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Campingplätze verändern sich, die QOTSA bleiben—Frequency, Tag 2

Wir kämpfen gegen Regen, das Internet und Camping-Nostalgie. Außerdem wollen wir Snoop zum Weltkulturerbe ernennen.

Alle Fotos: Julian Haas

Wenn du dich mental auf einen langen und anstrengenden Festivaltag mit haufenweisen Konzerten einstimmen willst, gibt es nur eine wirklich zuverlässige Methode: du musst dich direkt in das Epizentrum des Rausches, des Wahnsinns und des Gatsches begeben. Deshalb beginne ich den zweiten Frequency-Tag mit einer ausgiebigen Wanderung durch den Campingplatz.

Auch wenn ich hier schon ein paar Jahre nicht mehr gehaust habe, fühle ich mich sofort wieder zuhause. Vollständig mit Edding bemalte Gesichter grinsen mir zufrieden entgegen, ich werde von Zeltstadt-Ureinwohnern mit 30 Grad warmem Schwechater aus der Dose willkommen geheißen. Menschen in Ganzkörperkostümen tanzen auf den Lastwägen, welche die Dixi Klo-Scheiße wegfahren, und saufen gleichzeitig aus Trichtern. Mann, habe ich diese Psychopathen hier vermisst.

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Ich merke aber auch, dass sich die Zeltstadtbewohner kulturell weiterentwickeln: Statt dem altehrwürdigen „Heeeeelga!“ brüllen sie nämlich mittlerweile viel häufiger „Shrimps mit Reis!“. Außerdem hat Flunkyball als Saufspiel am Campinggelände mittlerweile fast Monopolstellung. Die Zeit bleibt eben auch hier nicht stehen.

Nun fühle ich mich bereit, für alles, was da konzerttechnisch auf mich zukommen mag. Ich wandere in den Gummistiefeln, die ich mir mittlerweile zugelegt habe, zur Space Stage, um mir den easyesten aller Easy-Listening-Sounds von Milky Chance anzuhören. Irgendwie bin ich zwar ein ganz kleines bisschen enttäuscht, dass die Stimme des Sängers nicht ganz so verraucht klingt wie im Radio. Die Atmosphäre ist trotzdem gut. In Gedanken bin ich aber ehrlich gesagt schon bei einem ganz anderen Gig, der gleich ansteht.

Irgendwie ist es schon fast zu einer Tradition geworden, dass die Festivalbesucher, die man noch am ehesten als Hipster klassifizieren würde, sich einmal pro Frequency für ein etwas gediegeneres Konzert vor der Green Stage zusammenfinden—2012 bei The xx, letztes Jahr bei James Blake. Und dieses Jahr für einen vielversprechenden Auftritt von Woodkid. Da ich zu den armen Seelen gehöre, die seinen Auftritt im Gasometer 2013 verpasst haben, ist die Vorfreude bei mir doppelt groß.

Und bist du deppert, ich werde alles andere als enttäuscht. Woodkids Stimme brummt herrlich, die Trommler machen live noch viel mehr Sinn als auf Platte. Die Visuals, für auch Woodkid höchstpersönlich verantwortlich ist, kommen mir vor, als wären sie nicht von dieser Welt. Mehr Ästhetik und Epos kann man auf die kleine Bühne am Frequency vermutlich gar nicht quetschen. Eine fast perfekte Show—würde das Schlagzeug von Imagine Dragons (Elke!), die zeitgleich auf der großen Bühne in etwa einem Kilometer Entfernung spielen, nicht bei jeder Gelegenheit dazwischenschallen.

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Leider bleibt gar keine Zeit, um nach dem Woodkid-Auftritt in mystischer Stimmung zu bleiben. Es wird gerammelt voll vor der Green Stage, denn niemand geringeres als der echte und einzige Snoop Dogg hat sich angekündigt. Zwar als Snoop Lion, aber ich hoffe einfach ganz inständig, dass wir mehr als seine halbseidenen Party-Reggae-Sachen zu hören bekommen.

Alle Hoffnungen werden übertroffen. Nach bereits einem Song ist der Snoop Lion-Spuk vorbei, und ein Westcoast-Gangsta-Rap-Inferno bricht über uns herein. Es gibt kein Halten mehr. Hände werden in die Luft gerissen, Hintern werden geschüttelt. Sogar Snoops Hypeman, dessen Gesicht man kaum sehen kann, weil er sein Cap so weit nach unten gezogen hat, entpuppt sich bei ganz, ganz genauem Hinschauen als G-Funk-Legende Kurupt. Es ist herrlich.

Innerhalb von Minuten verzeihe ich Snoop Doggy Dogg all die musikalischen Eskapaden der letzten Jahre, all die Features für die Katy Perrys, David Guettas und Jason Derulos dieser Welt. Ich bin einfach nur dankbar für die dutzenden Rap-Classics, die er wie am Fließband raushaut. Wie ich Snoop so mit seinem Blunt im Mund beobachte, überlege ich, ob man einen Menschen eigentlich zum Rap-Weltkulturerbe ernennen kann. Irgendwie wäre es bei diesem Kerl angebracht.

Ein paar Minuten, nachdem ich den kleinen Hustla in mir rauslassen durfte, muss ich mich aber ein weiteres mal auf ein völlig anderes Musikuniversum einstellen: Queens Of The Stone Age schließen den Abend auf der Space Stage. Man mag vielleicht meinen, Josh Homme und seine Stoner Rock-Bande könnten langsam zu einem alten Hut werden. Aber eines macht mir ihr Auftritt bewusst: Egal wie oft die Queens schon spielen hast sehen, sie haben immer gut aufs Frequency gepasst, sie passen heute noch perfekt hierher, und sie werden vermutlich auch in zehn Jahren noch herpassen. Außerdem werden sie werden als Liveband kontinuierlich besser und erstaunlicher, Abnutzungserscheinungen sind nach wie vor keine zu finden. Da gibt es kaum etwas auszusetzen, außer dass das Konzert etwas früher endet als angekündigt.

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Tag Zwei am Frequency war gut, richtig gut. Der Line Up-technisch sicher stärkste Tag hat gehalten, was er versprochen hat. Ich bin fix und fertig und hoffe, dass ich meine Energiereserven nicht schon nach der Hälfte des Festivals verbraten habe. Die Gaudi hat ja eigentlich gerade erst begonnen.

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