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Wir versöhnen uns so halb mit Macklemore und verstehen endlich Ryan Lewis—Frequency, Tag 1

Wir haben uns mit Macklemore kritisch auseinandergesetzt und versöhnt.

Alle Fotos: Julian Haas

Wie die meisten der Leute, die schon zum ersten der neuerdings vier Frequency-Tage angereist sind, bin ich gekommen, um Macklemore und Ryan Lewis zu sehen. Ich bin aber alles andere als ein Fan. Für mich stellt der erste Tag am Frequency eine Art Selbsttherapie dar: Ich will versuchen, ganz gezielt meine latente Abneigung gegen Macklemore abzubauen.

Ich weiß nicht mal genau, warum ich ihm gegenüber so eine negative Haltung habe. Er hat mir ja nichts getan. Und wenn ich über eines seiner Musikvideos gestolpert bin, konnte ich mir das Lachen eigentlich auch nie verkneifen. Trotzdem habe ich es noch nie geschafft, den Kerl für voll zu nehmen. Für mich war Macklemore bisher ein Rapper für Leute, die richtigen Rap eigentlich gar nicht mögen, weil er zu viel „Yo Yo“-Gangster-Attitüde hat, und die lieber auf Bad Taste-Parties zu Gute-Laune-HipHop-Beats gröhlen. Vielleicht bin ich aber auch einfach ein voreingenommener und elitärer Rap-Schnösel, der einmal von seinem hohen Ross steigen sollte.

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Außerdem will ich für mich ganz persönlich weitere Frage beantworten: Welche genaue Funktion hat dieser Ryan Lewis eigentlich bei den Live-Shows? Soweit ich weiß, produziert er auf jeden Fall die Beats und ist eine Art DJ. Irgendwie wird der arme Kerl aber immer dargestellt, als sei er so etwas wie Macklemores Praktikant—ungefähr das, was Elton für Stefan Raab ist, oder Robin für Batman. Trotzdem steht sein Name genauso groß am Plakat wie der von Macklemore. Ich will herausfinden, warum.

Vor meinem musiktherapeutischen Experiment stehen aber noch ein paar andere Auftritte an. Während der Show von Biffy Clyro beginnt es, aus Eimern zu gießen. Mein Bier besteht bereits nach kurzer Zeit zu zwei Dritteln aus Regenwasser, und ich beginne die Kids zu beneiden, die vernünftig genug waren, Gummistiefel mitzunehmen (oder von ihren Mamas vor der Abfahrt zum Festival dazu genötigt wurden). Ich fühle mich gezwungenermaßen auf nostalgische Art und Weise an die längst vergangenen Frequency-Tage in Salzburg erinnert.

Als nächstes sind Bastille im Line Up an der Reihe. Die Leute rund um mich sind aber trotz des phänomenalen Scheißwetters unfassbar gut drauf, also lasse ich mir die Laune jetzt auch nicht von ein bisschen Wasser verderben. Während Bastille einen Haufen Hits trällern, die ich hauptsächlich vom Nebenbeihören aus dem Radio kenne, bestaune ich das neue, wirklich schicke Space-Design über und rund um die großen Frequency-Bühne. Die Zeiten, in denen Festival-Bühnen hässliche, viereckige Stahlklumpen mit ein paar schwarzen Vorhängen rundherum waren, scheinen auch in Österreich endlich vorbei zu sein. Find ich super.

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Gegen Ende des Bastille-Auftrittes hört es sogar auf, zu regnen, und für ein paar Minuten lässt sich gar die Sonne blicken. Ein Zeichen dafür, dass mein Versöhnungsversuch mit Macklemore unter einem guten Stern steht? Ich hoffe es. In der Pausen-Playlist vor dem großen Auftritt des Abends wird sogar mit Kendrick Lamar, A$AP Rocky und Kanye West angeheizt. Jetzt steigt meine Laune auch als eingesessener Rap-Fan gehörig.

Kaum betritt Macklemore die Bühne, beginnt eine Freakshow der Sonderklasse. Tänzerinnen in bunten Leggings, Typen, die Blasinstrumente spielen und zwischendurch wie bekloppt mit ihren Armen herumfuchteln, ein paar Streicher, und an die Zehntausend Leute, die völlig am Rad drehen. Schon nach ein paar Minuten schießen zu „Thrift Shop“ die Konfetti- und Rauchkanonen aus allen Löchern. Ich fühle mich ziemlich schnell so, als wäre ich ungefragt mitten in eines dieser lustigen Macklemore-Musikvideos gebeamt worden, aber irgendwie finde ich es ganz lustig in seiner surrealen Welt.

Mir wird nebenbei bewusst, dass Ryan Lewis wirklich mehr als nur ein Praktikant ist. Er darf neben den DJ-Aufgaben nämlich hier und da auch mal auf eine Trommel hauen und hat zudem ein Mikrofon, in das er ganz oft und ganz laut „Hands up!“ brüllt. Außerdem erwähnt Macklemore, dass Ryan einer der dopesten Producer im Game ist, und zudem auch noch für seine lustigen Musikvideos verantwortlich ist.

Macklemore selbst zieht wirklich alle Register, um mich und das restliche Publikum um den Finger zu wickeln: Er schwärmt über die Attraktivität der österreichischen Bevölkerung und erwähnt bei jeder Gelegenheit unsere Schnitzel und Würstel. Er wird aber auch mal ernst, und hält vor seinem Song „Same Love“ eine kurze Rede für Gleichberechtigung und Toleranz. Zwischendurch schlüpft er in glitzernde Mexikaner-Faschingsoutfits oder setzt sich lächerliche Perücken auf. Wie zur Hölle soll ich diesen Typen weiterhin scheiße finden? Irgendwie wird mir dieser Macklemore im Laufe seiner Show sogar fast sympathisch. Er rappt zwar nicht besonders druckvoll, und ich verstehe akustisch maximal ein Drittel seiner Lyrics, aber als Showman macht er seine Sache wirklich großartig. Seine Zwischenansagen sind auf dieselbe Weise komisch wie seine Musikvideos, und man müsste schon einen gewaltigen Stecken im Hintern haben, wenn man das ganze Konzert hinter sich bringen könnte, ohne irgendwann aufrichtig lachen zu müssen. Das Publikum ist sowieso völlig aus dem Häuschen, und nicht einmal der Starkregen, der nach der Hälfte der Show wieder einsetzt, kann irgendetwas an der Euphorie der Leute ändern. Und darauf kommt es ja bei so einem Festival letztendlich an. Ich bin zufrieden. Meine Macklemore-Selbsttherapie hat zumindest in Teilen funktioniert. Ich hoffe ganz schwer, dass das Lineup der nächsten Tage, das mich im Vorhinein eigentlich nicht sonderlich überzeugt hat, noch einige weitere positive Überraschungen parat hält.

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