur Position des Leadsängers—mit einigen Einbußen in der Besetzung. Aber egal, da man nun in Kellerbars quasi Stadionrock produziert, bisschen Drogen probiert und—wahrscheinlich in Folge—glaubt im siebten Himmel zu sein. Doch es ist nur oberflächliche Liebe und wieder Selbstbetrug. Bei der Cover-Night mit Songs von Ozzy, Pantera und Queen, wird klar, dass man nicht mehr mithalten kann mit der übertalentierten Glam-Metal-Libido der anderen. Die Leidenschaft schwindet und die große Zeit der Synchron-Headbanger verläuft sich sehr unromantisch im Sand.

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Die, bei der man das erste Mal Schluss machen muss

Nach einer Beziehungspause und dem Vorhaben nie wieder den gleichen Fehler zu machen, fällt man dann auf schmeichlerische Avancen einer Band hinein. Plötzlich singt man antifaschistische Texte, die eine Balance zwischen Fred Durst und Kurt Cobain zu finden versuchen, in Kombination mit schlampig aneinander gestückeltem Emo-Core.

Wieder sagt man sich selber vor, dass es schon gehen werde und dass man doch eigentlich glücklich sei. Die rebellische Phase zeigt aber Abnutzungserscheinungen und die ganzen musikalisch-formellen Vorgaben des Genre—das man eigentlich lächerlich fand—treiben einen erstmalig dazu das Ganze zu beenden. Nach unzähligen Auftritten in den Bundesländern und so ziemlich allen Wiener Locations blieb Live-Erfahrung und eine kaputte Stimme von den Screams und vom Grölen. Zweifel kommen auf, ob man überhaupt eine Beziehung führen könne.

Mit dem Studium kommen Experimentierphasen

Man muss schließlich alles einmal probiert haben und deshalb gibt es auch die Zeiten, in denen die sich beißenden Einflüsse von Underworld bis Mike Patton plötzlich pseudo-effizient zusammengeschüttet werden, wie einer Bowle aus Poo Poo und Legosteinchen. Einer spielt gerne auf Ableton mit schrägen Break Beats herum, der andere will eigentlich nur französischen Gypsy-Jazz auf der Gitarre dudeln und man selbst bemüht sich Drum and Bass-Lyrics mit schrägen Filtereffekten zu improvisieren. Es ist keine Liebe, es ist ein Üben für etwas was nie passieren wird. Mehrstündige Live-Sessions in Lokalen wie Venster oder bei Hippie-Festivals in der Chill-Out Area sind lustig, aber nicht annähernd erfüllend. Auch dieser Casual Affäre geht schließlich die Luft aus.

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Die, bei der einem schon alles egal ist

Der Glaube an die perfekte musikalische Beziehung stirbt. Man nimmt plötzlich nichts mehr ernst und proletoider Dialekt-Rap macht zwei verkiffte Nerds zu Posern mit Pornobrillen. Noch vor Moneyboy macht man sich mit Texte über Omas-Ficken im Stiegenhaus und Taxler-Killen beim Kebabstandl zum Idioten. Beim hochintellektuellen Mittäter dieser niederen Reime, fragt man sich dann ständig, ob er das alles vielleicht sogar ernst meint oder niveaulose Crew doch eine geniale Verarschung darstellt. Auch wenn mit ihr ziemlich peinliche Videos entstanden sind, erinnert man sich dann doch gerne an sie zurück.

Die, für die man versucht sich zu ändern

Es ist an der Zeit etwas zu ändern. Man kehrt zurück zum ursprünglichen Schlaginstrument und fängt an es zu spielen als ob jemand die Treppe runterfällt. Es fühlt sich einige Zeit sogar an als ob man endlich glücklich geworden sei—wenn da nicht immer noch diese Stimme im Kopf wäre, die einen sehnsüchtig zu anderen Bands hinüberschielen ließe. Man probiert vieles, von Rock ’n’ Rollenspiele bis Swinging. Am Ende kommt leider raus, dass semiqualitative Indie-Riffs mit hochdeutschen Texten keine Befriedigung schaffen. Sobald man realisiert, dass man für sie sogar angefangen hat einen ledernen Fedora-Hut zu tragen, wird klar: Das hat keine Zukunft.

Der extreme Rebound

Nachdem eine ernste Sache in die Brüche geht, scheißt man plötzlich auf alles und so ein Rebound kann ziemlich krasse Ausmaße annehmen. Zusammen mit Alkoholveteranen ruft man ein Projekt ins Leben, bei dessen kranken Performances verschiedenste Masken getragen werden um den Schmerz der Beziehungsunfähigkeit in Form von Noise aus den dunkelsten Därmen der Unterwelt auszuleben. Man hat plötzlich eine Freundin, die wie ein Suicide Girl aussieht und mit der man von Bulbul bis Dyse hört. Die Band stellt sich als offene Beziehung heraus und erst später realisiert man: Das war wohl „the one that got away“.

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Solo ist besser

Alleine kommt man auch zurecht und sammelt One Night Stands bestehend aus Session-Musikern, die einem Cello, E-Percussions, Sologitarren oder Contrabass einspielen. Man schreibt Lieder über simple Themen und alleine mit der Gitarre fühlt man sich ein bisschen wie Batman, unverstanden aber cool. Nach einem prätentiösen Konzeptalbum und einem Abstecher in die Welt der Stoner Rocks, hängt man das Ganze an den Nagel. Die Leute fragen, wann man denn wieder einmal auftrete, doch man kann nur mit einem Schulterzucken antworten.

Reife und Zufriedenheit

Nach langer Pause von Beziehungen kommt dann plötzlich die eine daher, für die man sich zusammenreißt. Man bemüht sich gut zu sein, fühlt sich dabei aber auch nicht eingeengt. Plötzlich fließt alles wie ein Set Wellen an einem Point Break. Der schnelle 60ties Rock mit Garagen-Attitüde macht unglaublich Spaß und nichts anderes zählt plötzlich mehr. Wenn ihr diese ganz spezielle Liebe finden solltet, dann ist meine klare Empfehlung: Stand by your band. Zufriedenheit und Reife werden sich letztlich durchsetzen.

Apropos Reife: Kurz kam die Idee auf diesen Artikel doch einfach „Ich war in mehr Bands als Frauen“ zu nennen, was aber meine sexuellen Erfahrungen etwas unter den Scheffel gestellt hätte. Manchmal macht man dann doch nicht alles für den Wortwitz.

Ich habe euch alle noch sehr lieb, meine Ex-Musiker. Ohne euch wär’s nur halb so lustig gewesen.

So hang tide, my Shakabros

Alle Fotos vom Autoren bereitgestellt

Für mehr Geschichten von umtriebigen Musik-Affären folge Josef auf Twitter: @theZeffo

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